Aus dem Landgericht:Überfall in der Wohnung

Ein 37-jähriger Mann aus Hallbergmoos soll im vergangenen Jahr seine Frau vergewaltigt haben. In Landshut steht er darum seit dieser Woche vor Gericht. Der Prozess wird fortgesetzt

Von Alexander Kappen, Landshut/Hallbergmoos

So gewalttätig, wie in der Anklage beschrieben, sei der Angeklagte wohl nicht vorgegangen, deutete Vorsitzender Richter Ralph Reiter an. Aus Sicht der sechsten Strafkammer des Landshuter Landgerichts "ist nach bisheriger Beweisaufnahme und Aktenlage eine besondere Gewaltanwendung des Angeklagten nicht ersichtlich". Aber das sei für eine Verurteilung nach Paragraf 177, Absatz 6 des Strafgesetzbuches auch nicht erforderlich. Eine Vergewaltigung, die dem 37-jährigen Angeklagten aus Hallbergmoos zur Last gelegt wird, liege bereits vor, wenn er gegen den Willen seiner Frau den Geschlechtsverkehr vollzogen habe.

In dem Prozess, der seit dieser Woche am Landshuter Landgericht läuft, hatte der Angeklagte in seiner Einlassung zum Auftakt von einvernehmlichem Sex gesprochen. Die Vernehmung seiner Frau war für Donnerstagnachmittag unter Ausschluss der Öffentlichkeit angesetzt.

Laut Anklage soll der Beschuldigte am 29. Juni vergangenen Jahres gegen Mittag zunächst seine Frau zu Boden gestoßen haben. Dann habe er sich auf ihren Oberkörper gesetzt und sie gewürgt. Als eine Zeugin an der Tür klopfte, soll der Angeklagte seiner Frau damit gedroht haben, ihrer Familie etwas antun zu lassen, wenn sie was sage. Die Frau schickte die Zeugin schließlich weg. Danach soll der 37-Jährige seine Frau aufs Bett geschubst, sich erneut auf ihren Oberkörper gesetzt und gedroht haben, sie umzubringen. Anschließend, so lautet der Vorwurf der Anklage, soll er sie in Bad und Schlafzimmer mehrmals vergewaltigt haben und ihr dabei Hämatome an Brust und Arm zugefügt haben.

Am Donnerstagvormittag trug in der Verhandlung eine Sachverständige von der Rechtsmedizin in München ihr Gutachten vor. Sie hatte das Opfer zweieinhalb Tage nach der Tat untersucht. Ihr sei mitgeteilt worden, die Frau sei in der Vergangenheit wiederholt geschlagen und vergewaltigt worden. "Sie soll gewürgt und gebissen worden sein - nicht bis zur Bewusstlosigkeit, aber bis ihr schwindlig war", berichtete die Gutachterin. Sie diagnostizierte an der Brust der Frau Hämatome. "Sie könnten von einem Zusammendrücken mit den Fingern stammen", sagte sie. Jedenfalls handele es sich um eine stumpfe Gewalteinwirkung. Selbiges treffe auf den rechten Unterarm der Frau zu. An Oberschenkel und Schienbein fand die Medizinerin "kratzerartige Hautdefekte", wie sie sagte. Sie habe jedoch "keine Verletzungen gefunden, die sich eindeutig auf einen Biss zurückführen lassen". Auch am Hals der Frau habe sie keinerlei Verletzung feststellen können. "Bei einem Würgen müssen aber nicht zwangsläufig Verletzungen entstehen, die man zweieinhalb Tage später noch sieht", stellte die Gutachterin klar. Verletzungen im Intimbereich seien ebenfalls nicht erkennbar gewesen, "aber das schließt einen Geschlechtsverkehr nicht aus, wenn man sich nicht wehrt".

Entscheidend sei, ob dieser gegen den Willen der Frau stattgefunden habe, erläuterte der Richter, "und das kann man aus medizinischer Sicht natürlich nicht klären". Eine Gewaltanwendung müsse für eine Verurteilung wegen Vergewaltigung nicht nachgewiesen werden. Im Rechtsgespräch habe die Staatsanwältin mitgeteilt, eine Strafe von fünf Jahren anzustreben, berichtete der Vorsitzende. "Die beiden Verteidiger haben darauf hingewiesen, dass eine Vergewaltigung nicht objektivierbar nachweisbar ist", so der Richter weiter.

Die Strafkammer selbst könne sich "bei einem Geständnis und etwaigen weiteren strafmildernden Gesichtspunkten - das könnte zum Beispiel ein Täter-Opfer-Ausgleich sein - eine ermäßigte Strafe vorstellen", so Reiter. Als Strafmaß stellte er zirka drei Jahre in den Raum.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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