SZ-Adventskalender:Wenn die Lebenswelt aus den Fugen gerät

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Ein Schicksalsschlag kann den ganzen Lebensentwurf über den Haufen werfen. Für viele hat das aber auch finanzielle Folgen: Das Geld reicht kaum oder nicht mehr aus, um das Leben zu stemmen. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Frau W. hatte ein glückliches Familienleben - bis vor zwei Jahren ganz plötzlich ihr Ehemann starb. Frau W. rutschte danach in eine tiefe Lebenskrise und in eine finanzielle Notlage.

Von Gudrun Regelein, Freising

Einschneidende Ereignisse können ganz plötzlich eine Lebenswelt aus den Fugen geraten lassen. Der Tod des Partners beispielsweise, eine schwere Erkrankung oder auch ein schrecklicher Unfall. Das kann Menschen komplett aus ihren geordneten Bahnen werfen. "Eine Welt bricht zusammen. Das führt bei vielen zu einer Lebenskrise", sagt Regina Simnacher von der Sozialen Beratung der Caritas Freising. "Alles führt in dieser extremen Ausnahmesituation zu einer totalen Überforderung", schildert sie. Bei manchen setze sich dann eine Abwärtsspirale in Gang - auch finanziell. Rechnungen können beispielsweise oft nicht mehr bezahlt werden, weil plötzlich ein Einkommen fehlt - oder die finanzielle Belastung gestiegen ist.

Bei Frau W. war das beispielsweise so. Frau W. lebte mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in einem Mietshaus in Moosburg. Ihr Familienleben war klassisch geordnet: Herr W. hatte eine gute Anstellung und ein Einkommen, das für die große Familie ausreichend war - auch wenn damit kaum Rücklagen gebildet werden konnten. Frau W. dagegen kümmerte sich um den Haushalt, die Kinder und organisierte alle Themen rund um die Familie.

Bis Januar 2022 war das Familienleben in Ordnung. Dann aber, zwei Tage nach einer Impfung, erlitt Herr W. im Alter von 55 Jahren bei einer Feier einen Herzinfarkt. Frau W. reanimierte ihren Ehemann noch, bis der Rettungsdienst da war. Auf dem Weg ins Krankenhaus starb Herr W. dann aber. Nach seinem Tod geriet das Leben der Familie komplett aus den Fugen.

Der Schuldenberg wurde immer größer

Frau W. geriet nach diesem traumatischen Ereignis in einen tiefen Trauerprozess. In der ersten schweren Zeit wäre Frau W. ihrem Ehemann am liebsten in den Tod gefolgt - sie war absolut verzweifelt. Plötzlich wurde sie mit vielem konfrontiert, das ihr Mann zuvor geregelt hatte. Unter anderem auch die finanziellen Angelegenheiten der Familie.

Frau W. bekam nach einigen Monaten Wartezeit zwar eine Witwenrente, diese war aber für die hohe Miete und ihre sonstigen regelmäßigen Ausgaben nicht ausreichend. Sie beantragte zusätzliche Sozialleistungen, doch auch damit konnten Frau W. und ihre Kinder kaum überleben. Frau W. ging es gesundheitlich immer schlechter, ihre Trauer um ihren Ehemann war unendlich groß. Bis sie endlich wieder in der Lage war, Entscheidungen zu treffen, verging einige Zeit. In dieser wurden auch einige Rechnungen nicht beglichen, der Schuldenberg wurde immer größer.

(Foto: SZ)

Ihre beiden bereits volljährigen Kinder suchten schließlich eigene Wege, um mit dem Verlust des Vaters zurechtzukommen. Nacheinander zogen sie aus dem gemeinsamen Familienhaushalt aus, Frau W. war mit dem, was von der großen Familie übrig geblieben war, alleine.

Ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes hatte die 50-Jährige dann wieder ein wenig mehr Kraft, um sich neu zu orientieren. Sie entschied sich, wegzuziehen - in ihrem Zuhause wurde sie ständig an die Vergangenheit, an den Tod ihres Mannes erinnert. Frau W. hofft, an ihrem neuen Wohnort mithilfe einer psychotherapeutischen Begleitung endlich die Erlebnisse verarbeiten zu können. Genauso hofft sie, ihre sehr angespannte finanzielle Situation wieder nach und nach in den Griff zu bekommen.

Klienten mit einer multikomplexen Problemlage

Alleine mit einem Schicksalsschlag zurechtzukommen, sei schon schwierig, sagt Regina Simnacher. Bei vielen Betroffenen kämen dann aber noch finanzielle Nöte dazu. "Meistens kommen Klienten mit einer multikomplexen Problemlage zu uns", sagt Simnacher. Sie erzählt von Frau S., auch deren Ehemann war sehr plötzlich gestorben, danach starb bald die Mutter. Die Beerdigungskosten konnte Frau S. nicht begleichen, sie jobbte im Niedriglohnsektor.

Kurz nach dem Tod ihrer Mutter erhielt sie dann die Diagnose Krebs. Noch immer ist Frau S. arbeitsunfähig, die Therapie hat große Nebenwirkungen. Bis endlich einmal beantragte Leistungen vom Jobcenter flossen, verging eine sehr lange Zeit, berichtet Simnacher. Frau S. hat Schulden. Das Geld, das sie derzeit bekommt, reicht kaum aus, um damit den Alltag zu meistern.

"Wir erleben hier immer mehr extreme Krisen und komplexe Problemlagen", sagt Simnacher. Die Zahl der Klienten steigt. Auch die Soziale Beratung sei mittlerweile an ihre Kapazitätsgrenzen geraten, es gibt eine mehrwöchige Warteliste - die dringenden Fälle werden vorgezogen. In akuten finanziellen Notlagen könne man zum Glück mit Spendengeldern aushelfen. "Das schafft dann zumindest für diesen Moment eine wichtige Erleichterung", sagt Regina Simnacher.

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