Artenvielfalt:"Wir stehen an einem Scheidepunkt"

Artenvielfalt: Jeder kann etwas für den Artenschutz tun, sagt Matthias Maino, etwa das Einkaufsverhalten ändern und Gärten und Balkone naturnäher gestalten.

Jeder kann etwas für den Artenschutz tun, sagt Matthias Maino, etwa das Einkaufsverhalten ändern und Gärten und Balkone naturnäher gestalten.

(Foto: Marco Einfeldt)

Matthias Maino vom Landschaftspflegeverband hält alles für sinnvoll, was mehr Lebensraum für Insekten schafft - auch das Volksbegehren zum Artenschutz.

Interview von Gudrun Regelein, Freising

Treffpunkt für das Gespräch mit Matthias Maino ist der Innenhof des Landratsamts. Optimal sei diese kleine grüne, kurz gemähte Rasenfläche in der großen asphaltierten Fläche nicht gerade, gibt er zu. Auch die Kommunen könnten bei den öffentlichen Grünflächen einen Beitrag leisten, um wieder mehr Lebensräume für Insekten zu schaffen, sagt der Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbands Freising im Gespräch mit der SZ Freising.

SZ: Herr Maino, haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet? Weit über 1,7 Millionen Menschen, 18,7 Prozent der Wähler in Bayern, haben beim Volksbegehren "Rettet die Bienen" unterschrieben.

Matthias Maino: Damit habe ich niemals gerechnet. Ehrlich gesagt war ich verblüfft, dass das Begehren durchging - denn letztendlich hat das Ergebnis ja nun eine Gesetzesänderung mit erheblichen Konsequenzen für die konventionelle Landwirtschaft zur Folge.

War auch der Landschaftspflegeverband Bündnispartner?

Nein, und das war eine ganz bewusste Entscheidung. Wir haben uns schon früh dafür entschieden, politisch keine Stellungnahme zu beziehen. Der Landschaftspflegeverband ist die Schnittstelle und der Vermittler zwischen den Kommunen, den Landwirten und Naturschützern. Eine politische Neutralität ist da sinnvoll.

Aber die Ziele der Initiatoren des Volksbegehrens sind in großen Teilen auch die des Landschaftspflegeverbands?

Inhaltlich stimmen die tatsächlich mit der Umsetzung des Arten- und Biotopschutzprogramms überein. Und das möglichst zusammen mit den Landwirten - so, wie es in unserer Satzung steht. Genau das findet sich auch im Volksbegehren, nämlich den Lebensraum für Insekten zu erhalten oder wiederherzustellen. Vor etwa 30 Jahren, als ich den Landschaftspflegeverband aufbaute, war das in der Öffentlichkeit noch nicht groß im Gespräch. Jetzt bekam es eine neue Headline und wurde weltweit zum Thema.

Derzeit gibt es beim Thema Bienen einen Hype. Denken Sie, dass das in einem Jahr schon wieder ganz anders sein wird?

Das kann durchaus so sein. Bei dem Thema werden oft Katastrophenszenarien gezeichnet, es wird den Menschen Angst gemacht. Ich denke da an den Satz, der Albert Einstein in den Mund gelegt wird und derzeit immer wieder auftaucht: "Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben." So etwas führt zu einem Hype, aber nicht zu Vernunft und Taten. Die aber sind wichtig.

Was genau wäre wichtig?

Wir müssen von ganz unten anfangen und neuen und passenden Lebensraum für Insekten schaffen - beziehungsweise vorhandenen erhalten. Die bauchige Windelschnecke beispielsweise hat nur noch eine sehr geringe Verbreitung. Sie lebt in Sumpfwäldern und Quellsümpfen. Die gibt es aber durch die Trockenlegung nicht mehr besonders häufig, die Art ist sehr stark gefährdet. Da muss man ansetzen. Grundsätzlich geht es aber nicht um den Verlust eines einzelnen Exemplars, sondern es geht um den Verlust von Lebensraum, der Folge einer jahrelangen intensiven Landbewirtschaftung ist. Man dachte, der Garten Eden sei unerschöpflich - ist er aber nicht.

Sind die konventionellen Landwirte jetzt alleine in der Verantwortung?

Nein, das sind sie nicht. Grundsätzlich sind wir alle in der Verantwortung, insbesondere wir als Konsumenten. Fast alle Flächenbesitzer haben Strukturen, die für Wildarten notwendig sind. Egal ob Biobauer oder konventioneller Landwirt. Wenn man für die da zu leistende Arbeit Geld ausgibt, wird das Land auch zur Verfügung gestellt und die Arbeit erledigt werden. Die Frage ist also, ob wir uns das leisten können. Ich verurteile die konventionellen Landwirte nicht, sie denken ökonomisch und das macht doch jeder. Abgesehen davon war die Achtsamkeit gegenüber der Natur nicht Thema ihrer Ausbildung. Der Biotop- und Artenschutz gehörte bisher nicht zu ihrer Arbeit.

Falls die Forderungen des Volksbegehrens umgesetzt werden, könnte dann eine deutliche Verbesserung erreicht werden?

Die Forderungen sind zielführend. Aber ehrlich gesagt, halte ich momentan alles für sinnvoll, was mehr Lebensraum schafft oder vorhandenen erhält. Denn wir stehen an einem Scheidepunkt. Was wir aber wie eine Monstranz vor uns hertragen, ist die Freiwilligkeit. Wenn aus Freiwilligkeit ein Muss wird, dann habe ich Zweifel, ob es funktionieren kann. Das ist eine Gratwanderung. Jetzt aber haben wir die Unterstützung der Öffentlichkeit - fast 20 Prozent sagen, wir wollen das.

Aber nur zu unterschreiben reicht doch nicht aus. Was kann der Einzelne tun?

Viel. Langfristig gesehen sein eigenes Verhalten umstellen. Keine pflanzenlose Steingärten anlegen oder den Rasen millimeterkurz mähen. Keine Spritzmittel im Garten versprühen. Sein Einkaufsverhalten verändern. Ich denke, dass eine Rückkehr zum menschlichen Maß unbedingt notwendig ist. Muss ich jährlich 30 Kilogramm Schweinefleisch essen? Muss ich tatsächlich auf die Malediven fliegen? Wieso kann nicht auch das Einfache erfüllend sein?

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