Der grüne Campus ist bunter geworden. Seit Teile der Grünflächen in Weihenstephan nur noch einmal im Jahr gemäht werden, profitiert die Artenvielfalt davon enorm. Die Umstellung erfolgte vor drei Jahren, „das hat einen Riesenunterschied gemacht“, sagt Hanno Schäfer, der an der TU München (TUM) die Professur Biodiversität der Pflanzen innehat.
Auf dem Gelände wächst die seltene Bienenragwurz, eine Orchideenart, auch die Zahl der Wildbienen ist deutlich gestiegen. Ein besonderer Schnappschuss ist vor kurzem Kilian Frühholz gelungen. Er hat eine Braunschuppige Sandbiene vor die Linse bekommen, eine Art, die in Bayern als stark gefährdet gilt.
Frühholz, 25, studiert in Weihenstephan und ist im vierten Semester des Masters Forst- und Holzwissenschaft an der TUM. Er ist in ganz Freising unterwegs zum Fotografieren, besonders häufig aber am Campus. Am liebsten fotografiere er Wildbienen, erzählt er, dies sei sein Spezialgebiet. Zu seinen Motiven zählen aber auch andere Insekten und Pflanzen.
Das Thema Biodiversität beziehungsweise Biodiversitätsverlust sei ihm sehr wichtig und es bekomme seiner Meinung nach „deutlich zu wenig Aufmerksamkeit“, sagt er. Vieles passiere im Verborgenen, „sodass wir Menschen es gar nicht mitbekommen“. Deshalb hält er es für wichtig, sich mit der Umwelt zu beschäftigen und verschiedene Arten kennenzulernen – „denn nur so bemerkt man auch, falls sie verschwinden“.
Dass er in der Nähe des Forstgebäudes am Campus eine besondere Wildbiene entdeckt hatte, war ihm schnell klar. Zum einen, weil er sie bis dahin noch nicht gesehen hatte, zum anderen, weil sie offenkundig auf Glockenblumen spezialisiert ist. Die genaue Art konnte er zu Hause anhand des Fotos identifizieren. Charakteristisch ist nach seinen Worten die sehr kurze, schuppig wirkende Behaarung auf der Brust und das stark verlängerte Krallenglied der Hinterbeine. „Das war ein bisschen Glück, dass das auf den Fotos gut zu erkennen war.“


Dann begann Kilian Frühholz mit der Recherchearbeit. Dokumentiert ist auf dem Portal „Karla.Natur“ des Landesamts für Umwelt für die Region um Freising zuletzt eine Sichtung 1951 in der Garchinger Heide. Zudem verweist Frühholz auf eine Publikation von 2019 von Andreas Dubitzky und Johannes Schuberth, demnach sind für Freising nur historische Nachweise bekannt. In Südbayern sind in jüngster Zeit Funde aus Landsberg, Neuburg an der Donau, Schrobenhausen, Landshut und Passau gemeldet worden. 2017 wurde die seltene Wildbiene nach fast 140 Jahren auch in München wiedergefunden. Auf der Citizen-Science-Plattform iNaturalist ist der Eintrag von Kilian Frühholz der erste zur Braunschuppigen Sandbiene.
Hanno Schäfer geht davon aus, dass die Wiesen in Weihenstephan auch früher schon artenreich war. „Aber sie sind nie zur Blüte gekommen“, weil sie davor stets „abrasiert“ wurden. Obwohl das Mäh-Konzept erst vor wenigen Jahren geändert wurde, zeigen sich bereits Erfolge. Mit der Pflanzen-Diversität kommen auch mehr Insekten und in der Folge mehr Vögel und Fledermäuse. Feldhasen und Fasane laufen über den Campus. Mit einem englischen Rasen erreiche man das nicht.
Studierende haben Nistkästen aufgehängt und Nisthügel angelegt
Mit Unterstützung durch mehrere Professoren bemühen sich an der TUM auch studentische Gruppen um eine Verbesserung der Biodiversität, darunter das Green Office oder die Studierendengruppe des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz (LBV). Sie haben Nistkästen aufgehängt, Nisthilfen und -hügel für Wildbienen angelegt. Inzwischen brüten dort Gartenrotschwanz und Grünspecht. Schäfer hofft auch, dass der seltene Wendehals die Nistkästen nutzen wird, der ebenfalls schon am Campus gesichtet wurde.
„Mich ärgert jede Fläche, die noch immer häufig gemäht wird“, sagt Schäfer. Ihm ist aber klar, dass man Kompromisse finden müsse, schließlich nutzen die Studierenden den Rasen an schönen Tagen gern für eine Pause. Ein weiterer Wunsch Schäfers wäre ein Beweidungskonzept auch an der TUM, wie es die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf bereits umsetzt. Möglicherweise könnte man sich hier zusammentun, sagt er. Der Kot der Tiere locke Mistkäfer an, in ihrem Fell transportieren die Schafe Samen.
Plätze, die Kilian Frühholz für seine Fotosafaris am Campus schätzt, sind blütenreichen Wiesen in der Nähe offener Bodenstellen, weil die meisten Wildbienen im Boden nisten. Spannend sei auch der Teich unterhalb der Mensa, schildert er, weil dort Pflanzen wachsen, die auf feuchte Bedingungen spezialisiert sind – und die wiederum gern von Wildbienen besucht werden. Auch im Staudengarten ist er immer wieder unterwegs.