Biodiversität in Freising:Ein Umdenken ist notwendig

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Heidi Kammler ist Grünlandbeauftragte des Stadtrats und pflegt ihren eigenen Garten. Biodiversität ist ihr ein großes Anliegen - und sie sieht in Freising durchaus noch Handlungsspielraum.

Interview von Gudrun Regelein, Freising

Für sie müsse der Garten eine "schöne Unordnung" haben, sagt Heidi Kammler. Er sollte nicht total ordentlich, aber eben auch nicht absolut verwildert sein. Und gepflanzt wird nicht nur, was ihr gefällt - sondern auch, was nützlich oder insektenfreundlich ist. In ihrem Garten finden sich Flieder, die fette Henne, Beerensträucher, Margeriten und Giersch. "Der bringt Freud und Leid", sagt Kammler. Giersch sei zwar eine hartnäckige Pflanze, aber ein Unkrautvernichtungsmittel komme natürlich nicht in Frage, sagt die Grünlandbeauftragte der Stadt Freising.

SZ: Das Volksbegehren für die Artenvielfalt war ein unglaublicher Erfolg. Wie erklären Sie sich diesen?

Heidi Kammler: Viele Menschen haben inzwischen das Bewusstsein, wie ernst die Situation ist und dass dringend etwas passieren muss, wenn das Artensterben noch gestoppt werden soll. Das war sicher für viele der Grund, das Volksbegehren zu unterschreiben. Wichtig ist aber, dass wir nun gemeinsam etwas verändern und die Schuld nicht nur den konventionell arbeitenden Landwirten geben. Jeder muss sich selber hinterfragen und sich überlegen, was er tun kann: Mit der Unterschrift ist es nicht getan, es langt auch nicht, im eigenen Garten oder auf dem Balkon insektenfreundliche Pflanzen zu haben. Wir müssen beispielsweise auch unser Konsumverhalten verändern, mehr bio und regional einkaufen. Und wir müssen unser Freizeitverhalten verändern, zum Beispiel nicht so häufig in den Urlaub fliegen.

Welche Aufgaben haben Sie als Grünlandbeauftragte der Stadt Freising?

Ich bin für alle öffentlichen Grünflächen zuständig, egal ob das Parks, Spielplätze oder Friedhöfe sind. Wichtig ist mir, nicht zu fordern, sondern es soll alles im Einklang mit der Stadtgärtnerei passieren. Die Gestaltung muss schließlich auch umsetzbar sein - und das diskutieren wir gemeinsam. Mit "wir" meine ich den Leiter der Stadtgärtnerei, Anton Eichenlaub, den Umweltreferenten der Stadt Freising, Manfred Drobny, und mich. Wir sind ein gutes Dreiergespann ( lacht).

Als Hauptursache für das Artensterben wird die Landnutzung genannt - aber eben nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in den Städten. Öffentliche Grünanlagen seien zu ordentlich, heißt es. Sind es die in Freising auch?

Nein, das sind sie nicht. Früher, vor 18 Jahren, als ich als Grünlandbeauftragte anfing, hatten wir beispielsweise noch die Rabatten mit Tulpen und Narzissen. Die haben wir heute nicht mehr. Oder schauen Sie auf den Fürstendamm: Früher gab es dort kleine Inseln mit ausschließlich Rasen, heute haben wir dort verschiedene Blumen, Gräser und Kräuter. Es hat sich schon sehr viel getan in den vergangenen Jahren. Beim Steinpark gibt es im Verkehrskreisel nun beispielsweise ein Rondell mit einer momentan blühenden Wiese. Biodiversität ist uns ein großes Anliegen.

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Den berüchtigten Laubbläser, der auch die Insekten aufsaugt: Gibt es den noch in der Stadtgärtnerei?

Wir haben einige Riesenflächen, die man nicht von Hand mit dem Rechen vom Laub befreien kann. Das ist auch eine Frage der verfügbaren Arbeitskräfte. Nehmen wir das Beispiel Waldfriedhof: Dort ist das Rechen sehr mühsam, oft bleibt auch Laub liegen. Das finde ich vollkommen in Ordnung, wenn der Sicherheitsaspekt es zulässt, es also deshalb nicht zu Unfällen auf rutschigem Laub kommt. Aber wie Sie sich denken können, bekommen wir wegen des Laubs von den Friedhofsbesuchern viel Kritik zu hören. Auch da ist also noch ein Umdenken notwendig.

Was muss sich noch verändern?

Na ja, wir brauchen ein Gesamtkonzept. Mehr Blühstreifen wären beispielsweise sehr schön. Aber auch da sind wir bereits am Planen. Es gibt einige Grundstücke, die gemeinsam mit dem Liegenschaftsamt ausgewählt wurden und auf denen diese Blühstreifen umgesetzt werden sollen. Angesichts der immer größer werdenden Versiegelung müssen wir auch viel mehr darauf achten, in Zukunft mehr unbebauten Grund als Nutzfläche anzubieten.

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Aber alleine mit ein paar Grünstreifen ist es doch nicht getan. Wo müsste in Freising noch etwas passieren?

Nein, natürlich nicht. Wir sind eine Rosenstadt, das bedeutet, dass wir natürlich auch viele Flächen mit Rosen haben. Diese sind zugegebenermaßen nicht sehr insektenfreundlich - aber die Hagebutten dienen den Vögeln zumindest als Futter. Dann der Amtsgerichtsgarten: da wären einige Kräuter oder auch Lavendel schön. Und auch den Fürstendamm könnte man optimieren, da würde ich mir mehr noch mehr Wiese wünschen. Für viele ist Löwenzahn ein Unkraut, für mich ist er etwas Schönes - und außerdem sehr bienenfreundlich.

Vergangenen Mittwoch gab es wegen der geforderten Gesetzesänderung eine erste Lesung im Landtag. Die Forderungen aus dem Volksbegehren werden in Bayern offensichtlich zum Großteil umgesetzt. Überrascht davon?

Die Reaktion der Politik ist erfreulich und notwendig. Das stimmt mich positiv. Auch in Freising gibt es ein großes Bewusstsein. Bei dem Umwelttag in diesem Jahr beispielsweise sind auch die insektenfreundlichen Pflanzen ein Thema. Und es gibt einen Wettbewerb, bei dem nach dem bienenfreundlichsten Garten gesucht wird. Das sinnvolle und insektenfreundliche Gestalten der Flächen wird aber auch zukünftig eine große Aufgabe für die Grünplaner bleiben - nicht nur jetzt, wo es gerade Thema ist.

© SZ vom 13.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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