Arsen, Blei und Quecksilber:Angst vor Gift

Firma möchte bei Gammelsdorf Bentonit abbauen und die Grube mit stark belastetem Material auffüllen

Petra Schnirch

Für die meisten Gammelsdorfer war der große Krater wenige hundert Meter außerhalb der Ortschaft bis vor kurzem eine von vielen Kiesgruben, wie sie im Nordosten des Landkreises zum Landschaftsbild gehören. Für die Kinder war das Areal "Auf dem Brand" ein großer Abenteuerspielplatz. Entsprechend schockiert reagierten die Anwohner, als sie erfuhren, dass dort bereits seit 2007 belastetes Material verfüllt wird. Nun will der Betreiber, die Firma Neuhaus & Giebisch aus Wörth, die Grube erweitern, um das Tonmineral Bentonit und Kies abzubauen - und noch stärker kontaminiertes Material abzuladen. Um dies zu verhindern, hat sich nun die Interessengemeinschaft "Sauberes Gammelsdorf" gebildet. Der Gemeinderat hat sich Mitte Juni gegen diese Pläne ausgesprochen, darüber entscheiden wird jedoch das Bergamt der Regierung von Oberbayern. Sollte die Behörde die Verfüllung genehmigen, will die Gemeinde klagen, kündigt Bürgermeister Paul Bauer an. "Wir sind auf einer Linie mit der Interessengemeinschaft." Was die Gammelsdorfer vor allem beklagen, ist, dass sie kaum Informationen bekommen. "Wir bauen ein Puzzle zusammen", sagt Archus Neumeier. Seine Firma und sein Wohnhaus liegen auf der anderen Straßenseite, nur 250 Meter von der Grube entfernt. Bisher sei kein Behördenvertreter bereit, sich den Fragen der Gammelsdorfer zu stellen. "Wir hätten aber gerne Antworten", sagt Peter Stieglmeier. Gemeinsam mit Neumeier und Daniela Söker bildet er den Kern der Interessengemeinschaft. Zu den wenigen Daten, die relativ einfach zu ermitteln waren, zählen die Grenzwerte für die Schadstoffbelastung. Bisher darf sogenanntes Z1.2-Material deponiert werden, also überwiegend Bauschutt aus Gewerbebetrieben. Künftig soll es nach dem Willen des Betreibers Z2-Material sein, darunter fällt laut Stieglmeier auch Schlacke aus Müllverbrennungsanlagen. Was die Besucher einer ersten Informationsveranstaltung im Ort besonders schockte: Stieglmeier rechnete die zulässige Giftstoff-Belastung hoch: Während die Tabelle die Höchstwerte pro Kilogramm ausweist und deshalb "nicht so schlimm ausschaut", sieht es bei einer Lastwagen-Ladung mit 24 Tonnen ganz anders aus: Bei Z2 sind demnach bis zu 3,2 Kilogramm Arsen zulässig, 24 Kilogramm Blei und 240 Gramm Quecksilber. Bei dem bisher schon erlaubten Z1.2-Material sind es immerhin noch 1,2 Kilogramm Arsen, 7,2 Kilogramm Blei und 72 Gramm Quecksilber. "Ich habe mehrmals nachgerechnet, weil ich es gar nicht glaubten konnte", schildert Stieglmeier. Die Grube ist dennoch nicht eingezäunt, seit wenigen Tagen steht dort laut Neumeier immerhin ein Schild mit dem Hinweis: "Betreten verboten". Was die Interessengemeinschaft neben der Gefahr für spielende Kinder und aufgrund des aufgewirbelten Staubs umtreibt, ist die Sorge um eine Belastung des Grundwassers. Deshalb soll auch die Bevölkerung in Nachbargemeinden wie Bruckberg über die Risiken informiert werden. Denn dass es irgendwann einmal Probleme geben wird, stehe fest, sagt Neumeier und verweist auf das hydrogeologische Gutachten, das dem Antrag des Betreibers beiliegt. Dort heißt es, dass die Sickerdauer auf "24 bis 173 Jahre" abgeschätzt werde. "Das macht sprachlos", meint Stieglmeier. Laut Verordnung dürfe überhaupt nichts durchsickern. Unterdessen liegen die Genehmigungsunterlagen beim Bergamt. Offenkundig ist man dort leicht verschnupft ob der Anrufe der Interessengemeinschaft. Zu einer Informationsveranstaltung sei die Behörde bisher nicht eingeladen worden, "wenn man von mündlichen Äußerungen, man werde die Beamten 'vorladen' absieht", lässt Heinrich Schuster, Sprecher der Regierung von Oberbayern, wissen. Bei einer sachlichen Versammlung werde das Bergamt "natürlich über die Rahmenbedingungen informieren". Im Übrigen bestehe kein Anlass zur Besorgnis. Umweltaspekte würden selbstverständlich geprüft. Der Geschäftsführer der Firma wollte sich nicht äußern. Die Interessengemeinschaft sammelt weiter Unterschriften gegen das Vorhaben, die sie dem Bergamt vorlegen will. Auch ein Flyer mit Informationen soll demnächst verteilt werden. Außerdem hoffen die Gammelsdorfer auf einen "Fürsprecher" aus der Politik, der sich ihrer Sache annimmt. Weitere Informationen: www.giftdeponiegammelsdorf.de.

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