470 ehrenamtliche Helfer, rund 130 verschiedene Biersorten und über 10.000 Besucher: Das Hallertauer Bierfestival in Attenkirchen ist nach der Corona-Zwangspause so lebendig wie nie zuvor. Drei Tage lang stand in der kleinen Gemeinde mit ihren knapp 3000 Einwohner am Wochenende alles im Zeichen des Gerstensaftes. Der Samstag sei der "beste Tag ever gewesen", schwärmt Alexander Herzog, der die Idee für dieses Festival hatte und ehrenamtlich für das Marketing zuständig ist. Kein Wunder, denn die Stimmung war ausgelassen, die Gäste genossen den lauen Sommerabend und natürlich das Bier. An einigen Schänken waren die Fässer im Laufe des Abend leer, so dass auch Markus Wasmeier, der in seinem Freilichtmuseum eine kleine Brauerei betreibt und sein Bier beim Festival ausschenkte, sogar noch in der Nacht zwei neue Fässer holte.
Die Vielfalt der Biersorten sei riesengroß, mit den verschiedenen Hopfensorten als Ausgangsstoff könne man beim Brauen viel mehr mit Geschmacksnuancen experimentieren, um neue Aromen zu kreieren, als beim Keltern von Wein, schwärmt Alexander Herzog. Alleine in der Hallertau würden 17 Hopfensorten angebaut, erklärt er. 2010 fand das erste Bierfestival statt, es sei ein "Verkostungsfestival" und solle den Gästen einen "neuen Zugang zum Bier" ermöglichen, sagt Herzog. Die Gäste seien auf dem großen Festivalgelände in Bewegung, zwischen den drei Bühnen, auf denen Live-Musik gespielt wird und den verschiedenen Schänken. Das Interessante sei ja auch, dass die Brauer ihre Biere selbst präsentierten und Geschichten zur Herstellung erzählten, so Herzog.
"Wir machen verrückte Biere", lacht Charlene Wohlsperger, die zusammen mit ihrem Mann Andreas, dessen Verwandte aus der Hallertau stammen, 2017 in einem ehemaligen Stall bei Mörfelden-Walldorf in der Nähe von Frankfurt/Main ihr Faselbräu gründete. Die beiden hatten wohl den weitesten Anfahrtsweg nach Attenkirchen. Zum Bierfestival kamen sie in einem alten, restaurierten Wagen und schenkten ihre Kreationen mit klangvollen Namen wie "Stallflieger" oder "Queerpaleale" aus. Das Stallflieger-Bier hat es mit acht Prozent Alkohol in sich, dafür werde Hopfen der Sorte "Herkules" verwendet und das ganze dann mit Hanf "gestopft".
Aber keine Sorge, es sei ein THCR- freier Hanf, erklärt Charlene Wohlsperger. Berauschend sei nur der Alkohol und nicht Cannabis. Faselbräu nannten sie ihr Bier, da ihre Brauwerkstatt früher ein sogenannter "Faselstall" war, in dem die Gemeinden Eber, Bullen und Schafböcke, die für die Zucht bestimmt waren, hielten und Landwirte ihre weiblichen Tiere zum Decken vorbei brachten, schildern die beiden Brauer.
Nach den Jahren des großen Brauereisterbens hätten sich in der entstandenen Nische inzwischen viele kleine, kreative Brauereien gegründet, berichten Charlene Wohlsperger, die mit Leidenschaft und Fantasie ihrem Handwerk nachgehen und alte Biere neu entdecken. Dazu gehöre das "Schwarze Schaf", ein schwarzes Pils. Zum Bierverkauf gehöre auch das Gespräch mit den Kunden und die Aufgabe, zu erläutern, dass zum Beispiel die Sorte "Queerpaleale" aus vier verschiedenen deutschen Hopfensorten gebraut werde.
Auch an den anderen kleinen Ständen erzählten die Brauer der sogenannten Craft-Biere zu jedem ihrer Kreationen kleine Geschichten. Die Besucher schmeckten und genossen dazu die jeweiligen Kreationen aus den kleinen 0,25 Liter Gläsern, die man am Eingang samt Biermarken erwerben konnte.
Damit die Gäste ausgiebig über das große Gelände in der Ortsmitte flanieren konnten, wurde die B 301 für den Durchgangsverkehr gesperrt. Die Auflage dafür sei unter anderem gewesen, dass vier Mal am Tag ein ÖPNV-Bus auf der Straße durch das Gelände fahren konnte. Der Bus wurde von der Feuerwehr begleitet und so gewährleistet, dass im Notfall auch Rettungsfahrzeuge durch das Gelände hätten fahren können und die Straße nicht blockiert worden sei, berichtet Alexander Herzog.
Bereits am Freitag, dem Eröffnungstag, strömten die Besucher trotz kurzer Regenschauer zu den Bierständen und genossen die Livemusik. Zu später Stunde legte DJ Paul auf, zum Glück blieb es trocken, aber Pfarrer Stephan Rauscher hatte bereits angeboten, dass die Party auch in der Kirche hätte stattfinden können. Am Sonntag radelten dann rund 150 Teilnehmer des Stadtradelns aus den umliegenden Gemeinden zum Festival und genossen die harmonische und entspannte Atmosphäre.
Ukrainische Geflüchte feiern mit
Für Bürgermeister Mathias Kern war das sechste Hallertauer Bierfestival eine Premiere. "Es fühlt sich gut an", sagte er am Samstagnachmittag, aber Bier probieren dürfe er leider nicht. Da er der Veranstalter sei wurde er von der Verwaltung "beauflagt", absolut keinen Alkohol zu trinken. Kern freute sich über den großen Zuspruch für das Fest. Die Entscheidung, es stattfinden zu lassen, sei nicht einfach gewesen und das Organisationsteam habe sich gefragt, ob es angesichts des Krieges in der Ukraine angemessen sei, zu feiern. Aber auch die ukrainischen Geflüchteten in Attenkirchen hätten den Entschluss, zu feiern, gut geheißen und bereiteten an einem Stand typisch ukrainisches Essen zu. Natürlich spielte auch die Corona-Lage eine Rolle, berichtete Kern. Als man sich entschied, das Open-Air-Festival auszurichten, seien die Zahlen niedrig gewesen und er hoffe nun, dass alle Gäste gesund blieben.
Eines wird auf jeden Fall allen, die dabei waren, im Gedächtnis bleiben: Es waren drei Tage, wie man sie sich während der Pandemie sehnsüchtig gewünscht hatte.