In Weihenstephan soll ein in Europa einzigartiger Agrar-Campus entstehen. Wie dies gelingen kann, darüber gab es in den vergangenen Monaten hitzige Diskussionen und viele Spekulationen. Denn die Interessen von gleich drei profilierten Einrichtungen – TU München (TUM), Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) und Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) – müssen unter einen Hut gebracht werden. Dies ist offenkundig geglückt. HSWT-Präsident Eric Veulliet sieht in den am Mittwoch im Landtag präsentierten Vorschlägen eine „große Chance“. Sein TUM-Kollege Thomas Hofmann spricht von einem „zukunftsorientierten Modell“.
Zuvor waren immer wieder Befürchtungen laut geworden, die HSWT könnte in dem Prozess unter die Räder kommen. Dabei waren es vor allem die stark grundlagenorientierten Studiengänge an der TUM, die bei Berufsverbänden immer wieder Kritik ausgelöst hatten. Ihren Unmut äußerten sie auch in Briefen an die Staatsregierung, wie Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) sagte. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Markus Blume (CSU) stellte sie am Mittwoch bei einer gemeinsamen Sitzung der beiden Ausschüsse für Wissenschaft und Kunst sowie für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus Eckpunkte zur Weiterentwicklung der Agrarwissenschaften vor.
Die Details müssen noch ausgearbeitet werden. Fest steht, dass ein „Agrarzentrum Weihenstephan“, so der Arbeitstitel, gegründet werden soll. Die Ausbildung der Studienanfänger soll in einem gemeinsamen Bachelor-Studiengang mit universitärem Abschluss gebündelt werden. Offen ist er auch für Schulabgänger mit Fachabitur. Diese sollen aber ein zwei Semester umfassendes „Vorstudium“ an der HSWT absolvieren.
„Weihenstephan kann ein europaweit einzigartiger integrierter Agrar-Campus werden“, sagte Wissenschaftsminister Blume. Dafür müsse aber das Miteinander anders organisiert werden, als dies bisher der Fall sei. „Wir haben Einrichtungen, die hochgradig für sich erfolgreich sind, aber im Wesentlichen nebeneinander her arbeiten“, hielt er fest. Trotz immer wieder erneuerter Absichtserklärungen für eine engere Zusammenarbeit. Seit 20 Jahren werde bereits darüber diskutiert, wie man „aus Weihenstephan noch mehr machen kann“.
Vor zwei Jahren gewann die Diskussion an Dynamik. Im Juni 2022 formulierte der Ministerrat das Ziel, einen integrierten Agrarcampus Weihenstephan zu formen, an dem Forschung, Lehre und Wissenstransfer gebündelt werden. Die drei Präsidenten der Einrichtungen legten ihre Vorschläge vor, in den vergangenen Monaten setzte sich eine Expertenkommission, „Sounding Board“ genannt, mit dem Thema auseinander.
Dass die Gerüchte, die seither die Runde machten, nicht aus der Luft gegriffen waren, zeigte am Mittwoch der kurze Bericht von Frank Ewert, der die Kommission leitete. Nachgedacht wurde demnach auch über eine Integration der HSWT in die TUM. Außerdem über die Schaffung einer Agraruniversität mit und ohne Berücksichtigung der Landesanstalt. Notwendig sind laut Ewert in jedem Fall strukturelle Veränderungen. „Das Ganze muss mehr sein als die Summe der Teile“, betonte Blume. Einfach eine lose Dachorganisation zu gründen, war deshalb schnell als nicht zielführend verworfen worden.
Einfach eine Einrichtung zu schlucken, macht keinen Sinn
Die Idee, die HSWT in die TUM einzugliedern, ist endgültig vom Tisch, das betonte er am Mittwoch. Damit würde man das Besondere der beiden Einrichtungen schleifen. Die Marke HSWT wäre weg, und auch der Exzellenzuniversität TUM wäre damit nicht gedient. Einfach eine Einrichtung zu schlucken, die ein ganz anderes Profil hat, macht laut Blume keinen Sinn.
Allerdings soll auch keine neue Agraruniversität entstehen. Der Aufbau wäre zu komplex, würde zu lange dauern, schilderte der Wissenschaftsminister. Ziel ist nun ein „Best-of“, ein integrierter Agrar-Campus für die Kernthemen der Agrar- und Gartenbauwissenschaften, in dem Teile von HSWT und TUM sowie der LfL zusammengefügt werden. Dies geschieht in einer neuen Rechtspersönlichkeit. Die Professoren und Professorinnen werden sowohl dem neuen Zentrum als auch der jeweiligen Einrichtung angehören. Vorbild ist die Struktur der Hochschule für Politik. Bestehende Gebäude werden gemeinsam genutzt. Basis für alles ist laut Blume das Hans-Eisenmann-Forum.
Eine Strukturkommission und später dann ein Strukturbeirat sollen die Neuausrichtung begleiten. Auf Nachfrage skizzierte Blume auch einen Zeitplan: Das Ziel ist, noch 2024 einen Gesetzesentwurf vorzulegen. In der aktuellen Legislaturperiode, also bis 2028, soll der Prozess abgeschlossen sein.
„Potenzial lag brach“, sagte die Landwirtschaftsministerin
Michaela Kaniber erinnerte daran, dass an der TUM die Zahl der Studienanfänger in den Agrarwissenschaften in den vergangenen Jahren mit zum Teil nur 50 Studierenden erschreckend niedrig gewesen sei, auch wenn das Interesse zuletzt wieder gestiegen sei. „Potenzial lag brach“, sagte sie. Die TUM habe sich von der Praxis immer weiter entfernt. Auf der einen Seite stehe „der große Eiffelturm der Wissenschaft“, auf der anderen seien die „Gummistiefelbauern“, das gelte es wieder zusammenzuführen. Für die Herausforderungen des Klimawandels brauche man die klügsten Köpfe.
TUM-Präsident Hofmann zeigte sich zufrieden. Die jeweiligen Stärken der drei Partner würden gebündelt, um die Agrarwissenschaften in Weihenstephan „auf international höchstes Niveau zu heben“. Eric Veulliet von der HSWT sprach von einer „großen Chance für den Standort Weihenstephan, für die Agrarwissenschaften und für die Studierenden“. Nach langem Hin und Her sei eine gute Lösung gefunden worden. Die politische Arbeit ist nun aus seiner Sicht abgeschlossen, „jetzt beginnt das Feintuning“.
Landtagsabgeordneter Benno Zierer (FW) hatte ebenso wie Johannes Becher (Grüne) früh davor gewarnt, die HSWT zu beschädigen. Zierer betonte nun, dass man in einem intensiven Dialogprozess eine „tragfähige Lösung“ erreicht habe.