Wahlkampf:Attenkirchen in Aufruhr

Wahlkampf: Die Polizei zählte 300 Teilnehmer der Demo. Damit kamen deutlich mehr zur Kundgebung als zur Veranstaltung der AfD.

Die Polizei zählte 300 Teilnehmer der Demo. Damit kamen deutlich mehr zur Kundgebung als zur Veranstaltung der AfD.

(Foto: Marco Einfeldt)

Zu einer AfD-Veranstaltung im Bürgersaal kommen deutlich mehr Gegendemonstranten als Teilnehmer. Während drinnen gegen die Regierung geschimpft wird, heizt sich draußen die Proteststimmung auf.

Von Clara Lipkowski und Nadja Tausche, Attenkirchen

Von der AfD-Veranstaltung erfahren hatte Sina Hörl erst am vergangenen Freitag. Daraufhin hatte sie sich mit anderen Attenkirchenern zusammengetan, unter ihnen viele junge Leute, und die Demonstration am Dienstagabend vor dem Bürgersaal organisiert. Man wolle ein Zeichen setzen gegen die Politik der AfD, es solle "laut und bunt" werden, so Hörl.

In dem Saal im Dorfzentrum kamen an dem Abend die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch, mit den Freisinger Kandidaten für Landtag und Bezirkstag zusammen: Bernhard Kranich und Melanie Hilz. Auch der Pfaffenhofener AfD-Landtagskandidat Tobias Teich und kurz der Bundestagsabgeordnete Johannes Huber hielten Ansprachen. Der Ort war nicht aus Zufall gewählt - bei der Bundestagswahl hatte die AfD in der Gemeinde 17,7 Prozent geholt, im Ortsteil Thalham sogar 26,2.

Während es zu Anfang der Veranstaltung recht harmonisch zuging, heizte sich die Stimmung unter den Demonstranten gegen Ende auf. Wie haben die Teilnehmer den Abend wahrgenommen und worum ging es drinnen bei den Politikern der AfD? Ein Überblick.

Das ganze Dorf macht mit

Der Veranstalter sprach noch am Abend von 400 Demonstranten, die Polizei ging von 300 aus. Fest steht, dass deutlich mehr Demonstranten als Besucher der AfD-Veranstaltung gekommen waren. Im Bürgersaal waren laut Veranstalter etwa 160 Besucher, andere Teilnehmer im Saal nannten die Zahl 100. Von etwa 18 Uhr an sammelte sich der Protest mit Trommeln und Rattern vor dem Attenkirchener Bürgersaal.

Auf Schildern standen Sprüche wie "Wir sind das menschliche Volk" oder "Außen blau, innen braun". Er wolle zeigen, "dass wir in Deutschland anders denken als es Rechte immer sagen", sagte ein Demonstrant. Ein anderer Besucher war extra aus Freising gekommen. Die AfD wolle eine alte Welt zurück, die es so aber nicht mehr gebe, sagte er. Julius Mayer, der die Demonstration für diesen Abend angemeldet hatte, zeigte sich zufrieden mit der Veranstaltung: "Es ist schön, weil das ganze Dorf geholfen hat."

Neben einer Band war auch der Attenkirchener Chor vor Ort, sang mit den Demonstranten Lieder wie "We are the World", und der DJ machte zwischendurch Ansagen. Auch einen Zeitzeugen des Nationalsozialismus hatten die Veranstalter eingeladen: "Es ist wichtig, dass so viele junge Leute da sind", die sich gegen rechte Politik engagierten, sagte er.

Das sagen andere Politiker

Der Attenkirchener Bürgermeister Martin Bormann ist froh, dass alles so friedlich gelaufen ist. Vor allem sei er zufrieden, dass so viele Menschen zu der Demonstration gekommen seien, sagte er am Mittwoch, immerhin sei die Veranstaltung recht kurzfristig bekannt gegeben worden. Zwar habe sich die Menge gegen Ende "ein bisschen aufgeschaukelt", die Situation habe sich aber schnell wieder beruhigt.

Der Freisinger SPD-Landtagskandidat Markus Grill hat die Demo als friedlich und bunt wahrgenommen. "Das Konzept war sehr stimmig." Als Politiker sei er bewusst nicht ans Mikrofon getreten, sondern habe das Reden den Veranstaltern überlassen, die außerdem gute Reggaemusikeinlagen und "witzige Sprüche" gebracht hätten, was beim Protest gegen rechts gar nicht so einfach sei. Dass später auch Nicht-AfD-Sympathisanten, die entlang des Absperrbands der Demo liefen, ausgebuht und ausgepfiffen wurden, findet er "unglücklich".

Franz Obermeier, ehemaliger CSU-Bundestagsabgeordneter, hat zwar ein paar Buhrufe gehört, sonst aber ist ihm vor allem die positive Stimmung aufgefallen. "Alle, mit denen ich gesprochen habe, wollen keinen Rechtsruck in Deutschland." Dafür demonstrieren zu gehen, sei eine gute Sache. Die Organisation sei gut gewesen und die Plakate kreativ. Seine Tochter Veronika fand die Buhrufe und Pfiffe teils "heftig. Aber ein Herr von der AfD hat es auch provoziert. Er ist extra vor der Menge stehen geblieben."

Wahlkampf: Den Saal zu bekommen, sei schwierig gewesen, sagte Johannes Huber gegen Ende des Abends. Viele Wirte verweigern der AfD ihre Gaststätten für Veranstaltungen.

Den Saal zu bekommen, sei schwierig gewesen, sagte Johannes Huber gegen Ende des Abends. Viele Wirte verweigern der AfD ihre Gaststätten für Veranstaltungen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Währenddessen im Saal

Zeitgleich zur Demo traten im Bürgersaal nach und nach die Politiker ans Podium. Immer wenn im Erdgeschoss die Tür aufging, drangen die Bässe von Reggaemusik, Pfiffe oder Buhrufe in den Saal im Obergeschoss. Beatrix von Storch griff das dankbar auf und begrüßte die Demonstranten mit "Liebe Kinder da draußen." Sie würde sich freuen, wenn ein paar von draußen drinnen zuhören würden, denn sie könnten hier noch etwas lernen über gelebte Demokratie.

Sie sprach dann - ganz im Wahlkampfmodus - im Schnelltempo über das, was im Bundestag alles falsch laufe. Die Diskussion um das dritte Geschlecht nannte sie wie schon so oft "Gendergaga", die Kriminalitätsstatistik in Deutschland mithilfe von Fahrraddiebstählen geschönt, und dem ADAC riet sie wegen eines seiner Imagevideos nicht mehr das "Deutscher" im Namen zu tragen und AfD-Mitgliedern, dort auszutreten.

Kurz droht im Saal die Stimmung zu kippen

Dass sie erst im Mai 2018 Wlan in ihrem Büro bekommen habe, zeige, wie schlecht Deutschland bei der Digitalisierung dran sei. Überraschenderweise hatte sie sich gerade diese Anekdote für ihre Rede ausgesucht, war doch wegen eines ihrer Tweets dazu noch im Mai ein kleiner Belustigungssturm über ihr losgegangen. Auf Twitter hatte sie am 24. Mai ein Foto von sich mit Lan-Kabeln gepostet, darüber: "Wireless-Kabel....geht mit großen Schritten voran...". Darauf erhielt ein Nutzer Tausende Likes auf seine Reaktion: "AfD, was könnt ihr eigentlich?", weil sie Wlan und Lan-Kabel vermengt hatte.

Im Attenkirchener Bürgersaal war indes Belustigung vor allem dann zu hören, wenn es um die Lieblingsfeinde der AfD ging - Angela Merkel, CSU, SPD und Grüne. Markige Sprüche brachte Tobias Teich, der der CSU mit Blick auf eine mögliche Koalition mit den Grünen bescheinigte, sie stiege mit jedem ins Bett, der den Machterhalt sichere. Bernhard Kranich rief: "CSU, habt die Eier, diese Regierung zu verlassen." Er prognostizierte seiner Partei weiteres Wachstum: "Spätestens bei der übernächsten Wahl werden die Wähler zu uns wechseln."

Wahlkampf: Kandidiert für den Bezirkstag: Melanie Hilz.

Kandidiert für den Bezirkstag: Melanie Hilz.

(Foto: Marco Einfeldt)

Bezirkstagskandidatin Melanie Hilz ging auf den Wahlkampf ein. Es würden immer wieder AfD-Plakate heruntergerissen und zerstört. Dieser Wahlkampf sei nicht leicht, aber man werde sich nicht einschüchtern lassen: "Wir werden sie immer wieder aufhängen", so Hilz.

Für einen kurzen Moment drohte auch im Saal die Stimmung zu kippen: Eine Frau war nach der letzten Rede aufgestanden und hatte eine Frage an von Storch gerichtet. Wie sie sich erkläre, dass so viele Rechtsextreme mit der AfD sympathisierten. Mauscheln im Saal. Darauf Storch: "Wir distanzieren uns von Gewalt und Rechtsextremismus." Als die Frau nachhaken wollte, übertönten sie andere Zuhörer. Daraufhin verließ sie unter "Tschüss, tschüss!"-Rufen den Saal.

Das sagt die Polizei

"Wir haben 300 Demonstranten gezählt", sagt Michael Ertl, stellvertretender Inspektionsleiter in Freising. "Die Stimmung war grundsätzlich gut und friedlich." Nur gegen Ende sei es zu ein paar "Nickeligkeiten" gekommen, als die Demonstranten die Teilnehmer der Veranstaltung ausbuhten und auspfiffen.

Von Ausschreitungen aber sei man weit entfernt gewesen. Die AfD hatte kritisiert, dass der Platz nach 21 Uhr nicht geräumt worden war, zu dieser Uhrzeit sollte die Demo offiziell enden. "In Deutschland wird das Versammlungsrecht sehr hoch gehalten", sagt Ertl, "es sind keine Straftaten passiert. Deswegen wäre es absolut unverhältnismäßig gewesen, die Veranstaltung zu räumen".

Unter Buhrufen verabschiedet

Nicht mehr ganz so harmonisch wie am Anfang ging es zum Ende der Veranstaltung im Bürgersaal zu. Wer dann das Gebäude verließ oder hineinging, wurde lautstark ausgebuht und ausgepfiffen, egal ob Journalist, Polizist oder Besucher, da machten einige der Demonstranten keinen Unterschied, wer reinging war Sympathisant. Auch Schimpfwörter fielen.

Veranstalter Julius Mayer ordnet die Beschimpfungen als Einzelfälle ein: Man habe mit den Leuten gesprochen und sie ermahnt. "Im Großen und Ganzen war die Demonstration sehr friedlich." Einzelne Besucher der AfD-Veranstaltung filmten beim Herausgehen mit Handykameras die Demonstranten, wurden aber teils von Aufpassern daran gehindert. Etwas später hätten Ordner die Besucher aufgefordert zu gehen, so Mayer. Danach löste sich der Protest problemlos auf.

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