Echinger Bürgermeister:Verdacht auf Vetternwirtschaft

Echinger Bürgermeister: Offenbar ist auch die Innengestaltung des Echinger Rathauses ein Thema, das Bürgermeister Thaler noch zu schaffen machen könnte. .

Offenbar ist auch die Innengestaltung des Echinger Rathauses ein Thema, das Bürgermeister Thaler noch zu schaffen machen könnte. .

(Foto: Marco Einfeldt)

Unterlagen der Echinger Finanzverwaltung legen die Vermutung nahe, dass die Gemeinde Aufträge an einen möglichen Verwandten von Sebastian Thaler vergeben hat. Der Gemeinderat wusste offenbar nichts davon.

Von Vinzenz Neumaier, Eching

Sebastian Thaler wollte in der Gemeinde Eching wohl vieles anders als seine Vorgänger machen. 2019 präsentierte Bürgermeister Thaler zum ersten Mal einen gedruckten Jahresbericht für alle Bürger. Die Broschüre der Gemeinde umfasste etwa 60 Seiten, berichtete beispielsweise über die Anzahl der Feuerwehrautos oder wie viele Echinger Bürger Blut spendeten. An anderer Stelle geizten die Autoren der Broschüre jedoch mit Informationen. Im Impressum findet sich kein Hinweis, wer den Jahresbericht im Auftrag der Gemeinde Eching gestaltet und gedruckt hat.

Der Süddeutschen Zeitung liegen interne Dokumente der Echinger Finanzverwaltung vor. Die Unterlagen legen den Verdacht nahe, dass man die Aufträge für den Druck der Broschüre an einen mutmaßlichen Verwandten des Bürgermeisters vergeben haben könnte. Im Dezember 2019 flossen offenbar mehr als 11 000 Euro für den Druck der Broschüre an einen Fotografen und Maler aus der Oberpfalz. Die Echinger Gemeindekasse überwies wohl in zwei Tranchen zu 6235 Euro und 5295 Euro.

Der Name des Fotografen läßt eine Verwandschaft vermuten

Der Fotograf trägt denselben Nachnamen wie Sebastian Thalers Ehefrau vor deren Hochzeit. Thaler und seine Ehefrau stammen ursprünglich aus jener Gegend in der Oberpfalz, in der der Fotograf heute arbeitet. Der Fotograf wirbt zudem mit einer Porträtaufnahme Thalers auf der eigenen Webseite um Kunden. Bürgermeister Thaler kommentiert nicht, ob er mit dem Fotografen verwandt oder verschwägert ist. Thalers Ehefrau und der Fotograf reagierten auf eine schriftliche Anfrage der SZ ebenfalls nicht.

"Da ich die beiden gegen mich laufenden Ermittlungsverfahren nicht behindern und diese auch nicht durch eine öffentliche Stellungnahme meinerseits beeinflussen möchte, werde ich mich hierzu nicht äußern", sagt Thaler. Zu konkreten Vergaben an seinen mutmaßlichen Verwandten möchte er wegen einer angeblichen "Nichtöffentlichkeit von Ausschreibungsergebnissen" nichts sagen. Zusätzlich habe er die Kommunalaufsicht angefragt, ob er "nichtöffentliche Sachverhalte der Gemeinde" an die SZ übermitteln dürfe. Die Kommunalaufsicht habe aber nicht geantwortet, deshalb könne er zu mehreren Fragen nichts mitteilen, so Thaler.

Die Broschüre war offenbar nicht der einzige Auftrag

Die Bürgerbroschüre war offenbar nicht der einzige Auftrag, den Eching an den Fotografen vergab. Im Dezember 2019 zahlte die Gemeindekasse wohl zusätzlich 10 162,50 Euro an den Fotografen aus. Der Grund für diese Abrechnung war laut einer Unterlage der Echinger Finanzverwaltung ein sogenanntes "Corporate Design", das der Fotograf für die Gemeinde Eching erstellt haben soll. Welche Leistung der Fotograf für die Gemeinde erbrachte, möchte Bürgermeister Sebastian Thaler nicht verraten.

Etwa zur selben Zeit, als die Gemeinde Eching Geld für das Corporate Design überwies, stellte Thaler ein neues Logo (blauer Pferdekopf) dem Gemeinderat vor. Das Logo sollte wohl das Echinger Gemeindewappen zum Großteil ersetzen. "Viele Gemeinderäte fanden das Logo hässlich. Seitdem ist es in der Schublade verschwunden", sagt Christoph Gürtner, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler.

Auf Fragen gibt es keine klaren Antworten

Handelt es sich bei dem blauen Pferdekopf um die Arbeit des Fotografen, für die dieser wohl mehr als 10 000 Euro bekommen haben soll? Thaler schweigt. Im Jahr 2020 beauftragte die Gemeinde Eching mutmaßlich erneut den Fotografen, damit dieser Urkunden für eine Sportlerehrung der Gemeinde erstellen sollte. Kostenpunkt laut Beleg der Gemeindekasse: etwa 200 Euro. Die Gemeinde Eching ehrte in Thalers Amtszeit zum ersten Mal ihre Sportler.

Hat Sebastian Thaler seinem Verwandten mehrere Aufträge in Höhe von mehr als 20 000 Euro verschafft? Der Gemeinderat wusste offenbar nichts von den Vergaben in die Oberpfalz. "So was muss nicht zwingend verwerflich sein, aber ich finde es problematisch, dass der Gemeinderat hier offenbar keinen reinen Wein eingeschenkt bekommen hat", sagt Gemeinderat Christoph Gürtner. Andere Gemeinderäte bestätigen, dass sie von den Aufträgen an den mutmaßlichen Verwandten Thalers nichts wussten. "Das ist nicht korrekt so was", meint CSU-Fraktionssprecher Georg Bartl.

Er habe bei seinem Amtsantritt verfügt, dass ab einem Bestellwert von 300 Euro die Gemeinde mindestens drei Angebote einholen müsse, antwortet Bürgermeister Thaler auf Anfrage der SZ: "Es ist zwingend das jeweils günstigste/wirtschaftlichste Angebot zu beauftragen."

Wer die zweite Broschüre produzierte, weiß man nicht

Die Gemeinde Eching publizierte 2020 zum zweiten Mal ihren Jahresbericht. Die Broschüre wuchs von knapp 60 auf etwa 90 Seiten an. Ob Thalers mutmaßlicher Verwandter wieder von der Gemeinde Eching den Auftrag bekam, die Broschüre zu produzieren, ist unklar. Zumindest der Name einer Druckerei fehlt im Impressum erneut.

2021 konnte Sebastian Thaler samt Verwaltung in das renovierte Rathaus am Echinger Bürgerplatz umziehen. Den Besucher empfangen im Rathaus noch heute kahle Wände. Das soll aber wohl nicht so bleiben. Nach Informationen der SZ bekam Thalers mutmaßlicher Verwandter offenbar den Auftrag, sich um einen Teil der Innengestaltung des Rathauses zu kümmern. Den Gemeinderat habe man auch darüber nicht informiert, sagen mehrere Gemeinderäte. Thaler gibt auf Anfrage keine Auskunft, insbesondere äußert er sich nicht ob sein mutmaßlicher Verwandter das günstigste Angebot abgab.

Die Ermittlungsverfahren laufen immer noch

Die Staatsanwaltschaft Landshut ermittelt nicht gegen Sebastian Thaler wegen der mutmaßlichen Vergaben an dessen Verwandten. Das teilte die Anklagebehörde der Süddeutschen Zeitung mit. Die Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue und des Wuchers gegen Thaler laufen indes weiter. Es gilt die Unschuldsvermutung. Teil der Ermittlungen wegen mutmaßlicher Untreue gegen Thaler sind wohl unter anderem Rechnungen einer Münchner Anwaltskanzlei, die Thaler in einem Zivilprozess wegen einer angeblichen Rauferei am Echinger See vertreten hatte. Die Gemeinde übernahm wohl die Kosten für Thalers Anwälte, ob zu Recht oder zu Unrecht klären derzeit die Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft.

Sebastian Thaler beauftragte wohl im Jahr 2021 dieselbe Münchner Kanzlei, damit diese die Gemeinde Eching in einem weiteren Verfahren vertreten sollte. Die Kanzlei übernahm das Mandat für das "Nachlassverfahren Hans L.", wie die zuständige Anwältin in ihren Honorarnoten schreibt. Mehr als 16 000 Euro gestückelt auf vier Rechnungen zahlte die Gemeinde bis Juli 2021 an die Kanzlei.

Der Gemeinde entgingen wohl mehrere 100 000 Euro

Hans L. hatte der Gemeinde sein Vermögen, darunter eine knapp 100 Quadratmeter große Wohnung, testamentarisch vermacht. Sebastian Thaler wiederum hatte vor Ls. Tod dessen Wohnung, die eigentlich die Gemeinde hätte erben sollen, zu einem mutmaßlich günstigen Preis von 300 000 Euro gekauft. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb wegen des Verdachts des Wuchers gegen Thaler. Der Gemeinde Eching entgingen durch den dubiosen Deal offenbar mehrere 100 000 Euro, weil die Wohnung heute gut und gerne das Doppelte des Kaufpreises und mehr wert sein könnte.

Das Nachlassverfahren lief für die Gemeinde Eching aber dann wohl nicht komplett reibungslos ab. Die Münchner Anwaltskanzlei musste offenbar aushelfen. Am 22. Februar dieses Jahres kontaktierten die Anwälte im Namen der Gemeinde Eching die Staatsanwaltschaften Landshut, München 1 und München 2.

Auch die Staatsanwaltschaft sagt nichts

Worum ging es bei diesen Telefonaten? Sebastian Thaler gibt keine konkrete Auskunft dazu: "Die Kanzlei (...) vertritt die Gemeinde bereits seit vielen Jahrzehnten zuverlässig und gewissenhaft in fast allen gerichtlichen Verfahren und juristischen Angelegenheiten", sagt er. Die Staatsanwaltschaft Landshut möchte wegen laufender Ermittlungen ebenfalls keine näheren Angaben machen.

Im März prüften die Münchner Anwälte dann im Auftrag der Gemeinde Eching, nach welcher Frist Einträge im Bundeszentralregister gelöscht werden müssen. Im Bundeszentralregister vermerken Behörden unter anderem Vorstrafen. Für wen und wieso ließ mutmaßlich Bürgermeister Thaler prüfen, wann Vorstrafen aus dem Register verschwinden? Thaler gibt auf Anfrage keine konkrete Antwort. Die Münchner Kanzlei möchte sich wegen der anwaltlichen Pflicht zur Verschwiegenheit nicht äußern. Thaler teilt mit: "Ich arbeite gerne viel für diese Gemeinde. (...) Dieser Job ist alles andere als erstrebenswert, in der Privatwirtschaft hatte ich ein höheres Einkommen bei geringerer Arbeitsbelastung und ich kann dorthin jederzeit vertraglich gesichert zurückkehren."

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