Artenschwund:Blühstreifen: Besser als nichts

Artenschwund: Unterstützt werden auch die Neuanlagen von Blühstreifen am Straßenrand.

Unterstützt werden auch die Neuanlagen von Blühstreifen am Straßenrand.

(Foto: Marco Einfeldt)

Kommunen und Landwirte pflanzen an Straßen und Feldern Blühstreifen. Das sieht hübsch aus und ist nützlich. Ein Allheilmittel gegen das Insektensterben ist das nicht, weil die Tiere dort Abgasen und Spritzmitteln ausgesetzt sind.

Von Gudrun Regelein und Alexandra Vettori

Blühstreifen sind en vogue, nicht erst seit dem Volksbegehren "Rettet die Bienen": Kommunen pflanzen an Straßen Blumenmischungen, manch ein Landwirt macht das am Feldrand. Firmen nehmen an Insektenfreundlichkeits-Wettbewerben teil. Das Problem: Die bunten Blumen erfreuen das Auge und bieten Nahrung für Insekten, sind aber keineswegs ein Allheilmittel gegen das Artensterben.

Grundsätzlich seien Blühstreifen gut, sagt Manfred Drobny, Geschäftsführer beim Freisinger Bund Naturschutz (BN). Das Ziel des Volksbegehrens aber, die Insekten- und Artenvielfalt zu fördern, sei damit nur "beschränkt zu erreichen". Weshalb, kann der Freisinger Grünen-Stadtrat erklären: Bei Blühstreifen an Straßen seien Abgase für Insekten schädlich, vom nächtlichen Scheinwerferlicht mal abgesehen. Und Blühstreifen entlang konventionell bewirtschafteter Äcker seien wegen der Spritzmittel nutzlos, "das kann man eigentlich vergessen". Kritisch sieht der Naturschützer den häufig zu frühen Mähzeitpunkt der noch in voller Blüte stehenden Streifen. Ebenso die Mähart, bei der die Insekten mit eingesaugt werden. Insgesamt, so Drobny, seien die Blühstreifen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein - das eigentliche Problem damit aber nicht zu lösen. Auch der Landesbund für Vogelschutz (LBV) fordert, Kriterien einzuhalten, weil Blühstreifen sonst nutzlos für den Artenschutz sind. Etwa eine Mindestbreite von zehn Metern und eine längere Wuchszeit als einige Monate. Blühstreifen seien laut LBV kein Ersatz für Lebensräume und Strukturen, deren massiver Verlust zum Artenschwund geführt habe, etwa Hecken, Rainen, Weg- und Ackerränder.

Die Blühpatenschaft von Landwirt Wildgruber läuft gut

Die Blühpatenschaften, die einige Bauern anbieten, nennt der LBV zwar begrüßenswert, ihren naturschutzfachlichen Sinn aber fraglich. In der von Ackerwirtschaft dominierten Agrarlandschaft reichten Blumenstreifen nicht, um die Artenvielfalt zu erhalten. Martin Wildgruber aus Niederhummel ist einer der Landwirte, die es mit den Patenschaften versuchen: "Ich will zeigen, dass wir Bauern was machen, wenn es bezahlt wird." 2,5 Hektar Ackerland hat er jetzt in eine Blumenwiese umgewandelt, die Resonanz auf sein Angebot war groß: 140 Menschen haben je 50 Euro gezahlt. Ob es ein einjähriges oder mehrjähriges Projekt wird, liegt an den Leuten, sagt Wildgruber. Das Blühfeld zwischen Moosburg und Langenbach liegt günstig, was die Artenvielfalt anbelangt, zwischen Wald und einem Ökofeld. Den Vorwurf der Abzocke, der manch einem Bauer gemacht wird, weil er das Patengeld und die Staatszuschüsse für Brachen einstreicht, weist Wildgruber zurück: "Ich lasse mir nicht in die Schuhe schieben, dass ich doppelt kassiere." Er hat keine Zuschüsse dafür beantragt. Dass eine generell extensivere Landwirtschaft das Beste für die Artenvielfalt wäre, ist aber auch ihm klar: "Wenn der Verbraucher genauso viel Geld für Lebensmittel ausgibt, wie für Auto, Handy, Urlaub und andere Statussymbole, hätten wir Landwirte kein Problem, extensiver zu wirtschaften."

Auch in den Kommunen macht man sich Gedanken über Optimierungen. In Hallbergmoos lässt man sich, angestoßen von einem Bürgerantrag, von der Freisinger Firma Grünplan ein richtiges Konzept für das öffentliche Grün erstellen. Geplant sind Blühwiesen an Straßen, auf Kreiseln, und Straßenrändern, aber auch dauerhafte Blühflächen mit extensivem Mähen und Gehölzen. Der Hallbergmooser CSU-Gemeinderat und Landwirt Christian Krätschmer hat noch eins draufgesetzt: Er beantragte im Gemeinderat erfolgreich einen Wettbewerb: Für jeden Quadratmeter Blumenwiese, den Privatleute in Hallbergmoos anlegen, schaffen örtliche Landwirte fünf Quadratmeter an den Feldrändern.

Es braucht ein Gesamtkonzept

Die Freisinger Grünlandbeauftragte im Rathaus, Heidi Kammler, fordert ebenfalls ein Gesamtkonzept für die Domstadt. Nur willkürlich Blühstreifen anzulegen, reiche nicht. Derzeit wählt man mit dem Liegenschaftsamt geeignete städtische Grundstücke für Blumenwiesen oder Streifen aus. Auch Drobny vom Bund Naturschutz attestiert Freising, auf gutem Weg zu sein. Die vielen heimischen Arten und Dauerkulturen der Grünflächen böten Insekten Lebensraum. Zudem werde dort kein Gift verspritzt.

Obstwiesen und Biotope pflegt der Freisinger Landschaftspflegeverband schon lange, im Vorjahr hat er erstmals auch einen acht Kilometer langen Blühstreifen gesät. Ein "Hammerprojekt" findet Geschäftsführer Matthias Maino. Die von der Regierung geförderte Maßnahme wurde auf ohnehin schon der Natur gewidmeten Feldstreifen auf Kirchengrund bei Neufahrn realisiert. Heuer geht es weiter, gemeinsam mit dem Heideflächenverein sollen Blühstreifen auf ungenutzten Flächen der Garchinger Heide und der Isarauen entstehen.

Auch in Eching sind Blühstreifen schon länger ein Thema, nicht erst seit dem Volksbegehren, betont Georg Metz aus dem Rathaus. Sie seien für den Bürgerhaushalt vorgeschlagen worden und seither überall in der Gemeinde zu finden. Am Hollerner See entstand sogar eine Blühwiese. In Neufahrn legt der Bauhof ebenfalls schon seit Jahren Blühstreifen an. Weil es so gut angekommen sei, wurden es nach und nach immer mehr Wiesenstreifen "Auf dem Friedhof beispielsweise führt mittlerweile über die ganze Wiese ein breiter Blühstreifen", berichtet Pressesprecherin Nicole Dobner und betont, man nutze jetzt auch eine mehrjährige Mischung. Dass aber immer wieder wilde Straßenränder gemäht werden, auch wenn dort Wegwarten und andere Blumen blühen, erklärt sie mit der Verkehrssicherungspflicht: "Sichtdreiecke, Leitpfosten und dergleichen müssen freigehalten werden."

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