Ausbildung wird nicht anerkannt:Zu viel Bürokratie

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Am Klinikum Freising fehlen Fachkräfte vor allem auf der Intensivstation und im OP. (Foto: Marco Einfeldt)

Ausländische Pflegekräfte dürfen in Deutschland oft nur Hilfsdienste leisten, obwohl sie in ihrer Heimat ein Studium absolviert haben. Dabei wird Personal bei Pflegediensten und auch im Klinikum Freising händeringend gesucht.

Von Gudrun Regelein, Freising

Natasa Runic kommt aus Bosnien. Dort hat sie ein Pflegemanagement-Studium abgeschlossen. In Deutschland werde das aber nicht anerkannt, erzählt die 26-Jährige, die seit etwa eineinhalb Jahren in Freising lebt. Noch immer muss sie hier trotz ihrer Qualifikation als Hilfskraft beim Pflegedienst der Caritas arbeiten. Obwohl sie inzwischen nach dem Besuch eines monatelangen Vorbereitungskurses eine sogenannte Kenntnisprüfung abgelegt und bestanden hat. Der Grund: Sie bekam nach der bestandenen Prüfung im August nicht gleich ihr Zeugnis. "Das kann bis zu drei Monaten dauern, wurde mir gesagt", erzählt Natasa Runic. Bis dahin kann sie nur als Hilfskraft arbeiten - und verdient natürlich weniger.

Im Pflegebereich werden händeringend Fachkräfte gesucht: Bis zum Jahr 2035 sind es laut jüngsten Prognosen etwa zusätzliche 175 000. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will den Beruf durch bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen aufwerten. Daneben setzt die Regierung auf mehr ausländisches Pflegepersonal - ein neues Einwanderungsgesetz für Fachkräfte ist geplant, das die Verfahren vereinfachen und beschleunigen soll. Noch aber sind die Hürden für die Arbeitsaufnahme in Deutschland vor allem für Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern hoch. Bis diese in Deutschland arbeiten können, vergehen oft Monate. Denn die Ausbildung des Bewerbers muss behördlich anerkannt werden und das dauert oft sehr lange. Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) forderte deshalb in der vergangenen Woche mit Blick auf den akuten Personalmangel einen Abbau der Bürokratie und Sofortprogramme für das Anwerben von ausländischen Fachkräften.

Eine examinierte Krankenschwester darf noch nicht mal Medikamente richten

"Auch wir als Kreisverband haben dieses Thema auf dem Schirm", sagt Albert Söhl, Kreisgeschäftsführer des BRK. Auch im ambulanten Pflegedienst des BRK gebe es zwei eigentlich sehr qualifizierte Mitarbeiterinnen, die aber nur als Hilfskräfte arbeiten dürfen. Söhl kann das nicht wirklich nachvollziehen, sagt er. "Die eine ist Philippinin und examinierte Krankenschwester. Das wird bei uns in Deutschland aber nicht anerkannt. Sie darf nicht einmal Medikamente richten", erzählt Söhl. Die andere sei eine junge Tschechin, die in ihrem Heimatland sogar Pflege studiert habe. Aber dennoch darf auch sie nur als Hilfskraft arbeiten. "Wo sind wir denn, frage ich mich da?", sagt Söhl empört. Der Bürokratismus müsse abgebaut werden, fordert er. Natürlich müsse es Qualität in der Pflege geben, aber die Hürden, neue und qualifizierte ausländische Mitarbeiter einzustellen, seien einfach oft viel zu hoch. Zeugnisse, Urkunden und Atteste müssen für die sogenannte Gleichwertigkeitsprüfung ausländischer Abschlüsse vorlegt werden. Alles muss übersetzt und mit Stempeln der deutschen Botschaft in dem Drittstaat versehen werden, dazu braucht es weitere Beglaubigungsschreiben des dortigen Gesundheitsministeriums. Dann muss auch noch ein Sprachtest abgelegt und eine Prüfung bestanden werden.

Für Carolin Dümer, Kreisgeschäftsführerin der Caritas Freising, sind ausländische Kräfte eine wertvolle Unterstützung. Eine wirkliche Lösung sieht Dümer in dem Anwerben der Mitarbeiter aus dem Ausland aber nicht. "Wir ziehen sie ja ab, letztendlich fehlen sie dann in ihrem Herkunftsland." Eigentlich müsse man den Beruf für junge Menschen in Deutschland wieder attraktiver machen, sagt Dümer.

An der Belastungsgrenze
:"Das wird eine Katastrophe"

Schon jetzt fehlt in der Altenpflege an allen Ecken und Enden Personal. Das Problem wird sich in den nächsten 20 Jahren zuspitzen, denn die Zahl der alten Menschen steigt. Die Lösung: bessere Bezahlung und bessere Arbeitszeiten.

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Das Klinikum Freising setzt Leiharbeiter ein

Fachkräfte aus dem Ausland decken allerdings schon jetzt einen immer größeren Teil der Arbeit ab. Nach Angaben der Bundesregierung waren im Juni 2017 etwa 133 000 ausländische Pflegekräfte in Deutschland tätig. Vor fünf Jahren waren es noch 79 000. Etwa die Hälfte kommt aus dem EU-Ausland, unter den Pflegekräften aus Drittstaaten kommt ein Drittel aus Ländern des Balkans. Im Klinikum Freising macht sich der Mangel an Fachkräften im Pflegebereich vor allem auf der Intensivstation und im OP bemerkbar, berichtet Pflege-Fachbereichsleiter Josef Westermeier. Dort werden derzeit sogenannte Leiharbeiter externer Zeitarbeitsfirmen eingesetzt. "Wir arbeiten aber auch mit Kollegen aus dem Ausland", sagt Westermeier. Diese kommen überwiegend aus dem osteuropäischen Raum und werden im Klinikum wegen der fehlenden Anerkennung als Gesundheits- und Krankenpfleger als Pflegehelfer eingestellt. "Die Möglichkeit, diese Anerkennung zu erlangen, wird von uns gewünscht und auch unterstützt. Beispielsweise durch eine Beteiligung an den Kurs- und Prüfungsgebühren", berichtet Westermeier. Für ausländische Kräfte werden im Klinikum auch regelmäßig speziell auf die Pflege ausgerichtete Deutschkurse veranstaltet. Derzeit betrage der Anteil der ausländischen Mitarbeiter beim Pflegepersonal etwa 15 Prozent.

Heidi Kammler, Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Freising, befürwortet es grundsätzlich, wenn ausländische Pflegekräfte nach Deutschland kommen, um den Pflegekräftemangel zu lindern. Allerdings, so warnt sie, werde die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in den kommenden Jahren noch stark steigen "Die Politik ist jetzt gefragt", sagt Heidi Kammler. "Wir müssen schon heute damit beginnen, uns um die notwendigen Pflegekräfte zu kümmern." Nicht alle könnten nur aus dem Ausland kommen.

© SZ vom 17.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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