Rauhnächte:Die große Sehnsucht nach Mythen und Legenden

Rauhnächte: Alexandra Glück entzündet die Räucherkohle, diese kommt dann auf den Räuchersand in die Räucherschale.

Alexandra Glück entzündet die Räucherkohle, diese kommt dann auf den Räuchersand in die Räucherschale.

(Foto: Marco Einfeldt)

Bis vor einigen Jahren galten die Rauhnächte als vergessen, nun wächst das Interesse wieder. Woher kommen diese Bräuche, was hat das Ganze mit Feminismus zu tun? Ein Erklärungsversuch.

Von Francesca Polistina, Freising

Im Volksglauben wird den Rauhnächten - jene Nächte zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag - eine besondere Bedeutung zugemessen. Es gibt viele Dinge, die man in dieser Zeit machen sollte - zum Beispiel räuchern - und andere, die hingegen als Tabu gelten. Dazu gehört die Wäsche waschen und aufhängen, denn - so glaubte man - die Dämonen könnten sich darin verfangen und böse reagieren, oder wilde Reiter könnten daraus weiße Leichentücher herstellen. Auch von den Spinnrädern, beziehungsweise würde man heute sagen: von den Nähmaschinen, sollte man lieber die Finger lassen, denn es sollte Platz gemacht werden für das Schicksal, das in dieser Zeit neu gesponnen wird.

Aberglaube, ist schon klar. Woher das kommt, das ist schwierig zu sagen, die Ursprünge solcher Glaubenssätze und Bräuche verlieren sich im Dunkel der Zeit und reichen manchmal bis in die vorchristliche Antike zurück. Dennoch sagen Traditionen einiges aus, über diejenigen, die sie in die Welt setzen, und wenn man bedenkt, dass Wäsche waschen und spinnen bis vor kurzem typische Frauenaufgaben waren, erscheint fast eine kleine Revolution geschehen zu sein.

"Ich glaube, dass Frauen gesagt haben: In diesen Tagen arbeiten wir weniger, auch wir dürfen Pause machen", sagt die Freisinger Alexandra Glück über diese Bräuche. Belegen könnte man diese feministische Interpretation nicht, aber dass die Dunkelheit und die Kälte zu einer Art weiblichen Streik geführt haben, das wäre durchaus plausibel.

Rauhnächte: Orakelkarten sollen zu neuen Sichtweisen auf das Leben inspirieren. Sie sollen Rat und Inspiration, Orientierung und Unterstützung bieten und sind ideal für die Rauhnächte, in denen von alters her orakelt wird.

Orakelkarten sollen zu neuen Sichtweisen auf das Leben inspirieren. Sie sollen Rat und Inspiration, Orientierung und Unterstützung bieten und sind ideal für die Rauhnächte, in denen von alters her orakelt wird.

(Foto: Marco Einfeldt)

Glück ist Betriebswirtin und Yogalehrerin, am Freisinger Bildungswerk hält sie über die ganze Dauer der Rauhnächte einen Online-Kurs über diese "magische Zeit", wie sie es nennt, und die damit verbundenen wichtigsten Rituale. Sie sagt, bestimmte Varianten des Volksglaubens sind inzwischen aus der Mode geraten, aber immer noch bleiben die Rauhnächte eine "Zeit der Stille und des Rückzuges". Die Arbeit ruht größtenteils, die Familien kommen zusammen, Geschichten werden erzählt - zumindest einmal war es so. Und "die Sehnsucht nach Spiritualität wird größer", hat sie in den vergangenen Jahren beobachtet.

Aber warum wächst das Interesse für die Rauhnächte, wenn der Alltag von Stress und Geschwindigkeit dominiert ist? Vielleicht gerade deshalb, sagt die Yogalehrerin, die schon seit über 15 Jahren die Rauhnächte praktiziert. "Viele Menschen sind zu beschäftigt. Sie leben nicht mehr im Einklang mit der Natur und spüren ein großes Bedürfnis danach, innezuhalten", sagt sie. Glück fordert ihre Teilnehmerinnen deshalb auf - die weibliche Form ist hier absichtlich, denn ihre Kurse werden hauptsächlich von Frauen besucht - , diese Zeit nicht nur als Moment des Konsums und der Geschenke, sondern auch der Innenschau wahrzunehmen.

"Bereits die Kelten und die Germanen haben geräuchert"

Die zwölf Nächte "zwischen den Jahren", wie man gewöhnlich sagt, ergeben sich dadurch, dass Sonnenkalender und Mondkalender nicht übereinstimmen. Der Mondkalender umfasst nur 354 Tage, es fehlen also elf Tage beziehungsweise zwölf Nächte, die als "tote Zeit" galten. In dieser Zeit, so glaubte man, kommen die Welten der Geister und der Menschen besonders nah aneinander, Hexen, Dämonen und die Seelen der Verstorbenen sind besonders aktiv. Außerdem steht jede Nacht symbolisch für die zwölf Monate im folgenden Jahr, daher werden die Rauhnächte auch Losnächte (von dem Wort: losen) genannt.

Das Wort Rauhnächte kommt vielleicht aus dem mittelhochdeutschen "rûch", was "haarig" bedeutet und mit den Pelzgestalten der alpenländischen Perchtenläufe verbunden war. Oder vielleicht vom traditionellen Ausräuchern der Ställe. Eines der bekanntesten Rituale in dieser Zeit ist nämlich das Räuchern, das schon lange praktiziert wird, obwohl es heutzutage den meisten Menschen unbekannt ist. "Bereits die Kelten und die Germanen haben geräuchert", sagt Glück.

Auch in vielen, anderen Gegenden und Traditionen - unter anderem in manchen christlichen Liturgien - wird ebenfalls geräuchert. Weihrauch schafft nicht nur eine zeremonielle Atmosphäre, sondern er wirkt desinfizierend und wundheilend.

Rauhnächte: Alexandra Glück räuchert mit Weihrauch, Dammar, Benzoe, Engelwurz, Styrax, Wacholder, Salbei, Minze und Fichte.

Alexandra Glück räuchert mit Weihrauch, Dammar, Benzoe, Engelwurz, Styrax, Wacholder, Salbei, Minze und Fichte.

(Foto: Marco Einfeldt)
Rauhnächte: Alexandra Glück reinigt den Raum mit dem Rauch des Palosanto dem Heiligen Holz.

Alexandra Glück reinigt den Raum mit dem Rauch des Palosanto dem Heiligen Holz.

(Foto: Marco Einfeldt)

Dafür benötigt man eine Räucherschale mit einer Feder, um in allen Räumen des Hauses den Rauch zu verteilen, und natürlich Räucherkohle. "In den ersten Tagen räuchere ich Salbei, Lavendel und Beifuß, denn sie haben eine reinigende Wirkung", sagt Glück. Aber auch andere Kräuter von Zimt bis Wacholder eignen sich dafür. Hauptsache, man macht das mit Intention und Bewusstsein, denn sonst wird das Ritual zur Routine.

Früher nutzte man das Räuchern, um das Haus vor bösen Dämonen zu schützen - heute geht es beim Räuchern vor allem darum, das alte Jahr loszulassen und das neue zu begrüßen. Aber die Idee dahinter ist immer die gleiche: "Der Mensch braucht Rituale", sagt Glück.

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