Bürokratie verprellt die Helfer:Willkommen in Absurdistan

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Reinhard Kastorff kümmert sich zusammen mit acht weiteren Personen in Wang um Asylbewerber. Er klagt über bürokratische Hürden. Eine Ehrenamtskarte will er gar nicht, dafür aber wenigstens ein bisschen Anerkennung.

Petra Schnirch

- Ehrenamtskarte braucht er keine, sagt Reinhard Kastorff. Eine gewisse Anerkennung aber wünscht er sich für den großen Personenkreis, der nicht in einem Verein organisiert ist und seine liebe Not mit der deutschen Bürokratie hat, schon. Kleine Gesten und eine bessere Kommunikation der Behörden könnten die Arbeit enorm erleichtern, sagt der Moosburger. Stattdessen aber müssten sich die ehrenamtlichen Helfer als "Sozialromantiker" belächeln lassen. Das Ehepaar Kastorff kümmert sich mit einem inneren Zirkel von etwa acht Personen um die 22 Asylbewerber, die in Isareck bei Wang untergebracht sind. Auch in vielen anderen Ortschaften engagieren sich Freiwillige für die Flüchtlinge, die in den vergangenen Monaten im Landkreis angekommen sind.

Kastorff und seine Frau sind nahezu täglich für die Asylbewerber da - wann immer sie krank sind, Rat brauchen, etwas erledigen müssen oder aber wieder einmal schwer verständliche Post erhalten haben. "Ich habe jeden Tag Bürostunde", sagt Kastorff ironisch. Da viele der Flüchtlinge im Landkreis in kleinen Orten ohne oder mit sehr schlechten Busverbindungen wohnen, übernehmen die Helfer regelmäßig Fahrdienste ins Krankenhaus, zum Arzt, zu den Behörden. Wenigstens ein kostenloses Ausfahrticket für die Tiefgarage am Landratsamt würde Kastorff sich für diese Leute wünschen - und auch eine Versicherung für diese Fahrten. Denn auf den Kosten bleiben die Helfer bisher sitzen, wenn sie etwa, wie es einer ehrenamtlichen Dolmetscherin passiert ist, mit ihrem Auto an einer Säule entlang schrammen.

Eva Dörpinghaus, Sprecherin im Landratsamt, betont, dass die Behörde die Ehrenamtlichen unterstütze, soweit das möglich sei. Das mit der Parkkarte lasse sich sicherlich unbürokratisch regeln, wenn die Sachbearbeiter darauf angesprochen würden. Wegen einer Versicherung habe man aktuell bei der Regierung nachgefragt und die Auskunft erhalten, dass dies nicht machbar sei. "Aber wenn Herr Kastorff eine Lösung weiß", werde man nachhaken.

Was der Moosburger außerdem gut heißen würde, wäre ein Austausch innerhalb und zwischen den Behörden. Sobald ein Flüchtling einen Aufenthaltstitel habe, brauche er ein Konto, er müsse zur AOK und zum Jobcenter. Die meisten Mitarbeiter aber seien im Umgang mit Asylbewerbern sehr unerfahren, sodass die Ehrenamtlichen die "sprach- und amtsunkundigen Flüchtlinge alle Woche zu einer anderen Stelle begleiten und oftmals erklären müssen, warum das bei der anderen Dienststelle so oder so gehandhabt wird", schildert der Moosburger.

Härtester Brocken ist nach Erfahrung der Helfer aber die GEZ, die die Flüchtlinge mit Post regelrecht "bombardiert", obwohl diese von Rundfunk- und Fernsehgebühren eigentlich ohnehin befreit sind. Sobald einer von ihnen - oder ein unbedarfter Unterstützer - angibt, dass ein Fernseher im Haus ist und nicht sofort einen Befreiungsantrag stellt, "haben sie binnen acht Wochen die Mahnung und Ankündigung weiterer Maßnahmen auf dem Tisch", schildert Kastorff. Und mit den Worten "Post, Reinhard" landet der Betroffene wieder bei ihm in der "Bürostunde".

Auch von einem weiteren Ausflug ins bürokratische Absurdistan weiß er zu berichten. Das im August in Freising geborene Kind einer afghanischen Familie kann bisher nicht beurkundet werden, weil die Eltern weder eine Heirats- noch eine Geburtsurkunde der Mutter vorlegen können. Somit ist das Baby in keinem Flüchtlingsausweis vermerkt. Bei einer Polizeikontrolle bekamen die Eltern deshalb vor kurzem Schwierigkeiten. Erst nach einem Anruf bei den Ehrenamtlichen ließen die Beamten die Familie schließlich wieder ziehen. Weder der Polizei noch dem Standesamt sei hier ein Vorwurf zu machen, sagt Kastorff - dieses Beispiel belege aber den täglichen Irrsinn.

Selbst wenn der engagierte Moosburger wenig von einer "barmherzigen Ehrenamtskarte" hält: Das Landratsamt will sich dafür einsetzen, dass auch die Betreuer der Asylbewerber eine solche und mit ihr beispielsweise Vergünstigungen für Museen oder Schwimmbädern bekommen, wie Eva Dörpinghaus sagt. Das Zusammenzählen der Stunden sei ihr viel zu aufwendig, meint allerdings Elisabeth Stroh vom Freisinger Arbeitskreis Asyl und winkt schon mal ab. Parkkarten und auch ein Versicherungsschutz, das aber würde sie unterstützen - auch wenn es sie selbst nicht betrifft, weil sie kein Auto besitzt.

© SZ vom 23.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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