Artenvielfalt zuhause:Der Mähroboter hat Hausverbot

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Wild wuchernde Gräser, Sandhaufen, Insektenhotels und eine blauflügelige Ödlandschrecke - der Garten von Christine Margraf und Manfred Drobny inmitten der Vöttinger Wohnbebauung ist ein kleines Naturparadies.

Von Kerstin Vogel, Freising

Auf den ersten Blick sieht der Garten aus, als kümmere sich einfach keiner darum. Disteln und wild wuchernde Gräser und Blumen, dazwischen ein paar kleine Bäume, ein Sandhaufen, ein kaum befestigtes, leicht sumpfiges Wasserloch und Trampelpfade statt einer gemähten Wiese. Die Terrasse ist nicht gepflastert, dafür stehen ein paar Töpfe herum, zwischen ein paar Steinen wächst vermeintliches Unkraut. "Manchmal bleiben schon Leute am Gartenzaun stehen und tuscheln", sagt Christine Margraf und lacht. "Keine Ahnung, was die sich denken."

Mit dem großen Kescher fangen Christine Margraf und Manfred Drobny ab und zu mal ein, was da an Insekten in ihrem Naturgarten wohnt. In der Becherlupe werden die Arten dann bestimmt - und anschließend natürlich wieder freigelassen. (Foto: Marco Einfeldt)

Margraf hat den Garten zusammen mit ihrem Lebensgefährten Manfred Drobny angelegt, und dass sich die beiden nicht darum kümmern würden, kann man nun wirklich nicht behaupten. Tatsächlich hat das Paar hier auf 200 Quadratmetern Gartenfläche inmitten der Vöttinger Wohnbebauung ein kleines Naturparadies geschaffen, in dem es von unzähligen Insektenarten nur so wimmelt, wo Igel wohnen und Fledermäuse ebenso vorbeischauen wie ein Waldkauz und ein kleines Mauswiesel.

Besser als Fernsehen

Wirklich überraschen muss einen das nicht, schließlich sind Margraf und Drobny beruflich in verschiedenen Funktionen beim Bund Naturschutz tätig, trotzdem ist der Garten ihr Hobby, wie Margraf erzählt: "Einen Fernseher brauchen wir eigentlich nicht, was hier passiert, ist viel besser."

Wildbienenhotels und ein Holzstapel bieten Lebensräume, ohne dass damit besonders großer Aufwand verbunden wäre. (Foto: Marco Einfeldt)

Tatsächlich kann, wer nur ein wenig genauer hinsieht, alsbald Unglaubliches zwischen all den Gräsern und Wildblumen entdecken: Ein Schwalbenschwanz kommt zu Besuch, an den Blüten der Nachtkerze tut sich eine Wildbiene gütlich, und im sandigen Untergrund auf dem Weg zu dem kleinen Teich hat sich eine Wespenart vergraben. Für die Arten, die ihre Nester im Boden bauen, brauche es in so einem Naturgarten außer Insektenhotels auch Flächen mit Rohboden, erklärt Margraf, warum sie hier auf Pflaster verzichtet haben.

Gerade von den Wespen, die andernorts - verbotenerweise - oft massiv bekämpft werden, kann Margraf die tollsten Geschichten erzählen. So hat sie fasziniert beobachtet, wie eine Weg-Wespe eine mindestens ebenso große Spinne erbeutet und in ihr Loch gebracht hat. Zu dem Feld-Wespennest unter dem Dach der Doppelhaushälfte haben die Tiere während der Hitze der vergangenen Wochen Wasser aus dem Teich hinaufgeflogen, um ihre Bleibe dort zu kühlen.

Disteln sind unter anderem bei Steinhummeln sehr beliebt. (Foto: OH)

Wenn Manfred Drobny wissen will, was da gerade so an Insekten in seinem Garten unterwegs ist, streift er mit einem großen Kescher durch die Gräser und über die Blüten. An diesem Tag geht ihm die mittlerweile vierte Heuschreckenart ins Netz, der Blick durch die Becherlupe und anschließend in das entsprechende Buch ergibt, dass es sich um eine Säbeldornschrecke handelt. Sogar eine blauflügelige Ödlandschrecke, eine extrem seltene Art, habe schon auf ihrer Terrasse gesessen, erzählt Margraf mit leuchtenden Augen: "Der Manfred wollte es erst gar nicht glauben."

"Passend zu Freising"

Unglaublich ist die enorme Vielfalt der Insekten rund um das Wohnhaus in Vötting auch, weil der Garten noch gar nicht so alt ist. Margraf und Drobny haben ihn erst vor zwei Jahren neu angelegt - und so wild die Fläche heute aussieht, so durchdacht ist ihr Zustandekommen. Das Saatgut für die Wiese stammt von dem regionalen Produzenten Johann Krimmer in Pulling. Er hat es speziell für den schweren Lehmboden und "passend zu Freising" zusammengestellt, wie Margraf sagt: "Das ist dann supergut angegangen, und wir reichern es jetzt mit Spezialitäten an, die für die Insekten wichtig sind".

Und so wachsen in dem Garten fast ausschließlich heimische Pflanzen, die bei den Distelfinken äußerst beliebten Nachtkerzen beispielsweise, oder die bei Insekten sehr begehrten Arten Herzgespann, Eibisch, Thymian und Wilde Möhre. Es blüht fast durchgängig vom Huflattich im Februar bis zu den Astern im Herbst - und zur Pflege simulieren Margraf und Drobny quasi eine extensive Beweidung. Das heißt unter anderem, dass nur partiell mit der Sense gemäht wird und dass die Pflanzen zum Teil nach der Blüte noch einmal zurückgeschnitten werden, um einen neuen Austrieb herbeizuführen.

"Bei der Trockenheit heuer waren die Pflanzen alle viel zu schnell durch mit der Blüte", sagt Margraf: "Das ist eine besondere Herausforderung." Keinesfalls darf auch einfach alles abgeschnitten werden, was verblüht ist, denn die Samen bieten Insekten wie auch Vögeln Futter und manch eine Heuschreckenart legt ihre Larven in Pflanzenstängeln ab.

Außerdem wurde bei der Anlage des Gartens Wert darauf gelegt, verschiedene Standorte bieten zu können, es gibt feuchte Ecken, aber auch einen Bereich, in dem für die Wildbienen ein trockenes Sandeck angehäuft wurde. Es gibt einen Holzstapel und den kleinen Teich, der zwar nur gut einen Quadratmeter groß ist, aber mit seinen verschiedenen Zonen ebenfalls Vielfalt auf kleinstem Raum bietet. Selbst hergestellte Insektenhotels haben die beiden aufgehängt, Nistkästen, natürlich, für Vögel und Fledermäuse - und im vorderen Teil des Gartens pflegen Margraf und Drobny ihre Nutzpflanzen. Alte Tomatensorten finden sich hier, Bohnen, verschiedene Kräuter wie Lavendel und Thymian an einer Trockenmauer oder die historische Miezi-Schindler-Erdbeere.

Mit Schädlingen haben die beiden in ihrem Naturgarten noch nie Probleme gehabt. Natürlich könnten Weißlinge beispielsweise den Kohlrabi fressen und Schlupfwespen würden Wildbienen angreifen, sagt Drobny. Das sei der normale Lauf in der Natur: "Wenn man aber auf die entsprechende Vielfalt achtet, dann kann sich da nichts ausbreiten, was wirklich Tabula Rasa macht." Gefährlicher sind für die Artenvielfalt in so einem Garten schon die Katzen, die aber das hohe Gras nicht so besonders schätzen, wie Drobny erklärt.

Und der Mähroboter aus dem Nachbargarten, sagt er augenzwinkernd. Der darf auch nicht rüberkommen . . .

© SZ vom 18.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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