Abheben  mit der LSV Albatros:Alles eine Frage der Thermik

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Segelfliegen sensibilisiert den Menschen für die Abläufe und Bedingungen der Natur. Auf dem Flugplatz nahe Gammelsdorf lernen Flugschüler vor allem, ihr Können im Cockpit richtig einzuschätzen

Von ANNE GERSTENBERG, Gammelsdorf

Eine eigene kleine Welt entdeckt man, wenn man von Moosburg aus kommend, hinter Gammelsdorf noch ein Stück weiter die Landstraße entlang fährt. Hinter einer markanten Kurve biegt man dann links ein. Auf kleinen Schildern am Straßenrand ist für den genauen Beobachter die Destination ausgeschildert: "Segelflugplatz" steht dort in kleinen Lettern. Ein winziger Feldweg, übersät mit Schlaglöchern, führt durch ein kleines Waldstück und öffnet die Pforte zu einem Fleckchen Erde, das ein ganz eigenes Universum ist. Dort dreht sich alles nur um eine Sache: das Segelfliegen.

Als erstes sieht man nur mehrere Wohnwagen, die neben einer riesigen Scheune stehen, dann einen Spielplatz und eine überdachte Veranda mit Bierbänken. Alles ist liebevoll gepflegt und eingerichtet. Dahinter erstreckt sich ein weites Feld mit gepflegtem Rasen - der Flugplatz. Von den Vereinsmitgliedern wird er liebevoll als "einer der schönsten in ganz Deutschland" bezeichnet. Elegant und leicht sieht es aus, wie die Segelflieger durch die hohen Lüfte gleiten. Von unten wirken sie mit ihrer proportionalen und aerodynamischen Form wie Vögel, die sich natürlich von den Winden tragen lassen. Ganz glatt ist die weiße Oberfläche der geschwungenen Flugkörper, die ohne Antrieb fliegen können. Sie bestehen nur aus einem Cockpit, Flügeln, Steuerrudern und Messgeräten in den Armaturen, die zum Fliegen unerlässlich sind. Zum Abheben braucht es keine Turbine, sondern nur die Seilwinde, die den Segelflieger beim Start auf 350 Meter Höhe zieht. Dann ist es die Thermik, die das Flugzeug fliegen lässt. Filigran wirken die Flugzeuge, die leicht konstruiert sein müssen, um fliegen zu können. Dennoch sind "die Segelflieger stabiler als ein dicker Dumbo", erzählt Peter Weber. Er ist langjähriges Mitglied der Luftsportvereinigung Albatros, die ihren Segelflugplatz in der Nähe von Gammelsdorf hat.

"Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn man über unendlich weite Landschaften gleitet und sich dabei in die Kräfte der Natur einfügt", erklärt ein Fluglehrer, der von allen nur Olli genannt wird. Der Flug ist ein Spiel aus Unterwerfung unter Naturgewalten beim gleichzeitigen Versuch diese doch zu beherrschen. Einerseits ist man abhängig von Wetter und Thermik. Andererseits macht man sich die aufsteigenden Winde auch zunutze, um den ureigenen Traum des Menschen vom Fliegen zu verwirklichen. Nur durch eine dünne Wand aus Kohlefaser ist der Pilot vom freien Himmel getrennt, nur durch eine Schicht Plexiglas vom ewig weiten Panorama entfernt. Peter Weber sagt, der Fliegernachwuchs schätze vor allem die unendliche Stille, die im Cockpit in der Luft herrscht. "Dann fühlt man sich plötzlich ganz klein, in der Weite und Gewalt der Natur", sagt Weber. Die eigene Nichtigkeit werde den Piloten bewusst. Alle Probleme würden dabei auch wieder kleiner.

Wer Segelflieger werden will, muss für eine Ausbildung vor allem eine Voraussetzung mitbringen. Und zwar ein "Gelenk im Nacken, das den Kopf nach Hinten neigt und nach oben sehen lässt", sagt Peter Weber. Man könnte auch Faszination für das Fliegen nennen. "Alle Menschen mit Fliegerblut tragen diese Faszination schon in ihren Genen", sagt er. Zur Ausbildung gehört aber auch ein Test der eigenen Flugtauglichkeit. Ab 14 Jahren darf man diesen absolvieren. Viele spätere Berufspiloten etwa machen bereits früh im Leben ihren Segelflugschein. Aufgeteilt ist die Segelfliegerausbildung in Theorie und Praxis. Im theoretischen Teil lernt man etwas über das Luftfahrtrecht, Wetterkunde, Navigation, Funk und die Eigenschaften der Segelflugzeuge. Das Wissen über diese Dinge ist obligatorisch, wenn man selbst fliegen möchte.

Der praktische Teil der Ausbildung lässt von Anfang an viel Selbstständigkeit zu. Das Ausbildungsflugzeug ist mit zwei Sitzen, Armaturen und Joysticks zur Steuerung der Ruder ausgestattet, damit der Schüler ab dem ersten Flug aktiv mitsteuern kann. Die Fluglehrer bringen ihnen bei, Start und Landung sicher zu beherrschen, die Ruder lenken zu können und die Instrumente lesen zu lernen. Bei den 50 bis 80 Flugstunden, die ein Schüler mindestens absolvieren muss, soll er ein Gefühl für die Höhe und Routine bei den Abläufen im Cockpit entwickeln. Wichtig ist vor allem, das eigene Können richtig einschätzen zu lernen.

Peter Weber sagt, dass der Verein seinen jungen Mitgliedern neben all der Selbsterfahrungen im Segelflugzeug auch Verantwortungsbewusstsein und Sozialkompetenz vermittle. "Wir sind keine Pessimisten, aber wir haben immer sicherheitshalber einen Fallschirm dabei. Man muss sich komplett auf den Anderen verlassen können. Der Fehler des Einen kann den Tod des Anderen bedeuten." Deshalb wäre es auch eine Lüge, das Segelfliegen als völlig sicheren Sport zu bezeichnen. "Ein Restrisiko bleibt immer", sagt Weber. "Aber Segelfliegen ist rein statistisch weniger gefährlich als Fußball zu spielen."

Wer sich für das Segelfliegen entscheidet, für den muss es auch zu einer Passion werden. Denn es ist ein zeitaufwendiges Hobby. "Der Verein ist wie eine zweite Familie. Wir sind das ganze Wochenende über hier draußen. Tagsüber wird geflogen, abends gibt es Lagerfeuer für die ganze Familie. Übernachtet wird in den Wohnwagen", erzählt Weber und blickt stolz um sich in dem kleinen Universum, in dem er Zuhause ist.

© SZ vom 25.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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