Bundestagsabgeordnete aus dem Landkreis Freising:"Eine gute Grundlage"

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Strahlkraft in der Ampel verloren? Die Grünen sehen die Koalition derzeit auch als Erfolgsbremse. (Das Bild entstand durch Langzeitbelichtung einer Ampel vor dem Berliner Reichstag.) (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Die neuen Bundestagsabgeordneten Andreas Mehltretter (SPD) und Leon Eckert (Grüne) sind zufrieden mit dem Ampel-Koalitionsvertrag - anders als die Oppositionspolitiker Erich Irlstorfer (CSU) und Johannes Huber (AfD).

Von Thilo Schröder, Freising

Seit kurzem ist der Koalitionsvertrag öffentlich, auf dessen Basis SPD, Grüne und FDP die Bundesrepublik in den kommenden vier Jahren gemeinsam regieren wollen. Unter dem Titel "Mehr Fortschritt wagen - Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit" haben sich die Parteien viel vorgenommen. Digitaler, innovativer und sozialer soll Deutschland werden, ökologisch, fair und sicher. Bis zum Nikolaustag wird auf zwei Parteitagen und in einer Urabstimmung über das 178 Seiten dicke Dokument votiert.

Die beiden neuen Abgeordneten aus dem Wahlkreis 214 (Freising-Pfaffenhofen-Schrobenhausen), Andreas Mehltretter (SPD) und Leon Eckert (Grüne), halten es für eine gute Grundlage. Die Oppositionspolitiker Erich Irlstorfer (CSU) und Johannes Huber (AfD) sehen das erwartungsgemäß anders. Auffallend auch unterschiedliche Schwerpunkte: Während Eckert und Mehltretter soziale und ökologische Punkte hervorheben, arbeiten sich Irlstorfer und Huber an Migrationsfragen ab.

Andreas Mehltretter, SPD

Ein höherer Mindestlohn von zwölf Euro, eine Kindergrundsicherung, jährlich 400 000 neue Wohnungen, eine Ausbildungsgarantie für Jugendliche: "Das sind die Punkte, für die wir als SPD angetreten sind", sagt Andreas Mehltretter. Er freue sich, dass sie im Vertrag drinstehen. Auch bei der Energiewende sei wichtig, "dass wir ganz konkret sagen, wo die Probleme liegen, dass wir alles, was den Ausbau behindert, zur Seite schieben". Erhofft habe er sich indes, "dass beim Bürgergeld niemand mehr unter das Existenzminimum rutscht, da hätte ich mir ein klares Bekenntnis gewünscht". Gerne gehabt hätte er daneben das generelle Tempolimit, den Wegfall der sachgrundlosen Befristung und eine Bürgerversicherung. "Meiner Meinung nach sind diese Punkte alle offensichtlich. Aber in einer Koalition mit drei Parteien kann nicht alles umgesetzt werden."

Dass es zur Finanzierung der Ampel-Vorhaben keine Maßnahmen für ein "gerechtes Steuersystem" gebe, sei der FDP geschuldet, sagt Mehltretter. Er ist aber zuversichtlich: "Die Finanzierung haut schon hin." Man werde viele private Mittel locker machen, die Spielräume der Schuldenbremse - sie soll von 2023 an wieder gelten - nutzen und durch den Abbau von Subventionen mehr Geld einnehmen. Alles in allem sei der Koalitionsvertrag "eine sehr gute Grundlage für die nächsten vier Jahre".

Leon Eckert, Grüne

"Ganz zufrieden" ist Leon Eckert mit den im Vertrag vorgesehenen Möglichkeiten für mehr Anwohnerschutz an Straßen, etwa über eine veränderte Straßenverkehrsordnung, die den Kommunen mehr Spielraum einräumen soll. Eine nachhaltige Landwirtschaft als "zentrale Säule der künftigen Klimaschutzstrategie", wie es in einer Pressemitteilung heißt, stärke das Vorhaben, "das Donaumoos zu einer Kohlenstoffsenke umzubauen und gleichzeitig landwirtschaftliche Strukturen zu erhalten". Eine geplante Baugesetzänderung biete Kommunen weitere Mitspracherechte, sagt Eckert. Förderprogramme würden vereinfacht, Digitalisierung und Klimaschutz so "in die Fläche" gebracht.

Gewünscht hätte er sich, dass der "Ausbau von Flughafeninfrastruktur komplett beendet" würde, sagt Eckert. Merkwürdig erscheine ihm im Verkehrssektor eine "Fokussierung auf E-Fuels, da ist die Kapazität einfach nicht da". Mehr auf andere, nachhaltigere Verkehrsträger zu setzen, wäre "auf jeden Fall" wichtig gewesen. Aber es gebe ja dafür spürbar höhere Regionalisierungsmittel. Auch Eckert nennt den Koalitionsvertrag eine "Grundlage für erfolgreiches Regieren", die Umsetzung müsse jetzt aber "hart erarbeitet werden". Damit das Ampel-Bündnis bestehe, müsse man das Versprechen einhalten, nicht nur auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners zu regieren.

Johannes Huber, AfD

"Nicht viel" Positives könne er über den Ampel-Koalitionsvertrag äußern, sagt dagegen Johannes Huber. Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, sei "als Ziel eigentlich gut". Huber war zuletzt Mitglied der Kinderkommission des Bundestags. Kinder hätten aber bereits alle Grundrechte, man müsste diese verwirklichen. Dadurch etwa, dass sie das Recht bekämen, über ihre Impfung zu entscheiden, sagt Huber. Er kritisiert zudem die Pläne der künftigen Koalition, geduldeten Geflüchteten ein Bleiberecht in Aussicht zu stellen. Damit werde "die illegale Migration" ausgeweitet. Wenn nach drei oder fünf statt bislang sieben Jahren ein dauerhafter Aufenthalt möglich werde, entwerte das die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die traditionelle Familie sieht Huber ebenfalls in Gefahr. Der Koalitionsvertrag sieht vor, ein "Institut der Verantwortungsgemeinschaft" einzuführen und so "jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen". Für Huber die "Umsetzung der Träume mancher 68er, die Familie wird umgewandelt zur Kommune". Weiterhin kritisiert er eine "Deindustrialisierung der Wirtschaft" durch Klimapolitik, etwa über höhere Benzin- und Strompreise. "Das trifft ländliche Wähler, für die ist im Koalitionsvertrag nichts dabei, der Koalitionsvertrag ist auf Großstadtmenschen ausgerichtet."

Erich Irlstorfer, CSU

Wie die Ampel-Vorhaben finanziert werden sollen, fragt sich Erich Irlstorfer. "Dazu wird wenig bis gar nichts gesagt." Inhaltlich störe ihn im Bereich Mobilität, dass die Prioritäten des Bundesverkehrswegeplans "pauschal infrage gestellt" würden. Daraus folge fehlende Planungssicherheit für die Kommunen, für die B 16 in Manching etwa bedeute dies bei einer womöglich notwendigen Neuplanung Zeitverlust. Auch das Bürgergeld, das die Grundsicherung (Hartz IV) ersetzen soll, sieht er skeptisch. "Das ist eine Verabschiedung von der Agenda 2010 und dem Prinzip 'Fördern und Fordern'. Man muss aber Anreize setzen."

Wie Johannes Huber sieht Irlstorfer die Pläne für Migration und Bleiberecht kritisch. "Eine Legalisierung eines illegalen Aufenthalts, das halte ich inhaltlich für falsch. Wenn illegale Migration so noch belohnt wird, gibt's ja keinen Grund mehr, legal einzuwandern." Natürlich brauche es Arbeitsmarktzuwanderung, fügt er hinzu. Als Gesundheitspolitiker sieht Irlstorfer die geplante Legalisierung von Cannabis "sehr kritisch", obgleich er die medizinische Verabreichung "richtig und gut" findet. Viel zu kurz kommt ihm das Thema Pflege. "Da hatte ich mir viel mehr erhofft, dass man definiert, wie man das anders machen möchte. Wir brauchen keinen Pflegebonus, sondern dauerhafte Verbesserungen."

Wie sich die neue Koalition schlägt, sollte sie wie erwartet zustande kommen, bleibt abzuwarten. Das weiß auch der CSU-Mann Erich Irlstorfer, der anders als seine drei Kollegen bereits Teil einer Regierungsfraktion war: "Man muss erst einmal die Ampel-Koalition ihre Arbeit aufnehmen lassen", sagt er, "ihr eine faire Chance geben".

© SZ vom 02.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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