Süddeutsche Zeitung

Freisinger Bahnhof:Schöne Ideen für die Schmuddelecke

Die Stadt will das Quartier "Bahnhofsumfeld" weiterentwickeln und beteiligt sich an dem Projekt "Räume der Mobilität" der Metropolregion München. Auch die Bahn soll als "großer Player" mit ins Boot geholt werden. OB Eschenbacher hofft auf einen "großen Wurf".

Von Peter Becker, Freising

Wie Kraut und Rüben schaut es rund um das Freisinger Bahnhofsgelände aus. Mancherorts wuchert Gestrüpp und die Gebäude dort sind schon etwas in die Jahre gekommen. Eine ordnende Hand fehlt. Das soll sich ändern, denn die Stadt Freising will das Quartier "Bahnhofsumfeld" weiterentwickeln. Das soll mittels eines Strukturkonzepts innerhalb der Internationalen Bauausstellung (IBA) der Metropolregion München geschehen. Diese steht unter dem Motto "Räume der Mobilität" und läuft über einen Zeitraum von zehn Jahren. Der Planungsausschuss des Freisinger Stadtrats hat am Mittwoch einer Beteiligung an der IBA zugestimmt.

Der Fokus liegt dabei auf einer Fläche, die sich einerseits vom Seilerbrückl über den Park & Ride-Parkplatz bis zur Korbiniansbrücke und Luitpoldstraße erstreckt. Auf der anderen Seite der Bahngleise gelegen, also stadteinwärts, verläuft das Gelände entlang der Münchner Straße, nicht ganz bis zum Bahnposten 15. Ein städtebauliches Prunkstück ist das Areal nicht unbedingt, sondern bislang eine eher schlechte Visitenkarte für die Stadt Freising. Planerisch ist es eines der letzten Entwicklungsgebiete nahe des Zentrums, geprägt von einigen "städtebaulichen Missständen". So beurteilen die Städteplaner den aktuellen Zustand.

Weil Freising unter enormen Siedlungsdruck steht, sieht die Verwaltung dort eine Chance auf eine Neuordnung des Geländes hin zu einem innovativen gemischten Quartiers mit Wohnungen, geprägt von kurzen Wegen, innovativer Mobilität und Aufenthaltsqualität. Durch die enge Verbindung mit der Isar und ihren angrenzenden Auen ist eine Planung besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Ökologie, Arten- und Biotopschutz, Hochwasserschutz, Naherholung und Tourismus kommt bei der Entwicklung eine besondere Rolle zu.

Die Stadt möchte eine Vorreiterrolle einnehmen, aber auch profitieren

Aus der Schmuddelecke soll jetzt nach Vorstellung der Planer ein "Leuchtturmprojekt" werden. Ihrer Ansicht nach bieten die besonderen Herausforderungen allerbeste Voraussetzungen dafür, sich mit diesem Projekt für die IBA in München zu bewerben. Die Stadt möchte mit der Umsetzung einerseits eine Vorreiterrolle für künftige Stadtentwicklung einnehmen. Andererseits könnte sie von Förderprogrammen und Unterstützungsleisten rund um die IBA-Gründung profitieren. Diese ist für den Herbst geplant. Die Stadtplaner kommen zu dem Schluss: "Die Aufnahme als IBA-Projekt sollte unbedingt angestrebt werden."

Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher (FSM) schließt sich dieser Ansicht an. "Das ist eine große Chance für uns", warb er für die Bewerbung für die IBA. Rund um den Bahnhofsvorplatz meldet die Bahn AG schon Ansprüche für eine Bebauung des jetzigen Postgeländes an. Zum Beispiel für eine DB-Service-Station, ein Café und einen Anbau für eine Bäckerei. Möglich sind auch Werkswohnungen. Weil die Stadt der Ansicht ist, dass die Verwirklichung von vielen Einzelinteressen für ein einheitlichen Gesamtkonzept hinderlich ist, hat sie für das ganze Quartier eine Veränderungssperre verhängt.

Was genau auf dem Gelände geschehen könnte, liegt im Vagen

Die Gestaltung der Geländes ist Zukunftsmusik. Was dort geschehen könnte, liegt im Vagen. Eschenbacher findet es aber wichtig, dass die Bahn AG als "großer Player" mit im Boot ist. Gespräche hätten ergeben, dass das Unternehmen ebenfalls an einer Beteiligung an der IBA interessiert ist. Denn ohne das Mitwirken der Bahn bleiben die Gestaltungsmöglichkeiten gering. Die Sanierung des Stegs, von der Bahnunterführung an der Münchner Straße hinüber zum P & R-Parkplatz, ist es ein gutes Beispiel dafür.

Ein weiteres Kriterium sollen künftige Verbindungen zur Innenstadt und zum Stadtteil Lerchenfeld sowie die Verknüpfung mit dem Isarradweg sein. Dabei spielt der Bustunnel vom Park & Ride Parkplatz hinüber zur Münchner Straße eine große Rolle. Weil die Grenzen des Quartiers noch nicht festgelegt sind, soll auf Wunsch der Grünen-Stadträte der Bahnposten 15 mit der Fußgängerunterführung mit einbezogen werden.

"In zehn Jahren muss was rauskommen, das man herzeigen kann."

Die Verwaltung soll jetzt die Planung für das Bahnhofsquartier gemäß dieser Ziele weiter voran treiben und eine Bewerbung für die IBA vorbereiten. "Das kann der große Wurf sein", sagte Eschenbacher. "In zehn Jahren muss was rauskommen, das man herzeigen kann." Wichtig sei jetzt das Signal, dass die Stadt Freising sich an der IBA beteiligen wolle. Von Bedeutung sei es, mit dem Projekt "interessante Player" anzusprechen und es bestehe die Möglichkeit zu experimentieren. Nun ist es nicht so, dass Interessierte zu dem innovativen Quartier pilgern können, um es zu bestaunen. In erster Linie soll das Projekt über Veranstaltungen und Publikationen vorgestellt werden, bevor es irgendwann um die konkrete Umsetzung geht.

Der Landkreis Freising ist übrigens mit im Boot. Er hat eine Teilnahme an der IBA auf Antrag der Grünen-Kreisräte bereits 2019 beschlossen.

Visionen der IBA

Internationale Bauausstellungen (IBA) gibt es in Deutschland seit mehr als 100 Jahren. Sie haben meist einen Planungsund Umsetzungszeitraum von zehn Jahren. Mit der Gründung der IBA-Gesellschaft im Herbst fällt praktisch der Startschuss. Dauern wird die IBA in der Metropolregion München bis 2032. Jede Ausstellung hat ein eigenes Thema. Eine hat den Anspruch, am konkreten Ort Lösungen für aktuelle und künftige Probleme der Architektur, Stadt- und Regionalplanung zu entwickeln. Es werden jeweils visionäre und zukunftsweisende Fragestellungen für die jeweilige Zeit bearbeitet. Der finanzielle Beitrag der Stadt Freising für die Teilnahme an der IBA dürfte nicht extrem hoch sein. Schließlich werden Landkreise und Großunternehmen als IBA-Gesellschafter auftreten. beb

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SZ vom 21.01.2022
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