Angebot ist kaum bekannt:Keine Erfolgsgeschichte

Internationaler Kindertag: viele Kinder von Armut betroffen

Das Bildungs- und Teilhabepaket ist im Landkreis Freising trotz vieler prekärer Lebensverhältnisse kaum bekannt.

(Foto: dpa)

Das Bildungs- und Teilhabepaket, das armen Kindern Sport- oder Musikunterricht sichern soll, nutzen nur wenige. Im Landkreis Freising ist es in den sieben Jahren seit der Einführung insgesamt 3900 Mal beantragt worden.

Von Gudrun Regelein, Freising

Gut sieben Jahre ist es her, dass das Bildungs- und Teilhabepaket eingeführt worden ist. Seit April 2011 gibt es einen Rechtsanspruch auf Bildung - und aufs Mitmachen in Vereinen oder beim Musikunterricht. Bedürftige Kinder aus Geringverdienerfamilien sollen dadurch mehr Zukunftschancen bekommen. Im Landkreis wurden seit dem Jahr 2011 mehr als 3900 Fälle registriert, heißt es aus dem Landratsamt Freising. "Die Nachfrage nach Leistungen für Bildung und Teilhabe ist in den letzten Jahren gestiegen - allerdings kommt es auch sieben Jahre nach Einführung noch des Öfteren vor, dass Antragsteller im Rahmen der Beratungsgespräche mitteilen, dass ihnen diese Leistungen bisher nicht bekannt waren", berichtet Eva Zimmerhof, Pressesprecherin des Landratsamts.

Eva Bönig, Vorsitzende des Kinderschutzbundes Freising, ist von dem Paket deshalb "definitiv nicht überzeugt", wie sie betont. "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es kaum bekannt ist - auch, wenn wir immer wieder darauf hinweisen." Für Einzelmaßnahmen wie Klassenausflüge könne diese Unterstützung zwar sinnvoll sein. Aber letztendlich ermögliche es eben dennoch keine wirkliche Teilhabe am gesellschaftlichen oder kulturellen Leben, kritisiert Bönig. "Dafür langen dann die zehn Euro Zuschuss pro Monat beispielsweise für Musikunterricht doch nicht aus." Es gebe viele Eltern, die an anderer Stelle sparen, um ihren Kindern dennoch eine musische oder kulturelle Ausbildung zu ermöglichen.

Die Leistungen des Pakets

Die Leistungen für Bildung und Teilhabe umfassen Zuschüsse oder Kostenübernahmen für Tagesausflüge, Klassen- und Kitafahrten, gemeinsame Mittagessen, Sport, Kultur und Freizeit. Daneben gibt es Geld für die Lernförderung, den persönlichen Schulbedarf und Fahrten zur Schule.

Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zum 25. Geburtstag (bei Leistungen zum Mitmachen in Kultur, Sport und Freizeit bis zum 18. Geburtstag) beziehungsweise deren Eltern können bei Bezug von Sozialhilfe, von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, von Wohngeld, von Kinderzuschlag oder vergleichbar geringem Einkommen die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket beantragen.

Im Landkreis Freising werden laut Statistik Leistungen für den Schulbedarf, die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung und für die Teilhabe am häufigsten in Anspruch genommen. Für die Personengruppe der Wohngeldempfänger und die mit Kinderzuschlag wurden bislang die meisten Bescheide erstellt. regu

Die hohen Mieten im Landkreis können von den prekären Einkommen kaum finanziert werden

Manche Familien aber könnten sich das nicht leisten, das Geld sei einfach zu knapp. Kinderarmut, die ja immer eine Familienarmut sei, gebe es auch im Landkreis, sagt Bönig. Oft in versteckter Form, oft sei die Scham sehr groß. Die hohen Mieten und Lebenshaltungskosten im Landkreis Freising könnten von den prekären Einkommen kaum finanziert werden - sogar wenn beide Elternteile arbeiteten. Sozialermäßigungen aber, beispielsweise einen kostenlosen Kindergartenplatz, gebe es erst unter einer bestimmten Einkommensgrenze. Viele Familien würden ganz knapp darüberliegen - und könnten dann nichts beantragen.

Laut dem aktuellen Sozialbericht der Staatsregierung sind in Bayern zwölf Prozent der Kinder unter 15 Jahren armutsgefährdet. Im florierenden Freistaat leben über 120 000 Kinder in sogenannten Bedarfsgemeinschaften des Arbeitslosengeldes II, sind also auf Hartz IV angewiesen. Im Landkreis Freising waren es Ende 2017 immerhin 1595 Bedarfsgemeinschaften mit Kindern unter 18 Jahren, die Hartz IV erhielten. Das monatliche Budget einer Familie mit zwei Kindern beträgt gerade einmal 1597 Euro.

Die üblichen Event-Geburtstage für ihre Kinder können sich viele Eltern nicht leisten

"Die angespannte finanzielle Lage in ihrer Familie merken natürlich auch die Kinder", sagt Heidi Kammler, Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Freising. "Armut grenzt aus", weiß sie. Das gelte auch in der Freizeit: Dort haben Kinder von Geringverdienern weniger Möglichkeiten als Gleichaltrige, können etwa bei Ausflügen nicht mitfahren, oder feiern keinen Geburtstag, weil sich ihre Eltern die inzwischen üblichen Veranstaltungen mit Eventcharakter nicht leisten können. "Bei Extrawünschen der Kinder fehlt einfach das notwendige Geld", sagt die Awo-Vorsitzende.

Viele Betroffene wüssten gar nicht, welche Hilfe sie in Anspruch nehmen können - und dass es so etwas wie das Bildungs- und Teilhabepaket gibt, sagt Kammler. "Viele nehmen es auch nicht in Anspruch, weil sie dann zugeben müssten, dass sie Geld brauchen." Bei anderen sei die Hürde, Formulare ausfüllen oder Ämter besuchen zu müssen, zu hoch. Und bei manchen Eltern sei vielleicht eine gewisse Gleichgültigkeit der Grund, keine Leistung aus dem Paket zu beantragen, meint Kammler. Ihr Fazit: "Als Erfolgsgeschichte würde ich das Bildungs- und Teilhabepaket nicht bezeichnen."

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