3000 Bücher im Angebot:Mit Büchern die Kultur stärken

3000 Bücher im Angebot: Nur Bücher auf Türkisch und eine schöne Leseecke - mit seiner neuen Buchhandlung in Neufahrn hat Fatih Ilbay ein Alleinstellungsmerkmal im Raum München geschaffen.

Nur Bücher auf Türkisch und eine schöne Leseecke - mit seiner neuen Buchhandlung in Neufahrn hat Fatih Ilbay ein Alleinstellungsmerkmal im Raum München geschaffen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Fatih Ilbay erfüllt sich einen Traum und eröffnet an der Neufahrner Bahnhofstraße einen ungewöhnlichen Buchladen - Literatur auf Deutsch sucht man dort vergebens.

Von Alexandra Vettori, Neufahrn

In den Sechzigerjahren war Neufahrn einer der Orte im Landkreis Freising, an dem sich viele Gastarbeiter aus der Türkei angesiedelt haben. Bis heute gibt es eine starke türkische Gemeinde, die sich jetzt über den ersten Buchladen im Großraum München mit rein türkischer Literatur freuen kann. Eröffnet hat ihn Fatih Ilbay aus Gauting.

Türkische Schlager tönen leise im Hintergrund, über einen edlen Holzfußboden gelangt der Kunde zu einer kuscheligen Sitzecke mit orientalisch gemusterten Kissen - Kitabhâne, "das Haus der Bücher", lädt zum Schmökern ein. Türkische und internationale Literatur in türkischer Übersetzung, so beschreibt Ilbay sein Sortiment. Über 3000 Bücher hat er im Laden. "Alles, was Türken gerne lesen", erklärt er lächelnd, also erst einmal viele Romane. Aber Ilbay nimmt seinen Bildungsauftrag ernst, er legt Wert auf Sach- und Kochbücher, viele Kinderbücher, Spiele, Puzzles.

Die Idee, erzählt Ilbay, sei im Urlaub am Meer entstanden. Er habe mit Freunden von einem türkischen Buchladen in München geträumt, so etwas gebe es nicht, höchstens ein paar Shops in Moscheen. Kurz darauf erfuhr er von einem Freund aus Neufahrn, dass dieser in der früheren Hypobank an der Bahnhofstraße ein türkisches Restaurant eröffnet habe. Und die zweite Ladeneinheit stehe noch leer. So kam der Gautinger Fatih Ilbay mit seinem Team nach Neufahrn. Buchhändler seien sie alle nicht, sagt Ilbay, der sein Geld sonst als Taxifahrer verdient, "aber wir lesen viel und wir recherchieren".

"Um mich integrieren zu können, muss ich wissen, wer ich bin"

Auch deutsche Besucher hat er schon begrüßt, die waren aber meist ein wenig enttäuscht, nur türkische Buchtitel vorzufinden. Auf die Fragen, warum es keine deutschen Bücher gebe und ob das nicht der Integration schade, habe er immer gleich geantwortet: "Nein, um mich integrieren zu können, muss ich erst mal wissen, wer ich bin." Viele in Deutschland lebende Türken, gerade der zweiten und dritten Generation, beherrschten das Türkische nicht mehr gut. "Mit Büchern kann man die eigene Kultur stärken, dann bin ich selbstbewusst und kann mich eher als Teil der deutschen Gesellschaft sehen." Extremismus entstehe aus Schwäche.

Ilbay nimmt die Frage nach fundamentalistischer oder islamistischer Literatur nicht krumm. "So etwas werden Sie hier nicht finden. Wir haben überlegt: Wo ist unsere Schmerzgrenze. Und wir ziehen sie da, wo es radikal, unmoralisch oder separatistisch wird." Man setze auf Aufklärung, dahingehend, "dass man in einem Land, wo man sein Geld verdient und Steuern zahlt, auch in Frieden lebt." Die 60-jährige Geschichte der Türken in Deutschland zeige sehr genau, dass man nicht Messerstechereien oder Lastwagen-Attacken hierher gebracht habe. "Das alles hat es nie gegeben - erst jetzt mit Isis", so Ilbay.

Er zeigt auf Bilder an der Wand, türkische Schriftsteller, viele links orientierte Philosophen, Filmemacher, auch Bob Marley ist dabei. Dann zeigt er auf die Bücher in den Regalen, "hier haben sie einen ungarischen Klassiker, Ferenc Molnar, den kirgisischen Schriftsteller Tschingis Aitmatow, der auf Türkisch Cengiz Aytmatov heißt, oder der türkische Dostojewski, Peyami Safa." Bei den Kinderbüchern achtet er ebenfalls auf ein breites Spektrum. So habe er auch ein Buch über Spiele im Freien vor 200 Jahren, "auch wenn es dafür keine so große Nachfrage gibt", wie er lächelnd einräumt. Dass für den einzigen Buchladen in Neufahrn derzeit ein Nachfolger gesucht wird, hat er gehört, vielleicht könne er ja ein Regal mit deutschen Büchern aufstellen überlegt er. Was er nicht bieten kann, ist ein Bestellservice. "Die verlangen Mindestabnahmemengen, die ich leider nicht leisten kann", meint er bedauernd.

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