Altersarmut:Zurück in die Mitte der Gesellschaft

Alexandra Pöller

Die Seniorenbeauftragte der Stadt Freising, Alexandra Pöller, hier bei einem kürzlich gehaltenen Vortrag im Rathaus.

(Foto: Andreas Gebert)

Viele ältere Menschen leiden unter Armut und Einsamkeit. Freisings Seniorenbeauftragte Alexandra Pöller will sie wieder am Leben teilhaben lassen und etwa einen nicht kommerziellen Mehrgenerationentreffpunkt schaffen.

Interview von Gudrun Regelein

Als 43-Jährige muss man sich eigentlich noch keine Gedanken darüber machen, wie man sich sein Leben im Alter vorstellt. Aber als Seniorenbeauftragte der Stadt Freising hat Alexandra Pöller natürlich doch eine Antwort auf diese Frage: Wie viele, wünsche sie sich, einmal selbstbestimmt im eigenen Zuhause leben zu können. "Ich hoffe, dass ich im Alter offen für Neues bleibe", sagt sie im Gespräch mit der SZ Freising.

SZ: Sind die sogenannten "Best Agers", die Senioren von heute, tatsächlich die Jungen von gestern?

Alexandra Pöller: Die heutige Generation 60 plus ist sicherlich fitter und sieht jünger aus, als die Generationen vor ihnen. Aber pauschal ist die Frage nicht zu beantworten. Es gibt tatsächlich noch viele ältere aktive Menschen, so wie eine 93-jährige Dame in meiner Projektgruppe. Genauso gibt es aber jüngere, die gebrechlich und älter wirken. Das hängt stark von den jeweiligen Lebensumständen ab und es ist immer auch eine Kopfsache, wie man sich fühlt - und die Frage, ob man sich noch gebraucht fühlt.

Was war der Grund, die Teilzeitstelle Seniorenbeauftragte in der Stadt Freising zu schaffen?

Die Agenda-21-Projektgruppe Senioren hat sich für diese Stelle stark engagiert. Grund war sicherlich auch die steigende Zahl an älteren Menschen, die laut Prognosen in den kommenden Jahren ja noch einmal kräftig wachsen wird. Derzeit wohnen in Freising etwa 10 000 über 60-Jährige. Als große Kreisstadt ist dieses Angebot für Freising übrigens keine Pflichtaufgabe, sondern eine freiwillige Sache.

Ihre Hauptaufgabe ist, die Ergebnisse des seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes umzusetzen. Was ist Ihnen besonders wichtig?

Das ist beispielsweise die Schaffung von nicht kommerziellen Begegnungsmöglichkeiten. Momentan arbeite ich an der Umsetzung des Konzeptes "Dasama": "Dasama", "hier sind wir", soll ein Mehrgenerationentreffpunkt in der Innenstadt im Asaminnenhof werden. Die Idee ist, hier die ältere und die junge Generation zusammenzubringen. Das ist mein großes Projekt, das politisch aber noch nicht entschieden ist.

Welche Pläne gibt es noch?

Wir planen die Gründung einer Art "Seniorengenossenschaft", als Verein für Jung und Alt, von dem beide Seiten profitieren. Die ab 60-Jährigen sollen hier schnell und unbürokratisch Hilfe anfordern und sich selbst auch engagieren können. Sie können sich das in etwa so vorstellen, wie es in Nachbarschaftshilfen abläuft. Das Interesse an so einem Verein ist bislang sehr groß: Zur Informationsveranstaltung vergangene Woche kamen weit über 80 Personen. Für eine Vereinsgründung brauchen wir sieben.

Mit zu Ihren ersten Ideen zählten die Mitfahrbänke und eine Wohnraumberatung für Senioren. Was ist daraus geworden?

Wir haben erst einmal abgewartet, wie es sich in anderen Gemeinden, die diese Bänke bereits hatten, entwickelt. Nachdem das jedoch nicht optimal lief, haben wir die Idee dann erst einmal auf Eis gelegt. Das Thema Wohnraum ist schwierig, Wohnraum ist bei uns sehr knapp. Es gibt viele Senioren, die teilweise alleine in einem Haus leben. Bei uns im Landkreis gibt es zwar das Angebot "Wohnen für Hilfe", bei dem Studenten nahezu kostenfrei bei Senioren leben und diesen im Gegenzug ein paar Stunden in der Woche helfen. Leider fehlen hier aber die Angebote seitens der Senioren.

Sie sagten, Ihr Fokus liege darauf, dass Senioren gut versorgt sind. Aber wie erfahren Sie von den Problemen alter Menschen?

Ich besuche regelmäßig Seniorenveranstaltungen, dort erfahre ich, was die Senioren bewegt und ihnen Sorge bereitet. Was mir dort erzählt wird, ist sehr wichtig für meine Arbeit. Und ich habe einen sehr engen Austausch mit allen, die direkten Kontakt zu den älteren Menschen haben. Also beispielsweise zu den Wohlfahrtsverbänden. Themen sind hier oft Einsamkeit und Altersarmut.

Ist es tatsächlich so, dass sich gerade alte Menschen schämen, Hilfe in Anspruch zu nehmen?

Ja, für diese Generation ist es nicht leicht nach finanzieller oder praktischer Hilfe zu fragen. Es gibt viele, die den ganzen Tag alleine Zuhause sind, die es sich nicht leisten können, mit dem Bus in die Stadt zu fahren und dann auch noch ein Café zu besuchen. Das war auch mit ausschlaggebend für das Konzept "Dasama". Jeder kann kommen, wird wertgeschätzt. Und es besteht hier kein Konsumzwang wie in einem Café. Jetzt sieht man viele dieser Senioren gar nicht. Die Teilhabe am Leben ist aber sehr wichtig. Wir wollen sie wieder in die Mitte holen und in Kontakt mit den jungen Menschen bringen - das haben sie sich einfach verdient.

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