BN vermutet Umweltskandal:Alte Deponie einfach überbaut

BN vermutet Umweltskandal: De facto sei die Mülldeponie einfach großzügig überschüttet worden, kritisierte Kreisvorsitzender Wolfgang Willner am Freitag bei einer Pressekonferenz des BN.

De facto sei die Mülldeponie einfach großzügig überschüttet worden, kritisierte Kreisvorsitzender Wolfgang Willner am Freitag bei einer Pressekonferenz des BN.

(Foto: Marco Einfeldt)

Der Bund Naturschutz kritisiert, dass vor dem Bau des Marzlinger Kreisels auf eine Sanierung verzichtet wurde - mit unbekannten Folgen.

Von Kerstin Vogel, Freising

Die Geschichte birgt alle Zutaten für einen handfesten Skandal: Eine Behörde, die fünf Jahre nach der Fertigstellung eines Bauwerks plötzlich eine Tektur dafür beantragt. Eine Mülldeponie, die überbaut wurde, obwohl niemand sagen kann, was dort genau lagert, und die nachweislich zumindest 2015 noch neues Deponiegas gebildet hat - klimarelevant und explosionsgefährdet. Und dazu Gutachten, aus denen die von den Abfällen ausgehenden Gefahren sehr wohl schon früher hätten abgeleitet werden können.

Es war der Bund Naturschutz in Person von Grünen-Stadtrat Manfred Drobny, der hellhörig wurde, als die Stadt Freising kürzlich um eine Stellungnahme zu einer Tektur für den "Marzlinger Kreisel" gebeten wurde. Der dient dem Anschluss an die Nordostumfahrung, wurde im April 2014 genehmigt und wird seit fünf Jahren genutzt. Doch abweichend vom Planfeststellungsbeschluss wurde der Kreisel gut drei Meter erhöht gebaut, offensichtlich weil man sich an die Sanierung der darunterliegenden Hausmülldeponie nicht herantraute - oder sich die Kosten dafür sparen wollte, wie der Bund Naturschutz nun mutmaßt.

Weitere Belastungen nachgewiesen

Dass die Tuchinger Deponie, die von 1955 bis 1973 betrieben wurde und ein Fassungsvermögen von 300 000 Kubikmetern hatte, nicht ganz ohne ist, belegt eine Altlastendetailstudie, die das Staatliche Bauamt Freising durchgeführt hat und deren Ergebnisse mit den Tekturunterlagen dem Planungsausschuss des Stadtrats vorgelegt wurden. In dem untersuchten Bodenmaterial waren demnach "häufig Belastungen durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) mit zum Teil sehr hohen Konzentrationen auffällig", heißt es da - und: "Punktuell wurden weiterhin Belastungen durch Mineralkohlenwasserstoffe nachgewiesen."

Anstatt dies aber genauer zu untersuchen und gegebenenfalls zu sanieren, entschied sich das Staatliche Bauamt im Frühjahr 2016 für eine Umplanung, auch weil man eine Sanierung wegen der Deponiegase für die Bauarbeiter für gefährlich hielt, wie ebenfalls aus den Unterlagen hervorgeht. Der Kreisel wurde also um etwa drei Meter angehoben, "so dass durch den Straßenkörper kein baulicher Eingriff in das Deponat, die naheliegende Bebauung und in den angrenzenden Bannwald erfolgt".

"Ein klassischer Schwarzbau"

De facto sei die Mülldeponie einfach großzügig überschüttet worden, kritisierte Kreisvorsitzender Wolfgang Willner am Freitag bei einer Pressekonferenz des BN: "Das heißt, der Dreck ist da für die nächsten 50 Jahre vergraben." Das sei "ein klassischer Schwarzbau", empörte sich Drobny. Zudem gebe es sehr wohl Firmen, die so etwas sanieren könnten. Stattdessen sei drüber gebaut worden, "Augen zu und durch, nach uns die Sintflut". Sein Verdacht: Man wolle nicht daran rühren, weil das richtig teuer würde.

Der frühere Grünen-Landtagsabgeordnete Christian Magerl erinnert sich noch persönlich an die Tuchinger Deponie und die Lastwagen, die damals teerhaltigen Straßenaufbruch herangefahren hätten - "und dann hat man die PAK". Damals habe es kaum Umweltgesetze gegeben "es wurde alles Mögliche herangekarrt und verfüllt". Doch unter anderem durch die hohen Wasserstände in diesem Bereich bestehe durchaus die Gefahr, dass die PAK, immerhin krebserregende, Erbgut-verändernde Stoffe, ins Grundwasser geraten könnten, so seine Warnung. Dass hier 2016 "sehenden Auges" gegen eine Sanierung entschieden wurde, nennt Magerl skandalös - ganz abgesehen davon, dass sich durch den nun höher liegenden Kreisel auch die Lärmbelastung der Anwohner verändert habe und möglicherweise Anspruch auf Lärmschutz bestehe.

Johannes Becher kündigt schriftliche Anfragen an

Der Freistaat werde "seiner Vorbildfunktion auf allen Ebenen nicht gerecht", empörte sich der Grünen-Landtagsabgeordnete Johannes Becher. Da werde erst gebaut und dann lasse man sich das genehmigen - "und währenddessen dampfen da Deponiegase mehr oder weniger unkontrolliert aus". Der gesamte Vorgang sei "nicht akzeptabel", sagte Becher und kündigte schriftliche Anfragen dazu an den Landtag an. Der BN forderte, dass jetzt Geld in die Hand genommen werden müsse, um die von der Deponie ausgehenden Gefahren zu beseitigen.

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