Handwerksberufe:Vor dem Ende aufgegeben

Ausbildung

Die zu geringe Entlohnung ist für einige Auszubildende ein Grund, die Lehre vorzeitig zu beenden.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

2017 haben im Landkreis Freising 32 Prozent der Auszubildenden ihre Lehre abgebrochen. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Von Johannes Stuhrmann, Freising

32 Prozent der Arbeitsverträge von Auszubildenden wurden 2017 im Landkreis Freising vorzeitig aufgelöst. Das sind laut Handwerkskammer München und Oberbayern (HWK) 338 von insgesamt 1072 Auszubildenden. Der bayernweite Wert liegt laut der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bayern bei 21 Prozent. "Was als Ausbildungsabbruch gelistet wird, ist allerdings meist nur ein Wechsel des Ausbildungsortes", erläutert Alexander Tauscher von der HWK. Bei etwa zwei Dritteln der Auflösungen sei dies der Fall. "Gerade im Großraum München gibt es ein großes Angebot an Ausbildungsplätzen. Da zieht man den Wechsel in einen anderen Betrieb schon eher in Erwägung", sagt er.

Der Freisinger Kreishandwerksmeister Martin Reiter sieht noch eine andere Ursache für die häufige Auflösung von Ausbildungsverträgen. "Das Handwerk wird komplexer und manchmal fehlt die nötige Ausbildungsreife", sagt er. Eine zu geringe Entlohnung ist laut Simone Burger, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Kreisverband München, auch ein wesentlicher Grund für die Abbrüche. Sie fordert darum eine Mindestausbildungsvergütung. Die steht auch im Koalitionsvertrag und soll bis 2020 in Kraft treten. Damit sollen 80 Prozent des durchschnittlichen Ausbildungsgehalts jedem Azubi zustehen, so die Gewerkschaftsvertreterin. Das entspricht derzeit 635 Euro im ersten Lehrjahr. Dazu kommen meistens noch Kindergeld und soziale Förderungen wie Berufsausbildungsbeihilfe. So könne auch das eigene Zimmer finanziert werden. Ausschlaggebend sei auch der Lohn nach der Ausbildungszeit und damit die Frage: "Kann ich mein Leben damit in Freising stemmen?"

Löhne seien Sache der Tarifpartner, widerspricht Alexander Tauscher (HWK)

Einen direkten Zusammenhang zwischen der Vertragsauflösung und der Vergütung einer Ausbildung lehnt Alexander Tauscher indes ab. Löhne seien Sache der Tarifpartner der Wirtschaftsverbände. Auch bei gut bezahlten Berufen gebe es viele Abbrecher und umgekehrt. "Die Gründe sind vielfältig," konstatiert er. Bei den Auszubildenden seien es oft private Faktoren. Häufig habe man sich einfach nicht richtig über den Beruf informiert und merke dann, dass die Tätigkeit oder Arbeitsbedingungen nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen.

Um das Problem zu lösen, soll die Berufsberatung weiter verbessert werden. Diese setzt bereits in den Schulen an. "Es ist absolut wichtig, dass sich die Schüler ein reales Berufsbild machen," sagt Tauscher. "Am besten ist es, ein Praktikum zu absolvieren", empfiehlt dazu Kreishandwerksmeister Reiter. "Zweifel während der Ausbildung sind nicht ungewöhnlich", stellt die wiederum Gewerkschafterin Simone Burger fest, "denn Berufe verändern sich schnell." Schade sei es nur, wenn keine Beratung gesucht werde. Diesbezüglich verweist sie auf "azuro", eine Beratungsstelle des DGB in München. Weiterhin besteht ein Mangel an Auszubildenden. Laut der Agentur für Arbeit gab es für den Landkreis Freising im Vergleich zum Vorjahr 7,6 Prozent weniger Bewerber - also 69 Personen. Damit kommen auf einen Bewerber 1,18 Ausbildungsplätze.

Flüchtlinge, so hofft man, könnten diesen Mangel kompensieren. Für sie ist eine Ausbildung wegen der "3+2-Regelung" besonders attraktiv. "Wer eine Ausbildung beginnt, darf danach zwei Jahre arbeiten, egal ob sein Asylantrag abgelehnt wurde", erklärt Simone Burger. Wenn man das Land verlassen müsse, könne man dann Kompetenz nachweisen. Alexander Tauscher stellt allerdings klar: "Geflüchtete können den Azubimangel nicht lösen, aber sie sind ein Baustein." Die Kreishandwerkerschaft Freising wirbt vermehrt um Bewerber aus dem europäischen Ausland. Um eine Ausbildung reizvoller zu machen, könnte man auch ein Berufsabitur einführen, so Kreishandwerksmeister Reiter. Das ist bislang ein Pilotprojekt und wird in Rosenheim angeboten. Auszubildende haben so die Chance, berufsbegleitend ihr Abitur abzuschließen.

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