Amtsgericht:"Sie hat ihn wirklich gern gehabt"

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Am Amtsgericht wird ein Freisinger verurteilt, weil er seine Partnerin in der Wohnung geschlagen und misshandelt hat.

Von Christoph Dorner, Freising

Ein Mann schlägt eine Frau, seine Partnerin, in seiner Wohnung. Mit der Faust ins Gesicht, mit der Eisenschnalle eines Ledergürtels gegen Arme und Beine. Mehrfach. Die Frau sperrt sich im Badezimmer ein. Er droht ihr, sie umzubringen, wenn sie nicht sofort herauskomme. Die Frau öffnet die Tür, der Mann packt sie an den Haaren, versucht, sie mit ihrem Schal zu erdrosseln. Erst nach 20 Minuten gelingt es ihr, aus der Wohnung zu fliehen.

Die Frau zeigt den Mann also an - könnte man denken. Sie tut es nicht. Sie geht auf Distanz, verzeiht ihm aber nach zwei Wochen. Am Arbeitsplatz belügt sie ihre Kolleginnen, die wegen der blauen Flecken an ihrem Körper nachfragen. Doch die Gewalt hört nicht auf, sie wird psychisch.

"Du kommst von meinem Geschlechtsteil nicht los. Ich werde dich weiter schlagen", sagt der Mann. Er provoziert, droht mit Vergewaltigung und Mord. Erst als er ihre Wohnung durchwühlt und Geld stiehlt, zeigt sie ihn wegen der Körperverletzung an, sieben Wochen nach dem Vorfall in der Wohnung des Mannes. Was an diesem Montagmorgen am Amtsgericht betroffen macht, ist die rohe Gewalt gegen eine Frau, die für Richterin Tanja Weihönig den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung erfüllt.

G., ein 35-jähriger Kraftfahrer aus Freising, erhält deshalb eine Bewährungsstrafe von acht Monaten, außerdem muss er 1500 Euro Schmerzensgeld an seine 37-jährige Ex-Partnerin A. aus Vilsbiburg zahlen. Die Verhandlung gewährt dabei auch einen Einblick in ein Abhängigkeitsverhältnis, das durch Verführung, Einschüchterung und Unterordnung geprägt ist.

Zu Verhandlungsbeginn ist der Angeklagte nicht da. Schon beim letzten Gerichtstermin hatte G. unentschuldigt gefehlt, weshalb Richterin Weihönig die Vorführung durch die Polizei veranlasst hatte. Weil die Beamten die Anordnung übersehen haben, müssen sie G. kurzerhand in seiner Freisinger Wohnung abholen. Die Verhandlung beginnt mit Verspätung.

Am 8. November 2011 sind A. und G. bereits seit einem Jahr in einer Beziehung. G. sei schon immer jähzornig gewesen, habe frauenfeindliche Dinge gesagt, sagt A. im Zeugenstand. Zur Tatzeit wartet sie vor der Freisinger Wohnung von G., das Paar ist verabredet. Als er nach 45 Minuten kommt, schlägt er sie erstmals im Treppenhaus und zerrt sie in die Wohnung. Dort beginnt das Martyrium von A. jedoch erst.

Bei ihrer Schilderung des Tathergangs kommt es immer wieder zu kleineren Unstimmigkeiten. Wie hat G. den Schal genau zugezogen? Warum ist sie zunächst ins Bad geflüchtet und nicht direkt aus der Wohnung? Einen Tag nach dem Übergriff habe sie ihren Körper fotografiert, um Beweise zu haben, sagt A.. Tatsächlich hat sie die Bilder erst nach zwölf Tagen gemacht, ergibt die technische Auswertung der Digitalkamera durch die Polizei. Die Blutergüsse auf den Fotos würden dennoch zum Tathergang passen, sagt der Münchner Rechtsmediziner Randolph Penning. Sie seien etwa an den Oberschenkeln so massiv, als wäre die Frau mit einem Motorrad überfahren worden.

Nach der Trennung von G. erkrankt A. 2012 an Leukämie. Zehn Monate muss sie für die Chemotherapie im Krankenhaus bleiben. Als G. sie dort besuchen will, habe A. sich gefreut, sagt eine Zeugin: "Sie hat ihn wirklich gern gehabt."

Wenn sie die Tat vor Gericht abstreite, verlasse er Frau und Kind und käme zu ihr zurück, soll G. noch kurz vor dem Prozess am Telefon gesagt haben, berichtet A. Doch da hatte sie ihn endlich durchschaut.

© SZ vom 17.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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