Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl im Landkreis Freising:"Grundsätzlich ist alles drin"

Lesezeit: 3 min

Der SPD-Bundestags­kandidat Andreas Mehltretter ist optimistisch, was das Abschneiden seiner Partei bei der anstehenden Wahl betrifft. Ihn selbst treibt bei seinem politischen Engagement der Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit an.

Von Alexander Kappen, Freising

Was seinen Musikgeschmack angeht, darf es, so ist auf seiner Website zu erfahren, ruhig mal laut zugehen. Andreas Mehltretter selbst dagegen wirkt eher wie ein Mann der ruhigeren Töne. Einer, der trotz seiner unaufgeregten Art klare politische Vorstellungen hat und diese auch deutlich formuliert, dabei aber nicht vergisst, anderen zuzuhören. So wie bei jenem Termin Ende August in Langenbach, als es um die rechtlichen Schwierigkeiten von Kommunen bei der Ausweisung von Tempo-30-Zonen geht. Mehltretter tritt nicht als einer auf, der nur vor den Anwesenden spricht, sondern mit ihnen. Er stellt seine Sicht der Dinge dar, lässt sich dann aber von Bürgermeisterin Susanne Hoyer ausführlich die Situation vor Ort erläutern.

Mehltretter, der sich bei der kommenden Wahl am 26. September nach 2017 bereits zum zweiten Mal für die SPD um einen Sitz im Bundestag bewirbt, setzt im Wahlkampf auf eine Mischung zwischen Präsenzterminen wie den in Langenbach und Online-Veranstaltungen. Letzteres nicht nur wegen den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie, sondern auch, weil er einen besonderen Bezug dazu hat. Der 29-Jährige tritt mit dem Ziel an, "unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft insgesamt digital, klimaneutral und sozial neu aufzustellen". Nicht zuletzt zur Digitalisierung hat er seit jeher eine Affinität.

Nach seinen Anfängen im Freisinger Jugendkreistag gehörte Mehltretter zwei Jahre lang den Piraten an, die sich das Thema groß auf die Fahne geschrieben hatten. Doch schon bald merkte er "dass mir der soziale Aspekt gefehlt hat". Soziale Gerechtigkeit sei "schon immer eine Triebfeder für mein Engagement gewesen", sagt der Freisinger. Darum trat er Anfang 2012 schließlich in die SPD ein, fungierte gleich für sechs Jahre als Vorsitzender der Freisinger Jusos und steht heute an der Spitze des SPD-Kreisverbands.

Mehltretter, am 10. Dezember 1991 in Moosburg geboren und in Freising und Marzling aufgewachsen, stammt aus einer Familie, in der Politik zwar ein Thema war, "aber keiner in einer Partei aktiv". Die Zeit im Jugendkreistag habe dann so viel Spaß gemacht, dass er seitdem "weitgehend politisch interessiert" sei, "schon immer nicht nur an der Kommunalpolitik, sondern auch an den großen Themen der Gesellschaft". So kam es, dass er 2017 als 25-Jähriger für den Bundestag kandidierte, noch bevor er auf lokaler Ebene in ein Gremium gewählt wurde, 2020 neben dem Kreistag auch in den Freisinger Stadtrat einzog und dort nun Referent für Wirtschaft und Digitalisierung ist.

Ein Amt, für das ihn nicht zuletzt seine Ausbildung qualifiziert. Nach dem Abitur am Freisinger Dom-Gymnasium im Jahr 2011 studierte Mehltretter an der LMU in München Volkswirtschaftslehre im Bachelor und machte danach den Master in "Economics". Seit Juli 2017 arbeitet er am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaften an seiner Promotion zum Zusammenhang von Waffenhandel und innerstaatlichen Konflikten. Seit einigen Jahren betreibt er zudem nebenher ein Kleingewerbe für IT-Dienstleistungen.

Im Bereich Digitales "wäre es nicht schlecht, im Bundestag mehr Leute zu haben, die ein grundsätzliches Verständnis für diese Dinge mitbringen", sagt er, "welche, die wissen, was man damit alles anfangen kann und wo man es in die richtigen Bahnen leiten muss". Für die Bürger, auch hier im Landkreis, gehe es konkret etwa darum, dass neben den Schulen auch die Verwaltungen digital fit gemacht und Anträge online gestellt werden können. Im größeren Kontext sei eine Auseinandersetzung mit großen Tech-Unternehmen wie Facebook und Google notwendig und eine entsprechende Regulierung "dieser Oligarchen".

Beim Klimawandel gehe es vor Ort darum, "welche Flächen wir für PV-Anlagen haben und wie wir die Verkehrswende hinbekommen - erstens klimaneutral, zweitens wie viel Mobilität wir da hinbekommen, wo noch so viele auf das Auto angewiesen sind". Im Landkreis beziehungsweise Kreistag müsse man zusehen, dass man den Ausbau des Busverkehrs auf die Reihe bekomme, "aber der Bund schafft den Rahmen, damit das finanziell auch umgesetzt werden kann".

Selbiges trifft im Sozialbereich etwa auf den bezahlbaren Wohnraum zu. "Die Kommunen haben die Möglichkeit, gefördert zu bauen, aber sie sind in ein sehr enges finanzielles Korsett eingeschnürt", sagt der SPD-Kandidat. Auch dass sich "in unserer sehr reichen Region wegen der sehr teuren Grundstückspreise kaum mehr jemand ein Haus erwirtschaften kann, wenn er nicht erbt", stößt ihm sauer auf. Er würde gerne Bodenwertzuwächse besteuern, "um Gewinne, die bei der Umwandlung in Bauland entstehen, gerechter zu verteilen".

Womöglich können die Sozialdemokraten vieles von dem bald in Angriff nehmen. Mit Blick auf den positiven Bundestrend der SPD sieht Mehltretter jedenfalls "keinen Grund, warum die SPD keine große Chance haben sollte, stärkste Bundestagsfraktion zu werden - das ist eine realistische Option". Selbiges trifft auch auf seine Aussicht zu, über die Liste in den Bundestag einzuziehen. Mehltretter kandidiert auf Position 15 der Landesliste, "und bei unserem letzten Wahlergebnis sind 18 Leute von der SPD-Bayernliste in den Bundestag eingezogen", rechnet er vor. Genauso realistisch wie seine Erfolgschancen über die Liste ist sein Scheitern als Direktkandidat - wobei er das ein wenig einschränkt: "Natürlich wissen wir alle, dass es unwahrscheinlich ist, das Direktmandat zu holen, aber die Möglichkeit besteht immer, grundsätzlich ist alles drin."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5411421
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.09.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.