Süddeutsche Zeitung

Adventskalender für gute Werke:Mit dem Rücken zur Wand

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist eines der drängendsten Probleme für die Menschen in der Region. Von Obdachlosigkeit ist mittlerweile sogar der Mittelstand bedroht. Die Diakonie Freising kann vielen Betroffenen helfen. Je eher sie sich melden, um so besser

Von Gudrun Regelein, Freising

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist eines der drängendsten Probleme für die Menschen in der Region. Und die Situation spitzt sich immer mehr zu. "Eine bezahlbare Wohnung in der Stadt oder im Landkreis Freising zu finden, ist kaum mehr möglich", sagt Beate Drobniak, Leiterin der Diakonie Freising. Die Folgen seien auch in der Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit (FOL) der Diakonie Freising deutlich zu spüren: Die Zahlen sind drastisch gestiegen. "Wir hatten in diesem Jahr bis jetzt 238 Fälle mit 531 Betroffenen, darunter auch viele Kinder. 2018 waren es 165 Fälle mit insgesamt 269 Menschen", berichtet Beate Drobniak. Hinter jedem dieser Fälle aber steckt ein Schicksal.

Wie das der Familie Hofmann (Name geändert). Das Ehepaar konnte die Miete nicht mehr begleichen, Mietschulden häuften sich, dann kam die Räumungsklage und der Umzug in eine Unterkunft im Landkreis. Kurz nach dem Einzug musste Frau Hofmann wegen offener Abszesse ins Krankenhaus. Als ihr Mann sie dort besuchte, brach auch er zusammen. Die Diagnose lautete Cobb Syndrom, eine Gefäßmissbildung. Nach vielen Monaten im Krankenhaus und einer Reha geht es dem Ehepaar wieder besser. Aber das Leben in der Notunterkunft belastet die Hofmanns sehr. Der 63-Jährige geht zwar inzwischen wieder arbeiten, kann seinen Beruf als Verkäufer aber nur eingeschränkt ausüben, was ihn sehr frustriert. Zudem hat das Ehepaar nicht den Tod ihres Sohnes, der im Alter von 15 Jahren starb, überwunden. Ihr Leben ist geprägt von Trauer, Schmerzen und Problemen. Neben dem nicht überwundenen Verlust des Sohnes kämpfen die beiden mit ihren Krankheiten und den misslichen Umständen in der Notunterkunft. Eine Aussicht auf eine eigene Wohnung haben sie nicht, die Miete können sie sich nicht leisten.

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Betroffen von der Wohnungsnot und einer drohenden Obdachlosigkeit aber sind schon längst nicht mehr nur sozial benachteiligte Menschen: "Das hat bereits die Mittelschicht erreicht", sagt Drobniak. Familien mit zwei Verdienern blieben nicht verschont, daneben kämen häufig alleinerziehende Mütter und Senioren in die FOL. Gründe für eine drohende Wohnungslosigkeit gebe es viele: Neben Mietschulden nennt Drobniak beispielsweise den Verlust der Arbeit, Krankheit und eine Scheidung oder Trennung. Die Wohnraumsuche, betont sie, sei inzwischen nicht mehr nur in der FOL, sondern in allen Bereichen der Diakonie ein großes Thema.

Die Diakonie Freising kann vielen Menschen helfen: Sie werden nicht obdachlos und müssen nicht in eine Notunterkunft umziehen, was immer auch eine existenzielle Krise auslöst. Dem Landkreis werden dadurch für die sonst notwendig gewordene Unterbringung jedes Jahr etwa eine halbe Million Euro eingespart. Entscheidend für den Erfolg sei, in welcher Phase die von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen sich Hilfe suchen, erklärt Beate Drobniak. "Je früher, umso besser. Umso größer sind die Chancen, eine Kündigung noch zu verhindern." 2018 konnten von insgesamt 165 Fällen 88 positiv abgeschlossen werden - das heißt, die Wohnung konnte behalten oder eine neue gefunden werden. Bis es aber soweit war, dauerte es oft sehr lange. Um die Lebenssituation ihrer Klienten nicht noch zu verschlimmern, leistet die Diakonie aus Spenden - wenn es sein muss - eine Soforthilfe. Beispielsweise um eine Mietschuld tilgen oder eine offene Stromrechnung begleichen zu können, erklärt Drobniak. Häufig dauere es eine lange Zeit, bis die beantragten Sozialleistungen eintreffen, dann springt die Diakonie ein. Dennoch kann trotz der Unterstützung der FOL nicht immer eine Obdachlosigkeit verhindert werden: Elf Menschen im Landkreis mussten im vergangenen Jahr in eine Notunterkunft umziehen.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2019
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