Süddeutsche Zeitung

Attaching:Der Protest weitet sich aus

Am Wochenende findet die "Erste Internationale Flughafen-Anwohner-Konferenz" statt. Geplant sind Vorträge, ein Kurs in zivilem Ungehorsam und ein eigenes Manifest

Von Maximilian Gerl

Während die bayerische Staatsregierung weiter am Flughafenausbau festhält, intensivieren die Gegner der dritten Startbahn ihre Bemühungen: Von 21. bis 23. Juni findet in Attaching die "Erste Internationale Flughafen-Anwohner-Konferenz" statt. Erwartet werden laut Organisatoren bis zu 200 Gäste aus Deutschland und dem europäischen Ausland. Gemeinsam wolle man sich gegen die Ausweitung des Luftverkehrs stark machen und Geschlossenheit gegenüber der Politik und den Flughafenbetreibern demonstrieren. Am Sonntag soll dazu auch ein sogenanntes "Attachinger Manifest" verabschiedet werden.

Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch machten die Veranstalter ihre Ziele klar. "Wir wollen den Flughafenbetreibern etwas entgegensetzen", erklärte Helga Stieglmeier vom Aktionsbündnis AufgeMUCkt. Zusammen mit den Aktivisten von plane stupid - einer international agierenden Gruppe, die sich gegen den Ausbau des weltweiten Flugverkehrs wendet - habe man sich deshalb entschlossen, eine Konferenz ins Leben zu rufen. Stattfinden soll sie ausgerechnet in der Sporthalle von Attaching, die im Falle einer dritten Startbahn geschlossen werden müsste. "Wir rechnen mit 150 bis 200 Leuten", sagte Stiglmeier. Viele kämen aus Köln, Berlin, Frankfurt oder Leipzig, wo es ebenfalls häufig Streitigkeiten zwischen Anwohnern, Politik und Flughafenbetreibern gebe. Außerdem würden Gäste aus Wien, Brüssel, Zürich, London und Paris erwartet. Die Anreise der Konferenzteilnehmer erfolge übrigens selbstverständlich nicht per Flugzeug, sondern mit dem Zug bis nach Freising. Von dort gehe es dann mit einem eigenen Shuttle-Service weiter nach Attaching.

Für den Samstag ist zunächst eine Vortragsreihe zu verschiedenen Themen geplant. "Ich glaube, wir haben eine gute Mischung aus fundierter Wissenschaft und Aktivismus gefunden", sagte Florian Sperk, Sprecher von plane stupid. Am Sonntag möchte seine Organisation dann ein "Kampagnentraining" veranstalten, das jedoch eher an einen Schnellkurs in "zivilem Ungehorsam" erinnert: Die Teilnehmer sollen lernen, wie sie Dinge tun, "die vorher nicht angemeldet werden können" - wie man also beispielsweise eine Startbahn besetzt, sich an ein Tor kettet oder eine Sitzblockade errichtet. "Natürlich gewaltfrei", betonte Sperk. Er ist überzeugt, dass es "in Deutschland eine neue Bürgermacht mit vielen älteren Menschen" gebe, die daran interessiert sei, solche alternativen Formen des Protestes zu erlernen.

AufgeMUCkt-Sprecherin Stiglmeier kündigte darüber hinaus ein "Attachinger Manifest" an, das nach der Konferenz an die nationalen Parlamente sowie an die Europäische Union übergeben werde. Im Manifest würden die grundlegenden Ziele der Bürgerinitiativen festgehalten, schließlich habe man "viele gemeinsame Anliegen", so Stiglmeier. Dazu zählten unter anderem ein striktes Nachtflugverbot, eine europaweite Ticketsteuer und der Stopp des Flughafenausbaus. Außerdem wolle man Geschlossenheit und Solidarität demonstrieren: "Wir lassen uns nicht mehr von den Flughafenbetreibern gegeneinander ausspielen."

Genau das ist es nämlich, was die Flughafengegner am meisten fürchten: dass sich einzelne Bürgerinitiativen mit einer Lösung zufrieden geben, die sie selbst zwar entlastet, dafür Menschen in anderen Regionen aber belastet. Für Aktivist Sperk ein "Sankt-Florians-Prinzip", das es zu verhindern gelte: Der Protest müsse über die eigene Betroffenheit hinausgehen und zu einem gesamtgesellschaftlichen Anliegen werden. Unter den Konferenzteilnehmern herrsche in dieser Hinsicht bereits so etwas wie Aufbruchsstimmung, berichtete Sperk. Sie alle hätten das Gefühl, dass nun "etwas Neues zustande kommt."

Wenn man den Aussagen der Veranstalter traut, freuen sich auch die Attachinger selbst auf die Konferenz. Anwohner Franz Spitzenberger, einer der Kläger im VGH-Prozess gegen den Planfeststellungsbeschluss für die dritte Startbahn, fühlt sich jedenfalls deutlich den Rücken gestärkt. "Die Solidarität tut uns gut", fasste er stellvertretend für sich und seine Nachbarn zusammen.

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Quelle:
SZ vom 20.06.2013
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