Arbeitsagentur zieht Bilanz:Mühselige Nachwuchssuche

Arbeitsagentur zieht Bilanz: Das Bauhandwerk hat es bei der Suche nach Azubis besonders schwer, klagt Kreishandwerksmeister Reiter.

Das Bauhandwerk hat es bei der Suche nach Azubis besonders schwer, klagt Kreishandwerksmeister Reiter.

(Foto: Marco Einfeldt)

Für die Auszubildenden ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt nahezu paradiesisch. Deutlich negativer fällt die Bilanz der Betriebe aus. Sie klagen über einen spürbaren Fachkräfte- und Lehrlingsmangel

Von Petra Schnirch, Freising

Sie werde immer wieder auf die "paradiesischen" Zustände in ihrem Bezirk angesprochen, sagte Karin Weber, Chefin der Arbeitsagentur Freising, am Donnerstag bei einem Pressegespräch. Sie selbst würde das Wort so nicht in den Mund nehmen. "Es kommt immer auf den Blickwinkel an." Für die Auszubildenden ist die Situation tatsächlich ausgesprochen gut. Ganze 30 Bewerber hatten in den vier Landkreisen Dachau, Ebersberg, Erding und Freising bis Ende September keinen Ausbildungsplatz gefunden. Dem standen 517 unbesetzte Stellen gegenüber.

Im Landkreis Freising waren 14 junge Leute noch unversorgt, acht weniger als vor einem Jahr. Insgesamt 1114 Bewerber hatten sich innerhalb des Berufsberatungsjahres bei der Arbeitsagentur gemeldet. Die Zahl der Angebote lag bei 1301, das waren 182 mehr als ein Jahr zuvor. Unbesetzt blieben bis Ende September 147 Plätze. Besonders viele Offerten gab es im Bereich Lagerlogistik. Chancen haben aber auch noch die jungen Leute, die bisher nichts gefunden haben oder die mit ihrer ersten Wahl unzufrieden sind: Bis Weihnachten könnten sie problemlos eine Ausbildung beginnen, sagte Weber.

Deutlich negativer fällt die Bilanz auf Seiten der Betriebe aus. Sowohl im Handwerk als auch im Handel gibt es einen deutlichen Fachkräfte- und Azubi-Mangel. Seit acht Jahren sei die Jugendarbeitslosigkeit in der Region besiegt, konstatierte der Erdinger Kreishandwerksmeister Rudolf Waxenberger. Auch durch Flüchtlinge lasse sich dieses Problem für die Betriebe vorerst nicht lösen, sagte sein Freisinger Kollege Martin Reiter. Lediglich 24 lernen im Landkreis derzeit einen Handwerksberuf, bei insgesamt 827 Ausbildungsverhältnissen. Das Bauwesen, das sich bei der Suche nach Lehrlingen seit Jahren besonders schwer tut, sei in ihren Herkunftsländern meist nicht sehr angesehen. Hoch im Kurs steht bei jungen Männern dagegen der Kfz-Mechatroniker mit insgesamt 50 Ausbildungsverträgen im Landkreis Freising.

Kritisch ist auch die Lage im Handel. "Es ist mühselig", bilanzierte Florian Kaiser von der IHK München und Oberbayern. Der Trend zu weiterführenden Schulen und zum Studium sei ungebrochen. Im Landkreis Freising gab es 620 Neu-Abschlüsse, das entspricht in etwa dem Wert des Vorjahres. Mit Kampagnen versuche man, der dualen Ausbildung wieder einen größeren Stellenwert zu verschaffen. "Wir hoffen, das Rad drehen zu können." Eine Zielgruppe seien Studienabbrecher.

Die Berufsschule zog ebenfalls Bilanz: Das Berufsschulzentrum Freising besuchen derzeit 2539 Schüler. Dort werden in speziellen Klassen auch 120 Jugendliche ohne Lehrstelle unterrichtet. Sie kommen zum Teil aus schwierigen Verhältnissen und gelten als noch nicht geeignet für eine Ausbildung. "Viele brauchen einfach ihre Zeit", sagte Christine Höfler als Vertreterin des Berufsschulzentrums. Sie empfahl, einmal genau hinzuschauen, warum vor allem Jungs in diesen Klassen sitzen. Sie frage sich, was da in den Schulen passiert. "Wird man den Jungs nicht gerecht?".

Auch für Flüchtlinge wird am Berufsschulzentrum viel getan. Es gibt dort laut Höfler insgesamt zehn sogenannte Berufsintegrationsklassen für diesen Personenkreis. Ziel ist es, dass die Geflüchteten innerhalb von zwei Jahren die deutsche Sprache erlernen und sich anschließend in der Berufswelt zurechtfinden. 51 besuchen aber bereits die jeweiligen Fachklassen - das heißt, sie haben eine Ausbildung gefunden, etwa als Bäcker oder Installateur. Zehn von ihnen haben sich für den Bereich Fachinformatik entschieden, der zurzeit boomt. Bisher gab es in Freising zwei Fachklassen, mittlerweile sind es drei.

Karin Weber betonte, dass die Arbeitsagentur sich bemühe, auch junge Leute in schwierigen Situationen zu unterstützen. "Unsere Devise ist: Kein Jugendlicher darf verloren gehen." Ein Beispiel ist das Modell der "assistierten Ausbildung". Die Azubis erhalten Nachhilfe und sozialpädagogische Betreuung. 60 junge Leute im Agenturbezirk nutzen dieses Angebot Etwa 20 Plätze sind laut Harald Brandmaier, Leiter der Berufsberatung, noch frei. "Das ist ein gutes Instrument", die Jugendlichen würden aber auch gefordert.

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