Prozess um Brandstiftung im Gewerbegebiet bei Wang: Tatmotiv war Verbitterung

Prozess um Brandstiftung im Gewerbegebiet bei Wang: In der Halle waren Karussells. Die Täterin wollte dem Besitzer nur einen "Denkzettel" verpassen, doch es entstand ein Millionen-Schaden.

In der Halle waren Karussells. Die Täterin wollte dem Besitzer nur einen "Denkzettel" verpassen, doch es entstand ein Millionen-Schaden.

(Foto: Marco Einfeldt)

61-Jährige legt Feuer in einer Halle bei Wang und richtet Millionenschaden an. Dafür schickt sie das Landshuter Landgericht ins Gefängnis.

Von Alexander Kappen, Landshut/Wang

Ein Jahre lang schwelender Streit in einer Münchner Schaustellerfamilie hat einer heute 61-Jährigen so sehr zugesetzt, dass sie sich zunehmend mit Suizid- und Rachegedanken trug. Im Juli 2020 blieb es nicht mehr bei Gedankenspielen: Die Frau steckte eine Halle im Wanger Gewerbegebiet Spörerau in Brand, in der sich allerlei Fahrzeuge, Stände und Karussells des Eigentümers befanden, mit dem sie sich überworfen hatte. Die Halle brannte aus, es entstand Schaden von rund einer Million Euro. Die erste Strafkammer des Landshuter Landgerichts unter Vorsitz von Richter Markus Kring verurteilte die geständige 61-Jährige am Dienstag zu drei Jahren und zehn Monaten Haft.

Die Angeklagte wuchs zusammen mit ihrer Adoptivschwester in einer Schaustellerfamilie auf und stieg später in den elterlichen Betrieb mit ein. Zunächst habe sie diesen mit ihrem Vater geführt, berichtete die Angeklagte in der Verhandlung. 1999 habe man eine Halle in Wang erworben, um dort das Fahrgeschäft und die Wohnwagen unterzustellen. Nach dem Tod des Vaters sei ihr Neffe, den sie wie einen Sohn mit groß gezogen habe, als Geschäftsführer eingestiegen. Als sie dann die Halle an einen Freund des Neffen verkaufte und das Fahrgeschäft an den Neffen übergeben wollte, kam es wohl zum Zerwürfnis.

Der Streit mit dem Neffen landete vor Gericht

Ihr Neffe habe weder den vereinbarten Kaufpreis für das Fahrgeschäft bezahlt noch habe sie von ihm einen Kredit zurückbekommen, den sie ihm gewährt habe, sagte die 61-Jährige, die auch weitere Vorwürfe gegen ihren Neffen und dessen Mutter erhob. Sie sei mehrfach von ihnen bestohlen worden, behauptete sie in der Verhandlung. Der Streit mit dem Neffen landete schließlich vor Gericht.

Das Fass zum Überlaufen brachte aus ihrer Sicht wohl, dass just am Tag eines Gerichtstermins in der Sache der neue Eigentümer der Halle in Wang ihr den Strom abdrehte. Dort durfte die Angeklagte laut Kaufvertrag ihren Wohnwagen noch stehen lassen und weiter drin wohnen. Aus finanzieller Not konnte sie jedoch nicht wie vereinbart ihren Strom selbst bezahlen. Sie nutzte den Anschluss des Halleneigentümers mit. Als dieser, selbst ein Schausteller, gemäß einer gerichtlichen Einigung den Zugang zu seinem Strom dann abdrehte, führte das die Angeklagte auf dessen Freundschaft mit dem Neffen zurück. Sie habe schon länger Rachegedanken gehabt, so die Angeklagte. Nach und nach kaufte sie Flaschen mit flüssigem Grillanzünder und Schlaftabletten. Am 18. Juli 2020 verteilte sie den Brandbeschleuniger laut der Polizeiermittlungen an zwölf Stellen in der Halle und zündete diese an. Anschließend ging sie in einen nahe gelegenen Hotel-Gasthof, wo sie sich eingemietet hatte. Dort trank sie zwei Flaschen Wein und Sekt und nahm Schlaftabletten. Die Polizei fand im Zimmer neben der zunächst regungslosen Angeklagten einen Abschiedsbrief. Als sie wieder ansprechbar war, habe sie die Brandstiftung ihm gegenüber zugegeben, berichtete ein Polizist in der Verhandlung.

Geplant war nur ein "Denkzettel"

Sie habe die Halle nicht komplett zerstören, sondern nur "einen Denkzettel geben" wollen, sagte die Angeklagte. "Heute weiß ich, dass das falsch war", in der Untersuchungshaft habe sie viel Zeit zum Nachdenken gehabt. "Aber damals hat für mich alles keinen Sinn mehr gehabt, ich hatte keine Lust mehr, ich war enttäuscht von den Menschen um mich rum."

Der psychiatrische Gutachter Professor Norbert Nedopil bezeichnete den Zustand der Angeklagten als "Verbitterung". Er sprach von einer depressiven Reaktion, gleichwohl sah er keine Einschränkung der Schuldfähigkeit. Der Verteidiger, der eine verminderte Schuldfähigkeit zumindest nicht ausschließen wollte, beantragte eine Strafe von zweieinhalb Jahren. Die Staatsanwältin forderte viereinhalb Jahre, nicht zuletzt wegen des "enorm hohen Schadens". Das Gericht berücksichtigte zu Gunsten der Angeklagten ihre Situation, die sie über längere Zeit schwer beeinträchtigt habe.

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