Bestandenes Abenteuer:Wie von einem anderen Stern

Wolfgang Wendl ist auf seinem Motorrad in 30 Tagen von der Mongolei zurück nach Freising gefahren. Zuvor hat er alle möglichen Situationen, die auf ihn zukommen konnten, im Kopf durchgespielt

Lara Liese

- 12 500 Kilometer von Ulan Bator bis Freising mit dem Motorrad - diese Tour hat der Freisinger Wolfgang Wendl Anfang Juli angetreten. Mit dem Flugzeug ging es in die Mongolei, dort begann die Fahrt. Insgesamt fünf Wochen war Wendl unterwegs, um die Strecke über Russland, Ukraine, Rumänien, Ungarn und Österreich bis nach Freising zu bewältigen.

"So eine Reise ist nur mit sehr guter Vorbereitung möglich", betont Wendl. Zunächst habe der Entwurf der Route im Vordergrund gestanden, in den Monaten vor der Reise habe er dann mehr als 500 mögliche Szenarien durchdacht und Routinen für Notfälle eingeübt. "Was macht man, wenn man stürzt? Was macht man, wenn das Motorrad beschädigt ist?" Fragen wie diese hat Wendl sich gestellt, um in den jeweiligen Situationen die nötigen Handgriffe parat zu haben. Das sei besonders wichtig, um routiniert vorgehen zu können. Neben der praktischen Vorbereitung war es für Wendl sehr wichtig, sich mental auf Stresssituationen einzustellen: "Man muss diese Fälle oft im Kopf durchspielen, damit man im Ernstfall die Ruhe bewahrt."

Vor allen Ängsten und Bedenken sei er natürlich trotz der sorgfältigen Planung nicht gefeit gewesen, aber im Großen und Ganzen habe für ihn gegolten: "Gute Vorbereitung beruhigt." Dass diese tatsächlich sehr wichtig war, hat sich während der Reise gezeigt. Er sei drei Mal gestürzt und habe es aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse auch oft mit durchlöcherten oder gar aufgeschlitzten Motorradreifen zu tun gehabt: "Bei Schwierigkeiten konnte ich aber dank der guten Übung ruhig und organisiert vorgehen und hatte für jedes Problem eine Lösung bereit." Um für diese Momente einen klaren Kopf zu bewahren, sei es wichtig gewesen, nicht mehr als acht Stunden täglich zu fahren. Bei längerer Fahrt nehme die Konzentrationsfähigkeit ab und das könne einem bei den Straßenverhältnissen in der Mongolei zum Verhängnis werden. Es existieren dort kaum befestigte Straßen, stattdessen Schotter-, Lehm- und Erdpisten. "Da gibt's Schlaglöcher, da können Sie eine Sau reinlegen und davon hat man jeden Tag fünfhundert."

Um solche Strecken bewältigen zu können, sei die besondere Ausstattung seines Motorrads sehr wichtig gewesen."Da kann man nicht mit Standardsachen fahren, das fällt einem alles ab", macht Wendl deutlich. Der Freisinger war deshalb mit einem BMW-Serienmotorrad (1150 GS) unterwegs, das aber speziell aufgerüstet wurde: "Ich habe die Maschine noch mit einem besonderen Fahrwerk, Federdämpfern, entsprechenden Reifen und einem Transportsystem aus Aluboxen ausgestattet", erzählt Wendl. Bei den Einheimischen habe er mit diesem Fahrzeug teilweise Befremden ausgelöst: "Wenn man da vollgepackt mit einer 350-Kilo Maschine vorfährt, wirkt man auf die wie von einem anderen Stern." Dennoch seien ihm die Menschen gastfreundlich begegnet und so habe er auch oft bei Familien übernachten können. "In den Jurtenzelten gibt es dann ein Matratzenlager, einige Tische und einen Herd, auf dem irgendwas gekocht wird, was man dann zusammen isst", beschreibt Wendl seine Erfahrungen. Ansonsten habe er in den Städten in "sogenannten Hotels" übernachtet, die aber kein Vergleich zu den deutschen Standards seien.

Die wohl abenteuerlichste Übernachtung der Reise hatte Wendl in einem Streifen Niemandsland zwischen der Mongolei und Russland. Da die Zöllner die russische Grenze am Abend schon geschlossen hatten, musste er bei null Grad auf 2500 Metern Höhe zelten, zudem war noch ein Hinterreifen aufgeschlitzt. "Das war die einzige Situation, in der ich mal zehn Minuten Panik hatte", stellt Wendl fest. "Ich dachte zuerst, das ist unlösbar, aber dank der Routine hat es dann irgendwie doch noch geklappt." Momente wie dieser wurden aber durch andere aufgewogen. Als Höhepunkte seiner Reise bezeichnet der Freisinger die mongolischen Landschaften und den Kaukasus. "Da gibt es Gletscher so weit das Auge reicht und ungefähr fünfzehn Berge, die höher sind als der Mont Blanc, einer übertrifft ihn sogar um 1000 Meter", erzählt er begeistert.

Auf so einer kräftezehrenden Fahrt ist die richtige Verpflegung von großer Bedeutung. Das mongolische Essen sei sehr eigentümlich, so Wendl: "Ehrlich gesagt: Mich hat es geekelt." Hammelfleisch mit Fett, Sehnen und Knorpeln stehe abends auf dem Speiseplan, zum Frühstück Milchsuppe mit Reis und Fettaugen. "Das stinkt, das ist fürchterlich", erzählt Wendl. Dennoch habe er keine andere Möglichkeit gehabt, als diese Gerichte zu verzehren. "Am ersten Tag habe ich noch Fett und Knochen vom Fleisch abgeschnitten, am zweiten Tag isst man alles: man braucht die Energie." Große Mengen an Essen konnte Wendl auf dem Motorrad nicht transportieren. Insgesamt habe er ohnehin zu viel Gepäck gehabt. Kleidung brauche man kaum, da man ohnehin meist die Motorradkluft trage. Sein Tipp: "Nur das nötigste für sich selbst und das Motorrad mitnehmen und davon die Hälfte daheim lassen."

Auf die Idee, eine Motorradtour von Ulan Bator nach Freising durchzuführen, würde wohl nicht jeder kommen. Wendl hat sich von der zehnteiligen Dokumentarserie "The long way round" inspirieren lassen, die die Schauspieler Ewan McGregor und Charley Boorman bei einer Motorradtour um die Welt zeigt. Wendl: "Ich möchte die Größe von Ländern, Kontinenten und der Erde im wahrsten Sinne des Wortes erfahren. Nach 12 500 Kilometern gen Westen ohne das Meer zu sehen, begreift man diese Dimensionen."

Tatkräftige Unterstützung vor und während der Reise erhielt Wendl aus Freising. Seine Lebensgefährtin Cathrin Dietrich sei der "Notfall- und Servicedienst" gewesen und hätte ihm sofort helfen können, wenn größere Probleme aufgetreten wären. Außerdem sei sie auch mental eine große Unterstützung gewesen: "Cathrin hat mehr Vertrauen in mich gehabt als ich selbst", betont Wendl. Mit dieser Rückendeckung wird es ihm möglich sein, auch seine Pläne für die Zukunft zu verwirklichen. "Nach so etwas wird man süchtig. Jetzt wo ich weiß, wie das geht, werde ich das auf jeden Fall wiederholen", sagt er. In den nächsten Jahren wolle er unter anderem noch die sogenannte "Road of Bones" in Ostrussland bestreiten. Dafür habe ihm diese Tour Mut gemacht. Letzten Endes sei sie nicht so schwierig gewesen, wie er stellenweise gedacht habe. "Es hat mich selbst überrascht, dass ich das alles in dreißig Tagen geschafft habe", gibt er zu. Zum Ende verrät Wolfgang Wendl noch lachend sein Erfolgsrezept: "Ich war immer gut drauf und ich hatte immer eine Lösung."

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