Besondere Schulform:Kümmern tut allen gut

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Die Freisinger Schule St. Korbinian ist eine von 40 Inklusionsschulen in Bayern

Alexandra Vettori

Brav aufgereiht warten die Kinder auf der Garderobenbank, während ein Junge bäuchlings auf einem Rollbrett auf seine Lehrerin Regina Rehklau zuschlittert. Die sitzt auf dem Boden im Gang der St. Korbinian-Grundschule und hält ein großes "W" in der Hand. "Wir nähern uns dem Buchstaben W an, und das verbinden wir mit Bewegung", erklärt sie fröhlich. Die "W"-Forscher im Gang gehören zu einer besonderen Klasse, der Tandem-Klasse. Hier unterrichten eine Sonderschul- und eine Grundschullehrerin, unterstützt von einer Kinderpflegerin, zusammen 21 Erstklässler, sieben davon mit einer geistigen Behinderung. Eine solche Klasse gibt es an der Schule seit Jahren, ins Leben gerufen von engagierten Lehrern und Eltern, finanziell unterstützt von der Stadt Freising. Doch jetzt, zum Schuljahresbeginn 2011 hat das Kind einen neuen, wohlklingenden Namen: Die Grundschule St. Korbinian ist eine der ersten 40 Inklusionsschulen in Bayern. Mit dem Inklusionskonzept trägt Bayern der Behindertenrechtskonvention Rechnung, die in Deutschland seit 2009 gilt und Kindern mit Behinderungen den Besuch einer Regelschule ermöglicht. Der Landtag hat ein entsprechendes Gesetz verabschiedet und die Rechte der Eltern dahingehend gestärkt. Jährlich 100 neue Lehrerstellen für Inklusionsschulen gab's auch dazu. Die St. Korbinian Schule, wo man den integrativen Ansatz schon länger verfolgt, hat sich beworben - und wurde ausgewählt, zusammen mit elf oberbayerischen Grundschulen. Rektor Rudolf Weichs kann sich nun über eine kommodere Ausstattung seiner Tandemklasse freuen. Weil drei der sieben Kinder mit Behinderungen besonderen Förderbedarf haben, ist auch eine Kinderpflegerin in der Klasse. Das sei auch nötig, betont Sonderschullehrerin Susanne Schöneich, "diese Kinder brauchen Unterstützung beim Gehen und Essen und müssen gewickelt werden." Überzeugungsarbeit bei Eltern von Kindern ohne Behinderung musste Rektor Weichs keine leisten, im Gegenteil: "Wir haben losen müssen, welche Kinder in die inklusive Klasse gehen", erzählt er. Das mag an den aufgeklärten Freisinger Eltern liegen, doch es hat sich auch längst herumgesprochen, dass die traumhafte Lehrerausstattung, die Kleingrupenarbeit und die differenzierte Förderung allen Kindern gut tut, abgesehen davon, dass das Kümmern um andere die emotionale und soziale Entwicklung fördert. Dass auch ehrgeizige Eltern nichts gegen eine gemeinsame Beschulung von Kindern mit und solchen ohne Behinderungen haben, liegt aber auch am differenzierten Konzept. Regelmäßig fassen die Lehrer leistungsstarke Gruppen zusammen und lassen sie anspruchsvolle Aufgaben lösen. Dass eine Schule trotz all der Vorteile nicht von heute auf morgen Inklusionsschule wird, hebt Rektor Weichs hervor: "Die innere Einstellung der Lehrkräfte muss eine entsprechende sein." Angesichts der vielen Betreuungskräfte seien Offenheit und Teamwork Grundvoraussetzung, ständige Absprachen seien nötig. Und auch das verheimlicht er nicht: "Die Stunden für solche Absprachen haben wir natürlich nicht. Das läuft auf Engagement." Bevor noch mehr Elternanfragen kommen, betont er, seine Schule sei trotz Inklusionsstatus immer noch eine ganz normale Sprengelsschule. "Wir weigern uns, über unsere Kapazität hinweg Kinder aufzunehmen." Josef Hauner, Leiter des Freisinger Schulamtes, hat die Bewerbung der St. Korbinian-Schule unterstützt. Er kennt auch die Ängste vieler Eltern von Kindern mit Behinderungen, bald aus den geschützten Sonderpädagogischen Zentren an die kostengünstigeren Inklusionsschulen abgedrängt zu werden. "Da gibt es aber die klare Aussage von Landtag und Kultusministerium, dass es auch künftig beides geben soll, weil Inklusionsschulen nicht für alle Kinder mit Behinderungen geeignet sind", sagte er.

© SZ vom 24.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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