Wohnen im Alter:Graue Wohnungsnot im Alter wird für Babyboomer zum Problem

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Treppen können im Alter zu einem unüberwindbaren Hindernis werden: Der Wohnraum muss altersgerecht angepasst werden.
Treppen können im Alter zu einem unüberwindbaren Hindernis werden: Der Wohnraum muss altersgerecht angepasst werden. (Foto: Leonhard Simon)

In den Landkreisen Freising und Erding fehlen laut einer Studie des Pestel-Instituts altersgerechte Wohnungen für die steigende Zahl von Ruheständlern. Die Freisinger Kreisseniorenbeauftragte Beate Drobniak fordert kreative Lösungen.

Von Gudrun Regelein, Freising/Erding

Noch ist der Landkreis Freising ein junger Landkreis. 2022 war er nach den Daten des Landesamts für Statistik mit einem Durchschnittsalter von 41,8 Jahren sogar der jüngste im Freistaat. Doch schon bald wird das anders ausschauen. Denn bis 2035 gehen die Babyboomer in den Ruhestand.

Laut einer Regional-Untersuchung des Pestel-Instituts zum Senioren-Wohnen werden in zehn Jahren 11 500 Menschen mehr in Rente sein als heute, insgesamt werden es im Landkreis Freising dann etwa 40 800 Ruheständler sein.

Der Landkreis Freising kommt in die Jahre. Ist er aber auch auf das Wohnen der älteren und alten Menschen vorbereitet? Glaubt man der Pestel-Studie, ist das nicht der Fall: „Der Wohnungsmarkt im Kreis Freising ist mit der neuen Rentnergeneration der geburtenstarken Jahrgänge komplett überfordert. Es fehlen Seniorenwohnungen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Instituts. Die Freisinger stehen mit dem Problem nicht allein da. Auch im Landkreis Erding fehlen wie fast überall in Deutschland barrierearme, altersgerechte Wohnungen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat für 2040 eine Versorgungslücke von etwa zwei Millionen altersgerechter Wohnungen prognostiziert.

Seniorengerechte Wohnungen sind oft sehr teuer

Altersgerechtes Wohnen ist auch für den Freisinger Kreisseniorenrat ein Thema, berichtet Beate Drobniak. Es gehe dabei nicht nur um Wohnraum, der den Bedürfnissen der älteren Generation angepasst sei, sagt die Kreisseniorenbeauftragte.  Also beispielsweise um Wohnungen ohne Treppenstufen, dafür mit bodengleicher Dusche und genügend Platz fürs Rangieren mit Rollstuhl oder Rollator. „Das Ganze muss auch bezahlbar sein“, sagt Drobniak. Seniorengerechte Wohnungen seien auf dem Markt zwar zu finden, doch nur wenige könnten sie sich auch leisten.

Mehr auf Seniorinnen und Senioren zugeschnittene Angebote wären schön, sagt Drobniak. Die allermeisten alten und auch hochbetagten Menschen hätten den Wunsch, solange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu bleiben. „Manche sind noch sehr rüstig und brauchen zu Hause nur etwas Unterstützung“, erklärt Drobniak. „Wohnen gegen Hilfe“ sei eine Idee, die hier ansetzt: Ein junger Mensch wohnt mietfrei bei einem Senior oder einer Seniorin und hilft dafür im Haushalt oder Garten mit. „Wohnen gegen Hilfe“ gab es schon einmal im Landkreis, die Seniorenbeauftragte will es nun wiederbeleben.

„Es wäre schön, wenn der Landkreis beim Wohnen im Alter kreativ denken würde“, sagt Drobniak. Das werde zukünftig zu einem immer größeren Thema. Zum einen wegen der starken Generation der Babyboomer, zum anderen, weil die Lebenserwartung weiter steigt. Mehrgenerationenhäuser, in denen Alt und Jung gemeinsam leben, könnten ein Modell sein, bei dem beide Seiten profitieren. „Wir brauchen alternative Wohnformen, wir brauchen barrierefreie Wohnungen, wir brauchen günstige Wohnungen“, fasst Drobniak zusammen.

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Es sei keine originär staatliche Aufgabe, altersgerechten Wohnraum zu schaffen, sagt Robert Stangl, Pressesprecher im Landratsamt Freising, sondern grundsätzlich Privatsache. Es gebe jedoch verschiedene staatliche Fördermöglichkeiten für Umbaumaßnahmen. Informationen darüber finden sich auf der Internetseite des Bauamtes im Landkreis.  Der Pflegestützpunkt im Landratsamt biete Beratung, wie sich das eigene Wohnumfeld verbessern lasse, um häusliche Pflege zu ermöglichen oder für ein weitgehend selbständiges Leben eines Pflegebedürftigen zu sorgen. Die kommunale Wohnungsberatung gibt es derzeit nicht mehr, sagt Stangl: „Dieses Angebot wurde von einer Architektin ehrenamtlich geleistet, sie hörte aber aus privaten Gründen auf.“ Gemeinsam mit dem Seniorenbeirat des Landkreises Freising sei man derzeit auf der Suche nach einer alternativen Lösung.

2035 werden im Landkreis Erding voraussichtlich etwa 33 200 Rentner leben

Im Landkreis Erding gibt es die kommunale Wohnberatung seit 2019. Sie sei „ein wichtiger Baustein im umfassenden Angebot des Landkreises für Senioren und Menschen mit Behinderung“, sagt Landrat Martin Bayerstorfer (CSU). Damit könne ein Beitrag geleistet werden, die Herausforderungen des demografischen Wandels zu meistern. Laut der Pestel-Studie werden 2035 im Landkreis Erding 9200 Menschen mehr im Ruhestand sein als heute, insgesamt sind es dann etwa 33 200.

Die Wohnberatung werde gut angenommen, berichtet Wohnberaterin Beate Barz. Im vergangenen Jahr wurden 104 Personen beraten, zudem fanden neun Vorträge statt. Die am häufigsten nachgefragten Themen seien Badumbau, Treppenlift, Hilfsmittelausstattung und die Finanzierung. Ein wichtiger Punkt dabei sei die Weitervermittlung zu anderen Beratungsangeboten. Zudem spielten in den Gesprächen immer eine mögliche Inanspruchnahme von Pflegeleistungen und die Sturzprävention eine Rolle.

„Die Hilfe erfolgt durch ein umfassendes und individuelles Beratungsangebot mit entsprechenden Vorschlägen zu Umbaulösungen, Hilfsmitteln, Alltagshelfern und zu Leistungen der Pflegeversicherung“, erklärt Barz. Ziel sei eine größere Selbständigkeit und Sicherheit in den eigenen vier Wänden. Ein Leben zu Hause, im gewohnten Umfeld, soll möglichst lange geführt werden können.

Oft scheitert die Umsetzung an der Finanzierung

Die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen sei dabei natürlich ein großes Thema, sagt Barz. Unter bestimmten Umständen könne ein Teil der Anpassungen über die Wohnungsbauförderung finanziert werden. Für Personen ohne Schwerbehinderung und ohne Pflegebedarf gebe es jedoch keine finanzielle Unterstützung. „Reichen die Eigenmittel nicht aus, scheitert die Umsetzung tatsächlich an der Finanzierung.“ Außerdem werde es oft sehr schwierig, wenn der oder die Betroffene zur Miete wohnt.

Doch nicht nur alte Menschen oder deren Familienangehörige kommen in die Beratung. „Es gibt auch einen nicht zu verachtenden Anteil an Präventivberatungen“, sagt Barz, „die Menschen sind also bereits sensibilisiert dafür, im Alter eventuell nicht mehr so wohnen zu können wie im Moment und kümmern sich darum.“ Die kommunale Wohnberatung hat mittlerweile sogar eigens einen Flyer für barrierefreies Bauen konzipiert, der sich an Bauwillige und an Bauherren richtet. „In diesem sind viele Hinweise zu finden, die bereits bei einem Neubau für eine möglichst lebenslange Nutzbarkeit der Immobilie beachtet werden sollten.“

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