Am Landshuter Landgericht:Verstörende Familiengeschichte

Ein 44-jähriger Mann steht vor Gericht, weil er seine Töchter sexuell missbraucht haben soll. Die Kinder befinden sich alle in therapeutischer Behandlung. Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe

Von Peter Becker, Landshut

Die Vorwürfe, seine drei Töchter sexuell missbraucht zu haben, seien nur ein Konstrukt seiner Frau, um die Scheidung schneller durchsetzen zu können. So verteidigt sich ein 44-jähriger Beamter aus dem Landeskriminalamt (LKA) in München vor dem Heiligenstädter Familiengericht. Das geht aus den umfangreichen Akten hervor, die Vorsitzender Ralph Reiter während des dritten Verhandlungstags vor der 6. Strafkammer des Landshuter Landgerichts verlas. Ursprünglich war der Mann angeklagt worden, in Freising dreimal sexuelle Handlungen an seiner Adoptivtochter vorgenommen zu haben. Nach Aussagen der Mutter soll sich der 44-Jährige aber auch an den jüngeren Schwestern vergangen haben.

Die Mutter wirft ihm auch vor, unberechtigterweise Geld von den Sparbüchern der gemeinsamen Kinder abgehoben zu haben. Das geht ebenfalls aus den Protokollen des Familiengerichts hervor. Der Angeklagte bestreitet dies. In den Akten steht, es habe zwischen ihm und seiner Frau eine Vereinbarung gegeben, gemeinsam auf die Guthaben der drei minderjährigen, gemeinsamen Kinder zugreifen zu dürfen. Das einstige Paar hat noch eine weitere leibliche Tochter, die aber bereits volljährig ist. Und es gibt eben jene 21-jährige Adoptivtochter, die das Verfahren gegen ihn ins Rollen gebracht hatte. Die Frau wiederum bestreitet in den Protokollen eine solche Vereinbarung. Sie vermutet, dass der 44-Jährige aufgrund seiner Suspendierung vom Dienst als Systembetreuer im LKA in finanzielle Nöte geraten sei. Sie fürchtet nun, dass ihr ehemaliger Mann in Bälde seine Unterhaltszahlungen einstellt.

In den Protokollen finden sich Hinweise, dass ein erster sexueller Missbrauch der Adoptivtochter schon früher hätte entdeckt werden können. Eine Therapeutin in Berlin, wo das Paar zwischenzeitlich lebte, diagnostizierte bei dem damals vierjährigen Mädchen entsprechende Hinweise. Der Angeklagte wiegelte dies mit dem Hinweis ab, es habe möglicherweise Vorfälle in Afrika gegeben. Er und seine Adoptivtochter stammen aus Kamerun. Die angeklagten Fälle ereigneten sich in den Jahren 2007 und 2008. In späteren Vernehmungen gab die junge Frau zu Protokoll, sie habe sich ihrer Stiefmutter nicht offenbaren wollen. Sie fürchtete, diese würde ihr nicht glauben. Als 14-Jährige wollte sie auch nicht schuld daran sein, dass die Ehe auseinander gehe. Sie sei das Wagnis erst Jahre später eingegangen, als sie sich sicher war, dass ihre Ziehmutter sich von ihrem Mann trennen wollte.

Die Enthüllungen der 21-Jährigen sorgten dafür, dass ihre ältere Halbschwester offenbarte, sie habe an ihrem Vater "herumspielen müssen". Diese Aussage hatte sie gegenüber der Münchner Polizei gemacht, nachdem sie ihr Lebensgefährte dazu überredet hatte.

An der jüngsten Tochter, sie ist heute neun Jahre alt, soll sich der Angeklagte ebenfalls vergriffen haben. Dies vermutet jedenfalls die Mutter, die zwischenzeitlich die Beziehung zu ihrem Mann wieder aufgenommen hatte. In dessen Obhut hatte sie die drei minderjährigen Kinder gegeben, als sie mit ihrer ältesten leiblichen Tochter auf eine Kreuzfahrt ging. Als sie drei Wochen später zurückkam, fand sie das damals achtjährige Mädchen apathisch im Bett liegend vor. Es wollte nicht mehr aufstehen, sondern nur noch ihre Kassetten anhören. Ihre beiden Brüder machten ebenfalls einen verstörten Eindruck.

Die Frau brach jetzt endgültig alle Verbindungen zu ihrem Mann ab. Vor dem Familiengericht in Heiligenstadt, ihrem neuen Wohnort, erstritt sie ein Kontaktverbot der minderjährigen Kinder mit ihrem Vater. In einem der Protokolle ist zu lesen, dass sie fürchtete, dieser könne versuchen, über die gemeinsamen Kinder wieder eine Beziehung zu ihr aufzubauen. Umso mehr ärgerte sie es, als sie erfuhr, dass eine Betreuerin in einer Begegnungsstätte diese mit ihrem Vater während eines Treffens allein gelassen hatte. Dies war ein Verstoß gegen die Bedingungen, die sie gestellt hatte.

Adoptivtochter und leibliche Kinder befinden sich alle aufgrund ihrer Erlebnisse in therapeutischer Betreuung. Die Mutter selbst leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung und ist seit Anfang dieses Jahres arbeitsunfähig. Der Prozess wird am 29. September fortgesetzt.

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