Andreas Mehltretter (SPD):Für mehr Wohnraum, gegen Rechts

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Wahlkampf am Bahnhof: Bundestagskandidat Andreas Mehltretter (SPD) hat mit Lena Zehetbauer Muffins und Flyer verteilt. (Foto: Marco Einfeldt)

SPD-Kandidat Andreas Mehltretter sorgt sich um die Entwicklung in Deutschland.

Von Petra Schnirch, Freising

"Solche Termine machen besonders viel Spaß", sagt Andreas Mehltretter, "weil man den Leuten eine Freude macht". Mit Lena Zehetbauer steht er an diesem Nachmittag an der Treppe im Freisinger Bahnhof und verteilt Muffins. Einige Fahrgäste hasten vorbei, nehmen Gebäck und SPD-Flyer, ohne aufzuschauen, andere stutzen kurz und bedanken sich. Ein Mann holt einen Muffin für seine Tochter, das Infoblatt will er nicht. "Mich braucht ihr nicht zu überzeugen", sagt er und hebt kurz die Sonnenbrille an, die vorn auf seiner Schildmütze steckt. "Arbeiterverein", erklärt er und deutet auf das 1860-Logo. "Die Schwarzen hab ich noch nie gewählt." Dann murmelt er noch etwas Abfälliges über die rote Fußball-Konkurrenz aus München und geht weiter.

Für Diskussionen über Politik und die bevorstehende Wahl ist der Bahnhof der falsche Ort, die einen wollen schnell nach Hause, die anderen müssen zum Zug. Zum Wahlkampf gehören aber auch solche Aktionen, ebenso wie das Brezen-Verteilen für Pendler um 6 Uhr morgens. Immerhin bekommt dazu jeder einen Flyer. Reine Aktionen ohne jede Information, ohne die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch kann sich Mehltretter nicht vorstellen. Es ist ihm wichtig, "immer etwas Themenbezogenes zu machen".

Der 25-Jährige Mehltretter ist der jüngste der Direktkandidaten

Mit 25 Jahren ist Andreas Mehltretter der jüngste der neun Direktkandidaten im Wahlkreis 214. Auf den ersten Blick wirkt er sogar noch etwas jünger und zurückhaltend - ein Eindruck, der sofort verfliegt, sobald er über Politik diskutiert. Interessiert hat er sich dafür schon früh. Mit 15, 16 kam er in den Jugendkreistag. Zunächst brachten ihn die Themen Zensur und Internet zu den Piraten. Drei Jahre später, 2012, habe er dann festgestellt, dass die SPD die Partei sei, die seinen Wertvorstellungen am besten entspricht, erzählt er. Schon bald übernahm er den Vorsitz bei den Freisinger Jusos, der Kreis der Aktiven wuchs dort auf 15 bis 20. "Das zeigt, dass sich auch Jugendliche für Politik interessieren", wenn man ein entsprechendes Angebot schaffe, sagt Mehltretter. Sie seien auch im Wahlkampf eine große Stütze.

Der junge Sozialdemokrat weiß natürlich, dass CSU-Mitbewerber Erich Irlstorfer sein Direktmandat im Bundestag aller Voraussicht nach verteidigen wird. Die gegenwärtige Entwicklung in Deutschland, er meint die Angriffe von Rechts auf Werte wie Freiheit, Menschenwürde, Solidarität, aber auch Presse- und Meinungsfreiheit, seien ein Hauptantrieb für ihn gewesen zu kandidieren, sagt Mehltretter. Das Menschenbild, das die AfD vertritt, sehe er mit großer Sorge. "Es ist bitter nötig, klare Linie zu zeigen" und dagegen zu argumentieren. Hier will er dran bleiben, auch auf kommunaler Ebene.

Eines seiner zentralen Themen im Wahlkampf sind die Investitionen in die Zukunft

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Zeitlich habe er den Wahlkampf gut mit seinem beruflichen Engagement vereinbaren können. Im Mai schloss Mehltretter seinen Master in "Economics" an der Ludwig-Maximilians-Universität ab. Seit Juli ist der 25-Jährige wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaften und arbeitet an seiner Promotion zum "Zusammenhang von Waffenhandel und innerstaatlichen Konflikten". Neben dem Studium habe er immer auch Geld verdient, betont Mehltretter, beispielsweise mit IT-Dienstleistungen.

Eines seiner zentralen Themen im Wahlkampf sind die Investitionen in die Zukunft. "Hier braucht es eine grundlegende Wendung." Deshalb würde er sich in Berlin als Erstes in die Finanzpolitik einschalten. Herzstück seines Wahlkampfs war eine "Woche der Zukunft" mit ganz unterschiedlichen Veranstaltungen. "Es reicht nicht zu sagen, es geht uns heute gut, und sich darauf auszuruhen", meint Mehltretter. Die Bundesregierung müsse mehr und langfristiger investieren, Finanzminister Schäuble dagegen bleibe "lieber auf dem Geld sitzen". Eine solche Philosophie nennt Mehltretter "rückwärtsgewandt". Handlungsbedarf sieht er beim Ausbau des Glasfasernetzes für ein schnelles Internet. Kupferkabel reichten hier nicht aus. Die Förderung für die Gemeinden müsse deshalb ausgebaut werden, fordert der SPD-Kandidat. Entscheidend sei auch, dass mehr öffentlicher Wohnraum entsteht. Auch hier sollten Anstöße vom Bund kommen. Wenn der finanzielle Spielraum größer wäre, könnte in den Kommunen mehr passieren. Während die Förderung auf Bundesebene zuletzt verdreifacht worden sei, habe man sie in Bayern halbiert. "Das ist völliger Irrsinn."

Weitere Schwerpunkte sind für Mehltretter die Energiewende und das Thema soziale Gerechtigkeit - dazu gehören für ihn eine Entlastung für Familien und auch, dass das Rentenniveau bei etwa 48 Prozent gehalten wird.

Dass eine Regierungsbildung nach der Bundestagswahl schwierig werden könnte, zeichnet sich schon jetzt ab. An eine weitere große Koalition von Union und SPD glaubt Mehltretter jedenfalls nicht - und er bezweifelt auch, dass dies gut wäre für die Sozialdemokraten und für die Demokratie. Unterschiede würden in einer Koalition weniger deutlich. Der 25-Jährige wünscht sich bei der Lösungssuche mehr Kreativität - so könnte es auch mal eine Minderheitsregierung geben. Dass er selbst zu jung wäre für den Bundestag, findet Mehltretter übrigens nicht. Nötig sei eine "gesündere Mischung". Wer sich einem Abgeordneten - auch aus Altersgründen - näher fühle, der identifiziere sich auch eher mit der Politik.

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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