25 Jahre Stadtapotheke:"Solange es Spaß macht, mache ich weiter"

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Silvia Tüllmann hatte eigentlich Kunstgeschichte studieren wollen. Ihr damaliger Lehr-Chef schaffte es aber, sie für den Apothekerberuf zu begeistern. Als sich die Gelegenheit bot, übernahm Silvia Tüllmann die Stadtapotheke an der Bahnhofstraße in Freising. (Foto: Marco Einfeldt)

Inhaberin Silvia Tüllmann leidet mehr unter den Baustellen in der Freisinger Innenstadt als unter der Konkurrenz aus dem Internet.

Interview von Petra Schnirch, Freising

Vor 25 Jahren hat Silvia Tüllmann die Stadtapotheke an der Freisinger Bahnhofstraße übernommen. Eigentlich sollte sie dort nur einige Wochen als Vertretung arbeiten, entschied sich dann aber doch für den Sprung in die Selbständigkeit, da die Apotheke zum Verkauf stand. Die Freisinger SZ sprach mit Silvia Tüllmann, 67, über ihre Arbeit, wie sehr sich die Tätigkeit in den vergangenen Jahren verändert hat und über ihre Passion, die Jagd.

SZ: War Apothekerin schon immer Ihr Traumberuf?

Silvia Tüllmann: Das war es eigentlich nicht. Ich wollte Kunstgeschichte studieren, meine Eltern machten mir aber klar, dass ich davon unter Umständen nicht leben kann. Zu meiner Zeit war es noch so, dass man nach dem Vorexamen, einem zweijährigen Praktikum mit Abschlussprüfung, den Apotheker drei Trage vertreten und Nacht- und Sonntagsdienst leisten durfte. Ich hatte das Glück, einen Lehr-Chef zu haben, der mich für den Beruf des Apothekers begeisterte. Ein weiteres Studium schloss ich damals aber nicht aus.

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:Ein bisschen aufmüpfig

Apothekerin Silvia Tüllmann ist früh ungewöhnliche Wege gegangen

Aber Sie sind bei der Apotheke geblieben.

Ich bin dabei geblieben, weil ich nach meinem Staatsexamen vom richtigen Mann den richtigen Heiratsantrag bekommen habe.

Was macht den Beruf aus Ihrer Sicht besonders?

Zum einen das Wissen über verschiedene Fachbereiche, das man verknüpft. Wir müssen über Botanik und Chemie, aber auch über Krankheiten Bescheid wissen. Zum anderen der Kontakt zum Menschen. Für mich ist es wichtig, den Kunden kompetent zu beraten, auf ihn individuell einzugehen, egal ob es der Herr Professor oder der Huaba-Bauer ist. Außerdem möchte ich den Menschen etwas Positives mitgeben, ihnen das blaue Loch im Himmel zeigen.

Würden Sie aus heutiger Sicht noch einmal eine Apotheke übernehmen?

( überlegt) Ich glaube nicht. Der Beruf hat sich verändert. Es gibt jetzt die Apothekenketten und natürlich Internetapotheken. Eine Apotheke muss heute eine bestimmte Größe haben, wenn ich sie neu eröffne, um überleben zu können. Und die Vorschriften erdrücken uns immer mehr.

Zum Beispiel?

Da ist zum Beispiel der Datenschutz. In der Früh ist der erste Mitarbeiter erst einmal eine halbe Stunde damit beschäftigt, Zettel auszufüllen. Dabei wurde früher genauso sorgfältig gearbeitet. Dieser Bürokratismus, der sich einschleicht, gefällt mir überhaupt nicht, aber das ist ja mittlerweile in vielen Berufen so.

Was ist aus Ihrer Sicht das größte Problem, sind das die Internetapotheken?

Es ist die Summe aus allem. Dazu kommt die spezielle Situation in der Freisinger Innenstadt mit den Verkehrsproblemen. Außenrum liegen die Einkaufszentren mit großen Parkplätzen, in denen man alles erledigen kann.

Glauben Sie, dass es in zehn oder 15 Jahren überhaupt noch Apotheken in den Innenstädten geben wird?

Ich hoffe es.

Aber Sie sind sich nicht sicher?

Es wird, denke ich, schon noch alteingesessene Apotheken geben, die sich auf etwas Besonderes spezialisieren. Aber auch das ist nicht so einfach. Ursprünglich hat der Apotheker gelernt, vieles selber zu machen. Vor einigen Jahren hat das eine Renaissance erlebt, ist aber durch EU-Vorschriften wieder ziemlich beschnitten worden. Eine kleine Apotheke kann das gar nicht mehr leisten. Wenn ich zum Beispiel ein ätherisches Öl bekomme, das bereits geprüft ist, muss ich es hier, um es weiter verarbeiten zu können, noch einmal prüfen, weil auf dem Weg ja etwas hätte passieren können. Ich habe einen dicken Ordner mit Eigenprodukten, die wir früher hergestellt haben, aber das geht aufgrund der Vorschriften nicht mehr.

Spüren Sie den Konkurrenzdruck durch die Internetapotheken stark?

Was wir spüren, sind die Freisinger Baustellen in der Innenstadt. Das kommt erschwerend hinzu. Gott sei Dank haben wir viele Stammkunden.

Was wünschen Sie sich für die Innenstadt?

Die Stadt muss erreichbar sein. Eine Fußgängerzone ist nett und schön. Aber von der kann ein kleines Geschäft, sei es eine Boutique, ein Gemüseladen oder eine Apotheke, nicht leben. Wichtig ist auch, dass die Ärzte in der Innenstadt bleiben.

Das heißt, es sollte mehr Parkplätze im Zentrum geben?

In meinen Augen ist es ein Unding, die Stadt zu sanieren, bevor ich Parkplätze rund herum schaffe. Ich höre von Stammkunden vom Land immer wieder: Sie fahren in die Stadt, um Erledigungen zu machen. Wenn es passt, trinken sie auch einen Kaffee. Aber sie fahren nicht rein, nur um Kaffee zu trinken.

Sie sind jetzt 67, Haben Sie schon über Ihre Nachfolge nachgedacht?

Prinzipiell ist das kein Thema. Solange es mir Spaß macht und ich gesundheitlich kann, mache ich weiter. Die längste Mitarbeiterin ist auch schon 25 Jahre bei mir, eine weitere 21. Ich habe alle möglichen Hochzeiten und Geburten mitgekriegt, das verbindet einfach, wir sind wie eine große Familie.

Sie sind außerdem Gemeinderätin in Kranzberg und waren lange Zeit im Jagdschutz- und Jägerverein aktiv. Wie schaffen Sie das alles?

Das geht, wenn die Familie dahinter steht.

Was fasziniert Sie so an der Jagd?

Die Natur. Den Großteil für mein Staatsexamen habe ich auf dem Hochsitz gelernt. Da war ich an der frischen Luft, das brauche ich. Auch Gartenarbeit ist für mich Erholung.

Zur Jagd gehört aber auch das Schießen.

Für mich ist es in erster Linie wichtig, das Lebewesen im Tier zu sehen. Mich faszinieren die Zusammenhänge in der Natur und wie der Mensch bewusst und unbewusst eingreift, was das für Auswirkungen hat. Man muss schauen, wie man das wieder halbwegs ins Gleichgewicht bringen kann.

© SZ vom 23.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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