Süddeutsche Zeitung

Altersarmut ist weiblich:Frauensache Teilzeitarbeit

Die Arbeitsagentur meldet einen enormen Anstieg bei Teilzeitstellen. Für die einen eine durchaus positive Nachricht - doch zum Ausdruck kommt damit die klassische Rollenverteilung.

Vanessa Fonth

Freising - Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten in den Landkreisen Freising und Erding ist stark angestiegen. Das geht aus einer von der Arbeitsagentur Freising veröffentlichten Studie hervor. Mit einem Anteil von 75 Prozent bei insgesamt 24 531 Teilzeitarbeitnehmern in den beiden Landkreisen stellen überwiegend Frauen ihre Arbeitskraft nur teilweise zur Verfügung - zumeist im Dienstleistungssektor.

Die grundsätzlich gestiegene Beschäftigung in den beiden Landkreisen verbucht die Agentur für Arbeit als Erfolg. Immerhin sei die Zahl der Beschäftigten zwischen 2001 und 2011 von 89 571 Personen auf 107 782 gestiegen, was einen Zuwachs von 20,3 Prozent darstelle, so Agentursprecherin Claudia Klaubert. Im Vergleich zu Bayern und dem Bund, die im selben Zeitraum einen Anstieg von nur 6,1 beziehungsweise 2,0 Prozent verzeichneten, ist Freising damit Spitzenreiter. Allerdings kommt der Zuwachs an Arbeitsplätzen in den vergangenen zehn Jahren hauptsächlich durch eine Zunahme der Teilzeitarbeitsplätze zustande. Waren es 2001 noch 14 585 Teilzeitarbeitnehmer, so stieg die Zahl bis 2011 um 68,2 Prozent auf 24 531. Gut 75 Prozent davon sind Frauen.

Die Gleichstellungsbeauftragte im Freisinger Landratsamt, Petra Lichtenfeld, sieht diese Zahlen mit Sorge: "Besonders in Bezug auf die Altersvorsorge halte ich diese Entwicklung für kritisch, da bei einer Teilzeitstelle weniger für die eigene Rente eingezahlt wird, als bei einer Vollzeitbeschäftigung. Altersarmut ist immer noch weiblich." Eine Erklärung, warum zum Großteil Arbeitnehmerinnen in Teilzeitbeschäftigung zu finden sind, sei, dass viele Frauen, wegen Kindererziehung oder Pflege von Familienangehörigen nur einen halben Tag arbeiten könnten, so Lichtenfeld. Im Gegensatz dazu würden männliche Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit hauptsächlich für Fortbildungszwecke, wie den Besuch einer Abendschule, kurzzeitig zurückstufen, selten wegen der Familie", so die Sprecherin der Agentur für Arbeit.

Die klassische Rollenverteilung bleibt also bestehen. "Damit bleiben auch die finanziellen Abhängigkeiten wie gehabt", sagt Lichtenfeld. Frauen seien schneller bereit, als Männer, gute Berufe aufzugeben und hätten dadurch später auf dem Arbeitsmarkt Nachteile. Zudem sei Kindererziehung auch keine Lebensaufgabe. Nach zehn Jahren zu Hause stehe man vor dem beruflichen Nichts, warnt Lichtenfeld. Die Personalratsvorsitzende der Stadt Freising und Vorsitzende der Freisinger SPD, Monika Zauner, berichtet von einem regelrechten Ansturm auf die Teilzeitjobs. Auf eine Teilzeitstelle würden sich zu 95 Prozent Frauen bewerben. Wenn sich männliche Bewerber finden, dann hauptsächlich, um über einen Teilzeitjob aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen.

Zauner betrachtet die hohe Teilzeitbeschäftigung bei Frauen jedoch gelassen. Es sei nachvollziehbar, dass sich eher Frauen den Aufgaben daheim widmen, als Männer. "Ich glaube die Gesellschaft ist noch nicht so weit", so Zauner. Zudem sei Freising ein junger Landkreis, da gäbe es viele Familien mit kleinen Kindern, in denen die Mütter daheim sein wollen, wenn die Kinder aus der Schule kommen, erklärt sich Zauner die hohe Zahl von Teilzeitarbeiterinnen. Die Gleichstellungsbeauftragte Lichtenfeld hingegen sieht das Problem an anderer Stelle: " Das Betreuungsangebot für Kinder ist den Anforderungen der Arbeitswelt nicht gewachsen. Die Frauen können oft nicht anders, als in Teilzeit zu arbeiten."

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SZ vom 11.04.2012
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