Attaching:Wunden, die bleiben

Anders als Kardinal Marx findet der evangelische Landesbischof Bedford-Strohm klare Worte gegen den geplanten Startbahn-Bau

Von Kerstin Vogel

Die kritischen Untertöne konnte man beim Besuch von Heinrich Bedford-Strohm am Mittwoch in Attaching schon draußen vor der Franziskuskapelle wahrnehmen. "Die Freisinger Katholiken bedanken sich beim evangelischen Landesbischof für seine Hilfe im Kampf gegen die dritte Startbahn", stand da groß auf ein Plakat geschrieben - und natürlich war das vor allem eine Botschaft an den obersten Katholiken im Erzbistum München und Freising, Reinhard Marx. Denn schon mehrfach haben die Startbahngegner aus Freising und Attaching versucht, den Kardinal zu einer klaren Aussage gegen den weiteren Flughafenausbau zu bewegen - bislang vergeblich.

Bedauerlicherweise halte sich der katholische Erzbischof beim Thema Startbahn sehr vornehm zurück, kritisiert Ludwig Grüll, Sprecher der Organisation Plane Stupid Germany. Kardinal Marx habe "über Dritte" nur lapidar ausrichten lassen, "dass er sich nicht zu positionieren gedenkt", so Grüll weiter: "Im Gegensatz zum evangelischen Landesbischof meidet der katholische Oberhirte sowohl den Ort als auch das Gespräch."

Bedford-Strohm dagegen fand bei der Mittagsandacht in der kleinen Attachinger Kapelle deutliche Worte. Der Streit um die dritte Startbahn habe den Ort "im Kern erschüttert", sagte er. Viele der Menschen hier hätten Angst, durch den Flughafenausbau ihre Heimat zu verlieren und es gebe "gute Gründe" für diese Sorge. Auch nach dem Bürgerentscheid in München bleibe die Ungewissheit, so der Landesbischof: "Und die Wunden, die der Streit geschlagen hat, die bleiben auch."

Ganz klar unterstrich Bedford-Strohm, dass die Menschen auch für "die außermenschliche Natur" verantwortlich seien. Auch diese gehöre zur Schöpfung und müsse bewahrt werden, denn, so der Landesbischof: "Die Ausbeutung der Natur steht im Widerspruch zum christlichen Glauben." Der evangelische Geistliche verschwieg nicht, dass auch er den Flughafen nutzt, schon weil er die Hälfte seiner in den USA und Südafrika lebenden Familie sonst nie zu Gesicht bekommen würde. Gleichwohl gelte es, die Zahl der Flüge soweit wie möglich zu begrenzen und Preise für das Fliegen zu verlangen, "die auch die ökologische Wahrheit sagen", forderte er. Allein das hätte schon Auswirkungen auf die Wachstumsprognosen, ist Bedford-Strohm überzeugt: "Wir können uns in Deutschland und weltweit keine Zunahme der Flugbewegungen mehr wünschen." Den Startbahngegnern sei anzurechnen, dass die Hürden für eine Wiederaufnahme des Flughafenausbaus mittlerweile sehr hoch lägen - und dass die Auseinandersetzungen stets zivil geblieben seien. Es sei nicht selbstverständlich, dass ein Flughafenchef zu Veranstaltungen der Ausbaugegner kommen könne - ohne Polizeischutz, lobte Bedford-Strohm: "Danke für diesen Beitrag zur Streitkultur."

Freisings Dekan Jochen Hauer hatte zuvor den Besuch des Landesbischofs in Attaching als ein Zeichen der Solidarität bezeichnet - auch wenn die Unterstützung seitens der evangelischen Kirche nicht überraschend kommt: Die evangelische Landessynode hat sich in der Vergangenheit bereits gegen einen weiteren Ausbau des Münchner Flughafens positioniert. Dass die katholische Kirche mit Bischof Marx an der Spitze sich hier ebenso eindeutig äußern würde, wünscht man sich in Freising und Attaching schon deshalb, weil ihr Grundstücke gehören, die für die dritte Startbahn benötigt würden. Etliche katholische Kirchenleute aus Freising haben sich klar gegen die Erweiterung des Flughafens ausgesprochen, allen voran Weihbischof Bernhard Haßlberger, zahlreiche Pfarrer, der Kreiskatholikenrat sowie Laienorganisationen. Marx selber hatte vor drei Jahren, damals noch nicht Kardinal, mitteilen lassen, dass die Kirche ihre Grundstücke nicht verkaufen oder eintauschen wird. Nur positionieren will er sich offenbar nicht.

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