Süddeutsche Zeitung

Freisinger helfen der Wissenschaft:Forschen vor der eigenen Haustür

Auf dem Portal Baysics können Bürgerinnen und Bürger an einem Wissenschaftsprojekt zum Klimawandel mitwirken und Daten über Blühzeiten von Pflanzen liefern. Die Idee stammt von der Weihenstephaner Professorin Annette Menzel.

Von Petra Schnirch, Freising

Bei der Erforschung des Klimawandels setzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch auf die Mitwirkung interessierter Bürger. Für ein neues Projekt werden sie dazu aufgerufen, Daten zu liefern, wann Pflanzen vor ihrer Haustür austreiben und blühen. Wichtig sind solche Erkenntnisse auch für Allergiker. Eingetragen werden können die Informationen online im Portal Baysics, das Anfang des Jahres an den Start gegangen ist. "Um Aussagen für ganz Bayern treffen zu können, werden flächendeckende Beobachtungen benötigt", sagt Projektleiterin Annette Menzel, Professorin für Ökoklimatologie an der TU München (TUM) in Weihenstephan.

Von ihr stammt die Idee zu der Plattform Baysics, die Teil des Bayerischen Netzwerks für Klimaforschung ist und Daten zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Pflanzen, Tiere und Baumgrenzen in Bayern sammelt. Gleichzeitig soll den Bürgerinnen und Bürgern vermittelt werden, dass die Veränderungen bereits in ihrer unmittelbaren Umgebung zu spüren sind.

Eines der Mitmach-Projekte dreht sich um die Pollenbelastung

Eines der Mitmach-Projekte dreht sich um die Pollenbelastung. "Langjährige Messungen von Blühterminen geben Aufschluss darüber, ob sich der Beginn der Vegetationsperiode oder ganz spezifisch die Pollenflugzeit verändert", schildert Menzel. "Steigende Temperaturen wirken sich beispielsweise auf den Beginn der Blüte aus - und damit auch auf den Pollenflug." Ob sich auch die Dauer der Blühsaison verändere, sei dagegen noch nicht vollständig geklärt.

Wichtig sind diese Informationen auch für Allergiker. Die Haselblüte wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Aufgrund der tiefen Temperaturen der vergangenen Wochen beginnt sie an den meisten Orten etwas später. Da es milder geworden ist, werden sich in den kommenden Wochen die Blüten mehr und mehr öffnen und Pollen freisetzen. Es könnte sein, erklärt Menzel, dass zum Beispiel Gräser durch wärmeres Wetter eine längere Pollenflugsaison erfahren. Zudem sei bekannt, dass einige Pflanzen mehr Pollen bilden und freisetzen, wenn die atmosphärischen Kohlendioxidkonzentrationen ansteigen und dass diese auch aggressiver sein können. "Mit unserem Projekt wollen wir einige dieser Aspekte über die verschiedenen Regionen Bayerns untersuchen." Das Pollen-Forschungsprojekt leitet Geografie-Professorin Susanne Jochner-Oette von der Katholischen Universität Eichstätt.

Von der Mitarbeit der Bürger-Forscher profitiert nicht nur die Wissenschaft

"Von den Meldungen der Bürger-Forscher profitieren nicht nur die Wissenschaftler. Durch das kollektive Erfassen allergener Pflanzenarten "entsteht nach und nach eine Risikokarte", heißt es auf der Website. So könne ein Pollenallergiker bald einfach nachschlagen, welche Gegenden er besser meiden sollte. Bisher würden die Informationen nur an wenigen Pollenflugmessstationen gesammelt.

Auch Schulen will das Baysics-Team einbinden, um sie für das Thema Klimawandel zu sensibilisieren. Die Zusammenarbeit mit der Montessori-Schule in Freising musste wegen der Pandemie jedoch vorerst abgesagt werden, wie Menzel erzählt.

Teilnehmen können Naturinteressierte über ihr Smartphone per App oder am PC. Anmelden kann man sich auf der Website www.baysics.de. Sie können auch selbst experimentieren. Eine Anleitung dazu gibt es unter dem Punkt "Teccs". Mittelfristig sollen die Nutzer der Plattform laut Menzel in die Lage versetzt werden, "als kleines Spielzeug" selbst Fragestellungen zu bearbeiten - etwa wie sich der Austrieb der Pflanzen bei bestimmten Temperaturen verändert.

Befristet ist das Projekt Baysics vorerst bis April 2023, doch die Klimaforscherin hofft, dass es auch danach weitergeht. "Unser Ziel ist es, neue Erkenntnisse zu erhalten und die Forschung voranzutreiben. Zudem wollen wir die wissenschaftliche Arbeit für Bürgerinnen und Bürger transparenter und zugänglicher machen. Dafür haben wir unser Portal entwickelt."

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SZ vom 20.02.2021/axka
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