Blickfang auf freier Strecke:Ein Wasserschloss für Generationen

Blickfang auf freier Strecke: Einen idyllischen Anblick bietet das Wasserschloss in Erching, das zusammen mit seiner Schlosskapelle Vorbeifahrenden sofort in Auge fällt.

Einen idyllischen Anblick bietet das Wasserschloss in Erching, das zusammen mit seiner Schlosskapelle Vorbeifahrenden sofort in Auge fällt.

(Foto: Marco Einfeldt)

Seit 150 Jahren besitzt die Familie Selmayr das Gut Erching und wohnt im Schloss. Erbaut wurde dieses einst für einen Freisinger Fürstbischof. In den Jahrhunderten danach entwickelten es die Selmayrs zum Musterbetrieb

Von Bernd Feiler, Hallbergmoos

Reisenden, die mit der S-Bahn vom Münchner Osten zum Flughafen fahren, fällt das Erchinger Wasserschloss sofort ins Auge: Zwischen den Haltestellen Ismaning und Hallbergmoos taucht der dreigeschossige barocke Bau überraschend auf freier Strecke auf, um nach wenigen Augenblicken wieder hinter hohen Bäumen zu verschwinden. Seit 120 Jahren besitzt die Familie Selmayr das Schlossgut Erching, welches in fünfter Generation von Julia Vogt-Selmayr geführt wird. Ihr Ururgroßvater Josef Selmayr aus Bogenhausen erwarb am 1. Mai 1898 den Besitz Erching.

Heute würde man Kommerzienrat Josef Selmayr einen Erfolgsmenschen nennen. Gemeinsam mit seiner Frau Pauline, einer Haidhausener Gastwirtstochter, wirtschaftete er auf dem Hanslmarter Hof in Bogenhausen. Daneben betrieb er erfolgreich eine Ziegelei, die Bevölkerung adelte ihn deswegen zum "Loambaron" (Lehmbaron). So wurde im Münchner Volksmund eine Gruppe von Bauern bezeichnet, die ab den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts im Nordosten von München Ziegel brannten und erheblich vom Bauboom der prosperierenden königlichen Residenzstadt profitierten. Der Geschäftsmann und Ökonom Josef Selmayr hatte wichtige öffentliche Ämter inne: Er war der letzte Bürgermeister von Bogenhausen und führte mit dem Magistrat der Landeshauptstadt die Verhandlungen zur Eingemeindung seines Heimatdorfes. Im Jahr 1892 kam es zum Zusammenschluss mit München, Selmayr brachte seine Ideen nun als Landrat von Oberbayern und Gemeindebevollmächtigter der Stadt München in die Politik ein.

Anstelle des Hanslmarter Hofes ließ sich Selmayr 1898 eine schlossartige Villa errichten. Günter Blumentritt, der Architekt des Freisinger Rathauses, beteiligte sich an den Planungen. Mit den Erträgen aus dem Verkauf eines Teils seiner Bogenhausener Grundstücke erwarb Selmayr das Schlossgut Erching, zu dem über 700 Hektar Fläche und über 1000 Jahre Geschichte gehörten. Diese begann am 3. Juli 750, Alfrid aus dem Geschlecht der Fagana schenkte damals Erching den Bischöfen von Freising. Spätestens im 14. Jahrhundert erhielt Erching eine Kapelle, ein Schloss ist seit dem Jahr 1400 belegt. Den heutigen Bau errichtete 1653 Hans Moosbrugger als Jagdschloss für den Freisinger Fürstbischof Albrecht Sigismund. Im 19. Jahrhundert gaben sich in Erching ständig neue Besitzer die Klinke in die Hand, bis Josef Selmayr das Wasserschloss mit dem Hauptgut, dem Fischerhof, dem Zwillingshof und dem Brandstadl erwarb.

Selmayr ließ neue Stall-, Wohn-, Wirtschaftsgebäude sowie ein Gasthaus errichten. Letzteres wurde zur willkommenen Raststätte für Reisende. Für seinen Betrieb entwickelte Selmayr ein Wirtschaftskonzept mit den Schwerpunkten Milchwirtschaft, Schweinezucht, Ackerbau und Brennerei. Preise und Auszeichnungen zeugen vom Erfolg des Gutsbesitzers, der in Fachkreisen als der bedeutendste Züchter des "Deutschen veredelten Landschweines" in Süddeutschland galt.

Erching war für Josef Selmayr in erster Linie ein Wirtschaftsstandort. Er behielt seinen Wohnsitz in der Bogenhausener Villa. Selmayrs gleichnamiger Sohn Josef II. zog nach seiner Hochzeit mit der aus Freising stammenden Maria Haislainger 1903 in das Wasserschloss, das seither von der Familie bewohnt wird. Am 19. Mai 1909 starb Josef Selmayr im Alter von 58 Jahren. Seinen Sarg schmückte ein Kranz blauer Enziane, die man auf den Erchinger Mooswiesen gepflückt hatte.

Im Jahr 1998 verfassten Josef und Tassilo Selmayr, die Urenkel des Bogenhausener Kommerzienrates die Festschrift "100 Jahre Familie Selmayr in Schlossgut Erching". Ein Exemplar dieser Schrift befindet sich in der Bibliothek der Heimatpflege im Landratsamt Freising.

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