Agrarzentrum in Freising:Ein Platz in der Spitzenliga

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Aus der Agrar-Branche kamen immer wieder Forderungen nach Reformen in Weihenstephan. Ein erster Schritt ist nun gemacht. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Nach mehreren vergeblichen Anläufen sollen die Agrar- und Gartenbauwissenschaften in Weihenstephan endgültig reformiert werden. Diesmal könnte es gelingen, glaubt Josef Bosch, Vorsitzender der Max-Schönleutner-Gesellschaft.

Von Petra Schnirch, Freising

Anläufe für eine Reform des Agrar-Standorts Weihenstephan hat es schon einige gegeben. Diesmal aber ist Josef Bosch „extrem zuversichtlich“, dass es gelingen könnte. Seit knapp zwei Jahrzehnten fordern Verbände, Fachleute und Praktiker mit Nachdruck eine Aufwertung der Agrarwissenschaften und eine bessere Zusammenarbeit der drei Player am Campus. Fast ebenso lange kämpft auch die Max-Schönleutner-Gesellschaft Weihenstephan mit ihrem Vorsitzenden Bosch für dieses Ziel. Mit dem Beschluss des Ministerrats, dort ein Agrarzentrum zu gründen, ist nun ein erster wichtiger Schritt getan.

„In meinen Augen ist das eine Riesen-Chance“, sagt Bosch. Hier werde ein bundesweiter Präzedenzfall geschaffen, um das Studium der Agrar- und Gartenbauwissenschaften wieder attraktiv zu machen mit einer Verbindung von Grundlagen- und angewandter Forschung sowie Lehre. Allerdings sei das Projekt „noch nicht in Sack und Tüten“, warnt er. Bisher steht wenig mehr fest, als dass die Kernthemen der drei Weihenstephaner Einrichtungen – TU München (TUM), Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) und Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) – an dem neuen Agrarzentrum gebündelt werden sollen. Geplant ist zunächst ein gemeinsamer Bachelor-Studiengang von TUM und HSWT.

Josef Bosch begleitet die Entwicklungen in Weihenstephan seit vielen Jahren, er ist Vorsitzender der Max-Schönleutner-Gesellschaft. (Foto: privat)

Die Forderungen und Willensbekundungen, dass sich etwas ändern muss, waren in den vergangenen beiden Jahren lauter geworden. Im Bericht zur Kabinettssitzung vom 21. Juni 2022 heißt es: „Die Agrarwissenschaften sind von zentraler Bedeutung für die bayerische Agrarwirtschaft. Die immer komplexer werdenden Anforderungen an die landwirtschaftliche Produktion bedürfen einer intensiven wissenschaftlichen Befassung und des Transfers der Erkenntnisse in die Praxis.“ Und als Schlussfolgerung daraus: „Ziel ist es, gemeinsam mit TUM, HSWT und LfL einen europaweit einzigartigen integrierten Agrarcampus Weihenstephan zu formen, an dem Forschung, Lehre und Transfer hochschulartübergreifend erbracht werden und der dazu die individuellen Stärken zu einem agrarsystemwissenschaftlichen Gesamtansatz vereint.“

Einige Monate später, im April 2023, formuliert auch der Deutsche Wissenschaftsrat in einem Positionspapier die Notwendigkeit für eine strukturelle (Neu)-Orientierung der Agrarwissenschaften nicht nur in Weihenstephan. Die hochschulische Aus- und Weiterbildung, heißt es in dem Papier, ziele „nicht nur auf disziplinspezifisches Wissen“, sondern solle zugleich ein Verständnis für systemische Zusammenhänge vermitteln. Angesichts der Herausforderungen bei der Ernährung der Weltbevölkerung, aber auch für Ökologie und Ökonomie müsse die Wissenschaft Transformationsprozesse mitgestalten. Dies könne nur durch die „strukturelle Vernetzung disziplinär orientierter Forschung und unterschiedlicher Einrichtungen geschehen“.

Ebendiese systemische Einbindung inklusive Praxisbezug ist an der TUM in den vergangenen 25 Jahren mit einer Fusion der einzelnen Fakultäten zum Wissenschaftszentrum Weihenstephan in den Agrarwissenschaften zunehmend verloren gegangen, beklagen Kritiker. Seitdem reiben sie sich innerhalb und außerhalb der Fakultät an dieser Entwicklung.

2007 stritt der Bayerische Bauernverband (BBV) mit TUM-Präsident Wolfgang Herrmann heftig über den eingeschlagenen Kurs. Die Zahl der Studienanfänger in den Agrar- und Gartenbauwissenschaften ging auf 60 zurück. Schon damals brachte der BBV die Gründung einer eigenen Agrar-Uni in Weihenstephan in die Diskussion. Dazu kam es bekanntlich nicht. Aber die TUM verpflichtete sich in einer Zielvereinbarung, die Agrarwissenschaften zu stärken. Auch der Bau des Hans-Eisenmann-Zentrums sollte die Agrarforschung besser vernetzen und eine Brücke in die Praxis schlagen.

Im Freisinger Schafhof gründete sich 2008 die Max-Schönleutner-Gesellschaft. Die Festgäste (v. l.) – der damalige TUM-Präsident Wolfgang Herrmann, BBV-Präsident Gerd Sonnleitner, Ministerpräsident Günther Beckstein, Landwirtschaftsminister Josef Miller und Vorsitzender Josef Bosch - stritten in der Folge häufig über den richtigen Kurs in Weihenstephan. (Foto: Renate Schmidt)

2008 gründete sich die Max-Schönleutner-Gesellschaft Weihenstephan, um die Agrar- und Gartenbauwissenschaften zu fördern – und anzuprangern, was aus ihrer Sicht schiefläuft. Sie zählt mittlerweile etwa 150 Mitglieder und ist laut Bosch in der Agrar-Branche etabliert. Er selbst scheut in der Sache keinen Konflikt, schrieb Ministerpräsidenten und Minister an. Der 66-Jährige ist selbst Landwirt, hat an der TUM studiert und promoviert, auf seinem Hof in Mangolding bei Regensburg setzt er auf innovative Technik. Bosch gehörte auch dem „Sounding Board“ an, der Expertenkommission, die in den vergangenen Monaten Vorschläge für eine Reform des Agrar-Standorts ausarbeitete.

Grundlagenforschung sei wichtig, betont er. Die TUM habe die Landwirtschaft aber mehr und mehr aus dem universitären Bereich entfernt, sagt er rückblickend. Auch die Bemühungen, das nach 2007 zu ändern, seien nicht zielführend gewesen. Bereits existierende gemeinsame Master-Studiengänge mit der HSWT kündigte die TUM wieder auf.

Entscheidend ist, dass genügend Ressourcen zur Verfügung stehen

Mit dem neuen Agrarzentrum soll sich alles ändern. Was ihn so optimistisch stimmt? TUM, HSWT und LfL haben Zustimmung signalisiert. Außerdem werde das Zentrum per Gesetz als unabhängige Gesellschaft des öffentlichen Rechts gegründet, sagt Bosch. Eine Strukturkommission soll die Ausarbeitung des Konzepts begleiten, ein Beirat die Umsetzung. So kann sich über die drei Einrichtungen eine neue gemeinsame Agrar- und Gartenbauwissenschaft entwickeln, die den Anforderungen des Wissenschaftsrates gerecht wird. Formal für die Erfüllung der Aufgaben in der Lehre ist das Zentrum eine Einrichtung der TUM, das sei rechtlich nicht anders möglich, erklärte Wissenschaftsminister Markus Blume bei der Vorstellung der Pläne vor einer Woche. Entscheidend sei nun, dass genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, sagt Josef Bosch. „10 000 Euro reichen da nicht aus.“ Notwendig sei außerdem die echte Bereitschaft aller Beteiligten, dauerhaft zusammenzuarbeiten. „Eine bessere Chance gibt es nicht in ganz Deutschland.“

„Wir haben immer gesagt, wir brauchen auch die Universität“, so Bosch. Die HSWT leiste hervorragende Arbeit, bilde Landwirte und Betriebsleiter aus. Die TUM nimmt weltweit Rang 28 in der Bestenliste des „QS World University Ranking“ ein. „Für international sichtbare Forschung und die Ausbildung von Führungskräften, die in Spitzengremien von Wirtschaft und Politik Anerkennung finden, ist ein Zeugnis einer Universität TUM eine andere Nummer“, sagt Bosch. „Auch wir in der Branche ‚Landwirtschaft und Gartenbau‘ wollen in dieser Spitzenliga unseren Platz haben.“

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