Ausstellung "Hirntod":In der Zwischenwelt

Spiel mit Pathos, Lächerlichkeit und Vergänglichkeit: Die Künstler Wolfgang Kaiser und Wolfgang Stehle zeigen im Schafhof Videos und Installationen zum Thema "Hirntod".

Eva Maria Glück

Diagnose Hirntod: Aus juristischer Sicht ist dies gleichbedeutend mit dem Tod eines Menschen, aus ethischer Sicht jedoch ein dritter Zustand zwischen lebendem Menschen und Leichnam. Dieses schwierige Thema ist Anknüpfungspunkt für die Kunstausstellung "Hirntod" im Freisinger Schafhof. Vom von 9. Juli bis zum 15. August zeigen dort Wolfgang Kaiser und Wolfgang Stehle Installations-, Video- und Objektkunst, die sich mit dem Thema Leben und Sterben und der Bedeutung des Hirns für das Da- und Menschsein beschäftigt.

Ausstellung "Hirntod": Wolfgang Stehle (links) und Wolfgang Kaiser beschäftigen sich im Freisinger Schafhof mit dem Thema "Hirntod".

Wolfgang Stehle (links) und Wolfgang Kaiser beschäftigen sich im Freisinger Schafhof mit dem Thema "Hirntod".

(Foto: region.frs)

Ausgangspunkt der Ausstellung ist die Auseinandersetzung mit dem Kopf als Sitz geistigen und emotionalen Vermögens. Ein hirntoter Mensch kann nie mehr beobachten oder wahrnehmen, nie mehr eine Gefühlsregung empfinden oder zeigen, nie mehr etwas entscheiden.

In diesem Zwischenstadium fanden die beiden Künstler einen Berührungspunkt ihrer Arbeiten der vergangenen Jahre. Trotz unterschiedlicher Arbeitsweisen verbindet die Aussteller viel, seit mittlerweile zehn Jahren auch eine enge Freundschaft. "Eine gemeinsames Projekt ist da ideal, wir kennen und verstehen uns, da muss man kein Blatt vor den Mund nehmen", erzählt Wolfgang Kaiser. In der Hirntod-Thematik sehen die Künstler einen Bereich, wo sich ihre Arbeiten überschneiden, sozusagen die "gemeinsame Klammer" ihrer künstlerischen Wahrnehmungen.

Hirschköpfe und Vergänglichkeit

Dabei gehe es nicht um den medizinischen Todeszeitpunkt, sondern um menschliche Zustände in der Verbindung von Gehirn und Körper. Wichtig sei dabei, dem Besucher Raum für die eigene Vorstellungskraft einzuräumen, insbesondere bei einem so emotionalen und mystischen Thema, betont Stehle. Die Interpretation des "Unerklärbaren" bleibt dem Betrachter überlassen. Die gängige mediale Aufbereitung des Zustandes "Hirntod" tritt in den Hintergrund.

Ausstellung "Hirntod": Hirschköpfe aus Holz - ein Zeichen der Vergänglichkeit.

Hirschköpfe aus Holz - ein Zeichen der Vergänglichkeit.

(Foto: region.frs)

Auf zwei Ebenen eröffnet sich Kunstinteressierten ein offener Assoziationsraum zwischen Rationalität und Emotionalität. Der Teilbereich des Werkes von Wolfgang Stehle umschreibt dabei das Gehirn als Quelle für Idee und Vorstellungskraft. Durch verschiedene formale Auswüchse wird das Potential des Gehirns formuliert.

Durch die Symbolik verkohlter Hirschköpfe aus Holz wird die Vergänglichkeit der Existenz dargestellt. Wolfgang Kaisers Kopfskulpturen ergänzen den beim Betrachter entstandenen Eindruck von Flüchtigkeit. Abbilder von Karikaturen, sozusagen Meta-Karikaturen, die durch das Auffüllen einer verzerrten Latexmaske mit Polyurethan entstanden, stellen Veränderung dar. Die fratzenhaften Abwandlungen der Realität wurden anschließend mit Gold überzogen, um ihnen einen Ausdruck von Wertigkeit anhaften zu lassen.

Pathos und Lächerlichkeit

Ausstellung "Hirntod": Fratzenhafte Abwandlung der Realität: Auch in Installationen versuchen die Künstler, sich dem Thema zu nähern.

Fratzenhafte Abwandlung der Realität: Auch in Installationen versuchen die Künstler, sich dem Thema zu nähern.

(Foto: region.frs)

Dieses Spiel mit Pathos und Lächerlichkeit und der Deformation des Kopfes kreist um die Grenzsituation zwischen Leben und Tod. In seinen Zeichnungen betont Kaiser schließlich die Bedeutung des Zufalls. Durch das schnelle wiederholte Abzeichnen einer Vorlage, oft eines Comics, symbolisiert der Künstler den Lebensfluss. Trotz allen Strebens nach Kontrolle kann letztendlich nicht alles im menschlichen Dasein gesteuert werden.

Die Thematik der Wiederholung ist zentral in den Videoinstallationen von Wolfgang Stehle im ersten Stock. In animierten Zeichnungen, die im abgedunkelten Raum wie Lichtpunkte erscheinen, weist Stehle auf soziale Verhaltensmuster im menschlichen Leben hin, die sich bis zum Tod wiederholen. In einem animierten Selbstporträt illustriert er den einhergehenden Alterungsprozess.

Bevor sich die Künstler im Jahr 2000 kennenlernten, studierte der 1965 in Herrenberg, Baden-Württemberg geborene Wolfgang Kaiser Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe, wo er auch Meisterschüler war. Mittlerweile lebt und arbeitet er in München. Wolfgang Stehle wurde ebenfalls 1965 in München geboren. Dort studierte er an der Akademie der Bildenden Künste, wo er seit 2007 auch als künstlerischer Mitarbeiter tätig ist. Es ist die erste Zusammenarbeit der beiden Künstler.

Die Kunstausstellung "Hirntod" Schafhof ist vom 9. Juli bis zum 15. August immer dienstags bis freitags von 14 bis 18 Uhr, sowie am Samstag und Sonntag von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Am Samstag, 17. Juli, um 15 Uhr und an den Donnerstagen 29. Juli und 5. August um jeweils 17 Uhr bietet Kunsthistorikerin Friederike Breier Interessierten eine Führung an, Anmeldung unter 08161/146231.

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