Auch Georg Lohmeier hat es hier schon gefallen:Filmreife Vergangenheit

Familie Müller führt seit 75 Jahren die Adler-Apotheke in einem historischen Gebäude an der Oberen Hauptstraße

Regina Bluhme

Freising75 Jahre wird die Adler-Apotheke an der Oberen Hauptstraße heuer alt. Die rüstige Jubilarin hat viel zu erzählen. Sie hat einen Bombenangriff überstanden, stand als Filmkulisse im Scheinwerferlicht und ließ sich von einem bekannten Künstler verschönern. 75 Jahre ist sie schon in den Händen einer einzigen Familie. Josef Müller führt sie in der dritten Generation. Der dunkle, bronzene Adler am Hauserker blickt ein wenig streng in Richtung Eingangstür. Zu dieser führt ein schmales Geländer über ein paar Stufen. Drinnen erwartet den mit Husten, Fieber oder Halsweh geplagten Kunden eine interessante Mischung. Zum einen lagern in den Glasvitrinen und holzverkleideten Schubladen moderne Arzneimittel oder Kosmetikartikel und die Rechnung druckt der Computer aus. Und dann ist da das wandhohe Regal rechts, das komplett mit unzähligen kleinen und großen braunen Standgefäßen vollgestellt ist. Weiße Schilder mit geheimnisvollen lateinischen Namen verweisen auf die medizinischen Ausgangsstoffe, die darin einmal aufbewahrt wurden.

Schwarz-Weiß-Zeichnungen säumen den gesamten Verkaufsraum. Sie zeigen neben mehreren Heilpflanzen auch frühes Apothekerhandwerk, so ist auf einem Bild ein Mann mit mehreren Schlangen zugange. "Die Vorlagen stammen aus alten Pflanzenbüchern", weiß Josef Müller. Im Auftrag seines Vaters Fritz Müller hat die Bilder in den 70er Jahren Karl Huber angefertigt. Der gebürtige Freisinger und anerkannte Künstler war ein Jugendfreund von Fritz Müller und hat unter anderem auch den Bärenbrunnen in Freising gestaltet - sowie den Adler, das Geländer und die Wetterfahne der Adler-Apotheke. Kein Wunder, dass der bekannte bayerische Autor und Regisseur Georg Lohmeier auf die Apotheke aufmerksam wurde. Er hat hier vor einigen Jahren einen Film gedreht. An den Titel kann sich Josef Müller nicht mehr erinnern, aber es gibt noch ein Foto von einem Schauspieler im weißen Kittel vor dem imposanten Flaschenregal. Hier wird sicher auch der Großvater von Josef Müller, ebenfalls ein Josef, oft gestanden haben. Er hat am 12. Mai 1937 die Adler-Apotheke eröffnet. Damals war es die dritte in Freising, neben der Hof- und Marienapotheke. Am 1. April 1963 hat sein Sohn Fritz übernommen, 1995 dann der Enkel Josef.

Ich bin sozusagen in der Apotheke aufgewachsen und hatte als Kind immer meinen Stammplatz am Fenster", erinnert sich Josef Müller. Während Vater Fritz kurz mit einem Musikstudium geliebäugelt hat, hätte er sich eine Laufbahn im Kriminaldienst vorstellen können. Doch Vater und Sohn haben sich letztendlich doch fürs Pharmaziestudium entschieden. "Mir gefällt der Kontakt mit den Menschen", berichtet Josef Müller. Die unabhängige Beratung, frei von Einkaufsgemeinschaften, sei ihm sehr wichtig.

Die Stammkundschaft des Vaters hat auch dem Sohn die Treue gehalten. Fritz Müller geht nur noch selten von seiner Wohnung im ersten Stock hinab zur Apotheke, "ich rede meinem Sohn nicht rein". Aber er freut sich, wenn er dann einen alten Kunden wiedertrifft. Früher hatte jeder Apotheker seinen selbst gefertigten Hustensaft oder eine besondere Salbe, "seine Schätze", sagt Fritz Müller. Und das "mit bestem Erfolg". Das sei heute kaum mehr möglich, bedauert er. "Die Vorschriften werden immer restriktiver". Überhaupt machten neue Gesetzeshürden den Apotheken zu schaffen, fügt Josef Müller an. Und die Filialen großer Ketten. Da ist es gut, dass Cosmas und Damian, die Schutzpatrone der Apotheker, im Labor der Adler-Apotheke wachen. Die beiden Figuren auf dem Deckengewölbe stammen wiederum aus der Hand von dem Künstler Karl Huber. Wer hat schon ein Labor in einem historischen Gewölbe? Das Apotheker-Haus wurde wohl 1403 erstmals erwähnt. Das hat Fritz Müller anhand alter Urkunden und Chroniken herausgefunden. Hier lebte auch von 1582 bis 1595 der kurfürstliche Kapellmeister Anton Goswin, ein Schüler des berühmten Komponisten Orlando di Lasso. Am 1. April 1937 kaufte Großvater Josef Müller das Haus, im April 1945 musste Fritz Müller den Bombenangriff auf Freising mit ansehen. "Doch wir hatten Glück", berichtet er. Ein Schaufenster ging zu Bruch, das Haus blieb stehen. Im Verkaufsraum befindet sich heute noch die altehrwürdige Personenwaage in hellgelbem Emaille, die Gewichts-Anzeige unterteilt nach "Knaben und Mädchen". Sie funktioniert einwandfrei.

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