Begrüßungsverbeugung und Mini-Meditation:Umwerfende Werte

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Nicht das Kämpfen steht beim Karate-Kurs für die Jüngsten im Vordergrund, sondern die Vermittlung von Werten - und natürlich der Spaß an der Bewegung.

(Foto: Privat)

Schon kleine Kinder können Karate lernen - dabei geht es nicht darum jemanden umzuhauen, wie die vierjährige Antonia anfangs glaubt, sondern um Motorik-Training, Konzentration und Respekt

Von Angie Fuchs, Freising

"Bei Karate muss man jemanden mit dem Fuß umhauen!" So beschreibt Antonia, 4, ihrer Mama, wie sie sich das Schnuppertraining vorstellt, das sie gleich bei "Njusan Karate Altinger" absolvieren darf. So viel zu einem ziemlich verbreiteten Bild. Doch im Training wird die Kleine dann schnell eines Besseren belehrt: Beim Karate-Kurs für die Jüngsten steht nicht das Kämpfen im Mittelpunkt, sondern Wertevermittlung.

Munter jagt eine Gruppe Jungs durch die Turnhalle im Fitnessstudio "Aktivhaus" in Freising. Bevor die Karate-Stunde anfängt, vertreiben sie sich die Zeit mit Fußball. Doch bald geht's schon los: Mit einer Begrüßungsverbeugung, einer Mini-Meditation und dem Spiel "Möhrenziehen" eröffnet Lehrer Dominik Hubauer die eigentliche Stunde. Schon mit drei Jahren können die Kleinen ihre Karate-Ausbildung beginnen. "Für uns steht vor allem bei unseren kleinsten Karateka im Alter von drei bis neun Jahren die gesundheitsorientierte, körperliche und geistige Entwicklung im Vordergrund und nicht nur das Erlernen von Karatetechniken" heißt es auf der Homepage.

Erst ab dem Alter von etwa zehn Jahren sehe das Konzept einen größeren Schwerpunkt bei der Selbstverteidigung vor. Man möchte Werte und positive Eigenschaften vermitteln, von welchen die Kinder ein Leben lang profitieren. So ist auch die Theorieeinheit einzuordnen, die Hubauer einbaut: Im Sitzkreis versammeln sich alle um den Trainer: "Was ist ein Fremder?", fragt er in die Runde. Und: "Sind alle Fremden böse?" "Nein!", erklingt unisono die Antwort. "Und wen können wir fragen, ob jemand böse ist oder nicht?" "Mama und Papa", "einen Detektiv", "man könnte eine Maschine konstruieren, die das weiß", lauten die kreativen Antworten der Kinder. "Mama oder Papa" sei die richtige Antwort, stellt Dominik Hubauer mit einem Schmunzeln klar und weist ein paar Buben darauf hin, besonders gut aufzupassen, da sie am Ende der Stunde eine Prüfung hätten.

Bei Gürtelprüfungen und manchmal auch zwischendurch werden nach dem Unterricht kurze Tests durchgeführt. Besteht der Schüler, erhält er ein farbiges Abzeichen, das ihm seine Eltern auf den Karate-Anzug bügeln können. Werte wie "Zuverlässigkeit", "Höflichkeit" oder "Respekt" prangen dann in bunten Farben auf dem Arm. Das soll motivieren.

Nadine Riedel, Leiterin des Büros in der Zentrale von "Njusan Karate Altinger" in Landshut stellt klar, dass bei ihnen "kein Hau-drauf-Karate" praktiziert werde. Im Mittelpunkt stehe bei ihren mittlerweile 40 Schulen in Bayern vielmehr die Wertevermittlung und wie man sich im Notfall verteidigen kann. Durch Karate hätten die Kinder einen Ausgleich zum Alltag und gleichzeitig würden Motorik und Koordination, Konzentration und Selbstbewusstsein geschult. Gerade auch Kindern mit ADHS komme dies zugute, sagt Nadine Riedel. Man habe sich auf ein kindgerechtes Karate spezialisiert. Je jünger die Kinder, desto lernfähiger seien sie noch. Aber Riedel stellt auch klar: "Das ist keine Krabbelstunde." Mit einer gewissen Strenge, verbunden mit Spaß, würden Karate-Techniken ebenso wie Werte erlernt und praktiziert.

Das beginne damit, pünktlich zum Unterricht zu erscheinen, bis zum respektvollen Umgang mit Mitschülern. Das zeigt sich auch im Unterricht: Gelegentlich muss Hubauer ein Machtwort sprechen, um die Rasselbande zusammenzuhalten. "Hey ihr Drei! Ich will, dass ihr mitmacht! Ihr seid die Ältesten und also auch die Vorbilder", sagt er mit strengem Blick, doch dahinter sieht man schon ein Lächeln lauern, mit dem er die nächsten Anweisungen gibt: Jetzt werden Falltechniken geübt. Allmählich fühlt sich auch die Schnupperstunden-Schülerin Antonia sicher genug, um Mamas Arm loszulassen und mit den anderen Schülern zu üben. Brav folgt sie allen Anweisungen, strahlt stolz über ein Lob.

Doch auch für Kinder, die sich mit den Regeln etwas schwerer tun, werde eine Lösung gefunden, sagt Nadine Riedel. "Unsere Lehrer sind dafür geschult." Entweder man beziehe das auffällige Kind verstärkt mit ein oder treffe eine Abmachung mit den Eltern - etwa, dass diese zeitweise mit in der Turnhalle bleiben. Sie betont, dass an den Schulen keine ehrenamtlichen Lehrer beschäftigt würden, sondern ausschließlich ausgebildete Sport- und Gesundheitstrainer.

Welch zentrale Rolle Werte in der Firmenphilosophie spielen, zeigt sich auch am Engagement von Marco Altinger, dem Landshuter Gründer und Inhaber der Karate-Schule: "Die Werte unserer Gesellschaft sind nicht diskutierbar. Eine Gesellschaft ohne Werte ist schwach und wird nicht bestehen", schreibt er auf der Homepage. Er hat zudem ein Buch geschrieben mit dem Titel "Werte in unserer Zeit" und ist seit kurzem nicht nur wirtschaftspolitischer Sprecher des FDP-Kreisverbands Dingolfing/Landau, sondern auch Präsident des Bundesverbands "Werteorientierter Mittelstand Deutschland".

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