Allershausener Kommunalpolitiker:Immer wieder zusammengerauft

Der 73-jährige Josef Schuhbauer (CSU) und der 74-jährige Richard Dinkel (Parteifreie Wähler) haben die Gemeindepolitik in Allershausen über Jahrzehnte hinweg mitgestaltet. Im SZ-Gespräch ziehen sie Bilanz

Interview von Petra Schnirch, Allershausen

Sie haben die Gemeindepolitik in Allershausen über mehrere Jahrzehnte hinweg mitgestaltet. Josef Schuhbauer, 73, gehörte dem Gemeinderat als Mitglied der CSU-Fraktion 42 Jahre lang an und engagierte sich vor allem für den Ortsteil Aiterbach, in dem er lebt. Richard Dinkel, 74, bringt es für die Parteifreien Wähler auf fast ebenso stattliche 36 Jahre. 18 Jahre lang, von 1996 bis 2014, war er zudem Zweiter Bürgermeister. Beide hatten bei der Kommunalwahl im März nicht mehr kandidiert, Ende April wurden sie verabschiedet. Im Garten von Richard Dinkel zogen die beiden Kommunalpolitiker im Gespräch mit der SZ Bilanz, wegen Corona mit dem nötigen Abstand, obwohl sie sich persönlich sehr schätzen.

SZ: Sie waren beide mehrere Jahrzehnte lang im Gemeinderat, ist Ihnen der Abschied schwer gefallen?

Dinkel: Überhaupt nicht. 36 Jahre sind eine lange Zeit, irgendwann muss man einen Schnitt machen. Ich habe das mit der Arbeit ja schon mal mitgemacht, da hatte ich ein bisschen Angst aufzuhören. Aber es war dann kein Problem.

Schuhbauer: Mir ist es auch nicht schwer gefallen. Ich wollte eigentlich die letzte Periode schon gar nicht mehr kandidieren. Aber ich habe mich dann breitschlagen lassen. Ich bin gerne im Gemeinderat gewesen, ich hatte auch nie Probleme mit den Leuten, in den 42 Jahren habe ich mich mit keinem zerkriegt, das war das Schöne.

Dinkel: Wir waren nicht immer einer Meinung. Aber als Gemeinderat lernt man mit der Zeit, dass man die Dinge trennen kann. Um die Sache raufen wir, aber mit dem Sepp habe ich danach eine Halbe Bier getrunken.

Zwischen Parteifreien Wählern und CSU hat es schon manchmal gekracht.

Dinkel: Nach der Wahl hat es in den letzten 24 Jahren manchmal ein bisschen geholpert, aber ich habe mich da möglichst zurückgehalten.

Schuhbauer: Ich habe da auch nicht mitgemischt.

Dinkel: Früher hatten CSU und Parteifreie sogar eine Listenverbindung. Irgendwann ging es dann nicht mehr. Ich habe gesagt: Wenn, dann mache ich bei den Parteifreien weiter, ich will in keiner Partei sein. Wir haben uns aber immer wieder zusammengerauft.

Schuhbauer: Ich habe immer abgestimmt, wie ich es für richtig gehalten habe. Und das muss ich auch sagen: Ihr Freien Wähler ward manchmal mehr Partei als wir.

Die Parteifreien haben in den vergangenen Jahren sehr oft geschlossen abgestimmt.

Dinkel: Das war aber nicht abgemacht, das lag wahnsinnig viel am Bürgermeister. Rupert Popp konnte man wirklich folgen in vielen Dingen. Man muss als Gemeinderat immer schauen, dass man einen roten Faden hat. Wir hatten viele einstimmige Abstimmungen, weil die Vorgaben vom Bürgermeister gut waren.

Sehen Sie das auch so, Herr Schuhbauer?

Schuhbauer: Ich bin mit dem Rupert gut ausgekommen, auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren. Der Vorteil vom Winkler (Anm. d. Red.: Bürgermeister Heinrich Winkler, CSU, war der Vorgänger von Rupert Popp von den Parteifreien Wählern) war, dass er mich auch mal gefragt hat, wenn er sich nicht ausgekannt hat.

Dinkel: Rupert hatte es am Anfang nicht einfach, Allershausen hatte elf Millionen Mark Schulden. Die sind dann relativ schnell abgebaut worden. Seit 2008 ist die Gemeinde schuldenfrei, das ist natürlich schön, weil man Wünsche erfüllen kann.

Schuhbauer: Wir hatten zwar Schulden, aber die Gemeinde hat investiert. Wir haben die Kredite damals für die Kläranlage aufgenommen, sogar eine Brücke haben wir gebaut. Mit dem Gewerbegebiet ist es auch langsam vorangegangen und wir hatten Gewerbeeinnahmen. Der Rupert hat das gut gemacht, aber darauf konnte er aufbauen. Früher hatten Bürgermeister und Gemeinderäte mehr Freiheiten, mehr Mut. Heute werden Machbarkeitsstudien gemacht und, und, und, weil sich keiner mehr traut. Für das Baugebiet Kohlstattfeld, das war etwa 1980, haben wir die Satzung selber ausgearbeitet, heute brauchst du Juristen, musst alles prüfen lassen.

Allershausener Kommunalpolitiker: Ihre lange, interessante Zeit in der Allershausener Kommunalpolitik lassen Richard Dinkel (links) und Josef Schuhbauer bei einem Gespräch im Garten, unter Einhaltung des derzeit gebotenen Abstands, noch einmal Revue passieren

Ihre lange, interessante Zeit in der Allershausener Kommunalpolitik lassen Richard Dinkel (links) und Josef Schuhbauer bei einem Gespräch im Garten, unter Einhaltung des derzeit gebotenen Abstands, noch einmal Revue passieren

(Foto: Marco Einfeldt)

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Dinkel: Ich bin damals immer in die Gemeinderatssitzungen gegangen als Bürger, weil ich interessiert war, was im Baugebiet Kohlstattfeld passiert, denn ich wollte dort bauen. Wahrscheinlich bin ich dadurch angezogen worden ... Die Parteifreien Wähler haben mich dann angesprochen, die meisten kommen ja so dazu: Sie treten dir ein bisschen auf die Füße und du sagst, dann mach ich halt mit. Es sind ganz wenige, die von sich aus sagen, ich will da mitmischen.

Schuhbauer: Ich bin BBV-Ortsobmann geworden, dann sind die Bauern gekommen und haben gesagt: Du musst mitmachen. Bei der ersten Kandidatur habe ich mir überhaupt nichts gedacht, da war ich so locker. Die Aufstellungsversammlung war gerammelt voll, bis in den Gang raus sind die Leute gestanden, es gab nur eine Liste und ich bin in den Gemeinderat gewählt worden. Auch Bürgerversammlungen waren früher voll.

Woran lag das, jetzt ist das ja meistens anders?

Dinkel: Es ist immer so, wenn was los ist in der Gemeinde. Damals ist eine ganze Kindergartengruppe Kinder nach Allershausen zugezogen, das kann eine Gemeinde nicht vorhalten. Die Mütter sind dann mit den Kinderwägen ins Rathaus gegangen. Der Kompromiss war, dass wir jeden Tag nach Kranzberg gefahren sind. Die hatten gerade einen Kindergarten gebaut und viel Platz. Das war eine gute Lösung. Wenn solche Sachen passieren, geht es rund. Das ist auch heute noch so.

Was war für Sie mit das prägendste Erlebnis?

Schuhbauer: Was mir am Herzen gelegen ist, war der Kanal-Bau in Aiterbach, das habe ich mit durchgesetzt. Dort durfte schon keiner mehr bauen. Außerdem das Dorfhaus in Aiterbach. Das ist 1979 geboren worden, das war eigentlich der Beginn der Dorfgemeinschaft. 1982 war die 1200-Jahr-Feier, wir sind älter als Allershausen, da haben wir schön gefeiert. Ich habe das Fest eröffnet - mir zittern heute noch die Knie (lacht), der ganze Saal war voll. Und der erste Radlweg von Aiterbach Richtung Allershausen. Einer wollte kein Grundstück hergeben. Beim Dorffest habe ich ihm dann zwei Mass bezahlt. Am nächsten Tag ist er zum Bürgermeister und hat unterschrieben (lacht). Zwei Jahre hat das fast gedauert.

Dinkel: Für Allershausen prägend war natürlich auch die 1200-Jahr-Feier, wenn ich an den Umzug denke, das war schon beeindruckend. Für mich sehr prägend waren auch die ganzen Ausgleichsflächen. Was mich total getroffen hat, war in Erfurt das Attentat des Schülers. Genau in dieser Woche, ich war Zweiter Bürgermeister, hatte ich die Geschichte der Kanone des Kriegervereins, mit der Salut geschossen wurde, ein bisschen aufgerissen, sie war 75 Jahre alt geworden. Da passiert das in Erfurt - und du erzählst von der blöden Kanone. Am liebsten hätte ich abgesagt. Sehr nahe gegangen ist mir auch der Todesfall eines Gemeinderats, der bei Leonhardsbuch auf der Autobahn gegen einen Brückenpfeiler gefahren ist. Wenn es jemanden aus den Reihen herausreißt, ist das nicht schön. Alles andere ist lange nicht so prägend.

Allershausener Kommunalpolitiker: Richard Dinkel, 74, gehörte dem Gemeinderat für die Parteifreien Wähler 36 Jahre an, 18 davon als Zweiter Bürgermeister. Beruflich arbeitete der Gärtnermeister an der TU München in Dürnast.

Richard Dinkel, 74, gehörte dem Gemeinderat für die Parteifreien Wähler 36 Jahre an, 18 davon als Zweiter Bürgermeister. Beruflich arbeitete der Gärtnermeister an der TU München in Dürnast.

(Foto: Marco Einfeldt)

Gab es auch Zeiten, in denen Sie alles hinschmeißen wollten?

Dinkel: Es waren eigentlich nur Kleinigkeiten. Ich bin mal vom Agenda-Arbeitskreis zurückgetreten und weiß eigentlich gar nicht mehr so genau, warum (lacht). Im Bauausschuss, das sollte man eigentlich ruhen lassen, ging es mal um einen Schwarzbau. Ich habe gesagt, wenn der Ausschuss zustimmt, trete ich zurück und höre auf. Nicht gefallen hat mir auch, wenn Dinge in die Familie hineingetragen werden, wenn die eigene Frau nicht mehr gegrüßt wird. Du kannst es nicht jedem recht machen - das tut dann schon ein bisschen weh.

Schuhbauer: Ich habe auch einem Freund einmal gesagt, das mache ich nicht, als er mich um einen Gefallen gebeten hat. Hernach heißt es sonst, die mauscheln. Aber er war mir nicht böse. Ich habe mit dieser Einstellung - ich habe ein Heizungsgeschäft - auch Kunden verloren. Aber du musst einfach gerade durchgehen. Wenn du selbständig bist, ist das nicht leicht, aber du gewinnst dann wieder andere Kunden (lacht).

Dinkel: Wenn du das einmal einreißen lässt, bist du unglaubwürdig.

Schuhbauer: Was sich manche Leute so vorstellen. Eine Frau, die anbauen wollte, ist bei mir auf den Mähdrescher rauf und eine Runde mitgefahren. Ich habe ihr gesagt, ich kann ihr nicht helfen.

Dinkel: Das sind Episoden, die bleiben in Erinnerung. Aber wenn man das eine Zeitlang macht, kann man damit besser umgehen.

Schuhbauer: In den ersten zwei Jahren habe ich mich wirklich schwer getan, wenn die Zuschauer hinten sitzen. Danach hat mir das nichts mehr ausgemacht. Man muss auch hart sein, sonst kannst du das nicht so lange machen.

Was geben Sie den neuen Gemeinderäten mit auf den Weg?

Dinkel: Die Linie wahren. Es ist ja oft so, dass ein Bebauungsplan fertig ist und beim zweiten Haus soll man ihn schon wieder ändern. Und man sollte nicht über-euphorisch werden. Es ist zwar schön, wenn man was entwickeln will. Aber ich weiß, das ist der Nachteil der Demokratie (lacht), wie lange es dauert, bis etwas weiter geht.

Schuhbauer: Manchmal haben wir aber auch was übersehen in den Bebauungsplänen. Was vernünftig ist, kann man im Nachhinein schon ändern. Ein bisschen menscheln muss es schon auch noch.

Dinkel: Ich finde es gut, wenn junge Leute reinkommen in den Gemeinderat, weil sie neue Ideen entwickeln. Leider Gottes haben wir wenig Frauen, das wäre schon eine Bereicherung. Wir haben jetzt mit Bürgermeister 21 Leute im Gemeinderat, davon sind drei Frauen.

Woran liegt das?

Dinkel: Ich denke, gerade in der älteren Generation, dass Frauen Frauen nicht so wählen. Das ist sehr schade. Und es ist auch schwierig, Frauen für die Liste zu gewinnen.

Schuhbauer: Ihr Parteifreien habt es da fast noch leichter als die CSU.

Allershausener Kommunalpolitiker: Josef Schuhbauer, 73, hat sich nach 42 Jahren aus dem Gemeinderat verabschiedet, dem er für die CSU angehörte. Sein Heizölgeschäft hat der Aiterbacher übergeben, zudem ist er Landwirt.

Josef Schuhbauer, 73, hat sich nach 42 Jahren aus dem Gemeinderat verabschiedet, dem er für die CSU angehörte. Sein Heizölgeschäft hat der Aiterbacher übergeben, zudem ist er Landwirt.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Gemeinde hat sich stark verändert. Gefällt Ihnen Allershausen so, wie es jetzt ist?

Schuhbauer: Ja, eigentlich schon. Ich hatte Probleme mit der neuen Ortsmitte. Ich war zwar dafür, aber ich bin von der alten Garde - ich wollte, dass wir mehr Geld sparen. Aber es ist schöner geworden, als ich gedacht habe. Auch in den Dörfern ist viel passiert.

Dinkel: Die neue Ortsmitte ist hervorragend geworden. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich vorbei fahre, dort sind immer Leute.

Schuhbauer: Von den Geschäften her ist Allershausen aber ein alter Hut, das spielt sich alles in Oberallershausen ab.

Dinkel: Es ist aber auch verdammt schwierig, in der Ortsmitte kleine Läden zu halten. Die verhungern im Endeffekt. Aber die Ortschaft an sich ist wunderschön, unser Hauptproblem ist der Verkehr. Wenn wir eine Umgehung hätten, wären 50, 60 Prozent davon draußen, dann könnte man manches schöner gestalten.

Schuhbauer: Eine Südumfahrung, wie sie schon vor 35 Jahren im Gespräch war, bringt aber nichts. Der meiste Verkehr kommt aus dem Ampertal, weil die Gemeinden dort so stark gewachsen sind. Ich habe der CSU schon mal eine Ein- und Ausfahrt an der Autobahn Richtung Norden vorgeschlagen.

Dinkel: Keine Chance, ich war bei mehreren Besprechungen mit den Behörden dabei.

Schuhbauer: Woanders haben sie auch Doppelausfahrten.

Wie wollen Sie die neu gewonnene Freizeit nutzen?

Dinkel: Sie sehen meinen Garten, der macht viel Arbeit, ansonsten habe ich jetzt mehr Zeit für die Zeitungslektüre. Und ich bin auch ein Handwerker. Der Wintergarten hier, das ist alles Marke Eigenbau. Wir machen viele Tagesausflüge. Entscheidend ist einfach, dass man mit seinem Partner gut auskommt.

Schuhbauer: Wir sind eine große Familie, da rührt sich immer was. Langweilig wird mir nicht, wir haben eine Landwirtschaft, mir macht es Spaß, da mitzuhelfen, und im Betrieb bin ich Fahrer, wenn jemand ausfällt. Außerdem habe ich den Gemüsegarten jetzt übernommen, der will dich jeden Tag sehen. Ich bin immer viel gereist, ich habe Südamerika, halb Afrika und Vietnam besucht. Dabei habe ich schon so viel erlebt, beim Sturz vom Stroessner in Paraguay (Anm. d. Red.: Diktator Alfrede Stroessner ist im Februar 1989 durch einen Militärputsch gestürzt worden) waren wir mittendrin. Ein paar Sachen will ich schon noch machen, wenn es gesundheitlich geht.

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