Süddeutsche Zeitung

25 Jahre Schuldnerberatung:Die Kreditkarte ist eine Schuldenfalle

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Günter Miß, der Leiter der Sozialen Dienste, hat während seiner langen Beratertätigkeit Veränderungen im Kaufverhalten festgestellt und warnt vor einer Abschaffung des Bargelds.

Von Gudrun Regelein, Freising

Seit nunmehr 25 Jahren gibt es die Schuldner- und Insolvenzberatung der Caritas Freising. Diese sei auch in einem eigentlich reichen Landkreis notwendig, betont Günter Miß . "Sechs Prozent der Landkreisbürger sind überschuldet", sagt der Leiter der Sozialen Dienste im Gespräch mit der SZ Freising. Vielen hätte man in den vergangenen Jahren in der Beratung eine neue Perspektive und die Chance auf einen Neuanfang geben können. "Jeder, dem wir helfen konnten, ist ein Grund zu feiern."

SZ: Wie begann es vor 25 Jahren?

Günter Miß: Anfang der Neunzigerjahre waren wir alle in der sozialen Beratung tätig, das heißt, wir alle haben auch - falls notwendig - die Schuldnerberatung mitgemacht. Die Anforderungen sind dann aber gewachsen, das notwendige Fachwissen hat gefehlt und eine Spezialisierung wurde notwendig. Anfang 1994 habe ich dann damit begonnen, eine ganz eigene Beratung für diese Klienten anzubieten - das war dann der Beginn der Schuldnerberatung.

Wer kam damals und wer kommt heute zu Ihnen?

Früher waren unsere Klienten beispielsweise Sozialhilfeempfänger oder Menschen, die Grundsicherung im Alter beziehen und die Schulden gemacht hatten. Mit der Einführung des Insolvenzverfahrens 1999 hat sich das verändert: Heute kommen auch Kleinunternehmer, ehemalige Selbständige und Leute, die zwar ein Einkommen haben, aber ihre finanziellen Möglichkeiten überschätzt haben.

Haben Sie heute mehr Klienten als früher?

1994 war ich ja alleine in der Schuldnerberatung tätig. Damals waren die Fallzahlen geringer. Heute haben wir in der Schuldnerberatung drei Vollzeitstellen - entsprechend haben sich auch die Fälle erhöht, das sind zwischen 400 und 450 im Jahr. Früher hatten wir übrigens Wartezeiten von bis zu einem Jahr, auch das hat sich verändert. Heute dauert es etwa sechs bis acht Wochen, bis man einen Termin bekommt. Der Bedarf ist aber da.

Seit Kurzem gibt es auch eine Jugendsprechstunde. Weshalb das?

Wir haben festgestellt, dass zunehmend auch verschuldete junge Menschen nach einen Termin fragten. Vielen dauerte aber die Wartezeit zu lang, sie sprangen ab. Darauf haben wir reagiert. Die Jugendsprechstunde ist ein sehr niedrigschwelliges Angebot für unter 25-Jährige. Sie können einfach anrufen und bekommen eine erste kurze Beratung. Das wird auch gut nachgefragt.

Haben Sie den Eindruck, dass das Schuldenmachen heute eine andere Bedeutung hat als früher?

Ja, das ist so. Bis in die späten Sechzigerjahre bezahlte man seine Anschaffungen noch in bar. In den Siebzigerjahren waren dann Ratenzahlungen üblich. Und heute ist es schick, seinen Urlaub über einen Kredit zu finanzieren. Da hat sich eine andere Kultur entwickelt. Durch das Einkaufen mit Kreditkarte verliert man schnell den Überblick. Die Abschaffung von Bargeld wäre eine Katastrophe.

Wäre dann nicht auch eine präventive Arbeit notwendig?

Prävention gehört bereits zu unserer Aufgaben. Eine Kollegin ist viel in Schulen, vor allem den berufsbildenden Schulen, unterwegs. Sie versucht, auf die Fallstricke aufmerksam zu machen. Außerdem bieten wir eine anonyme Online-Beratung an.

Ist die Schuldnerberatung erfolgreich?

Wir legen ganz großen Wert auf die sozialpädagogische Beratung. Das heißt, dass erst einmal eine Haushalts- und Budgetplanung gemacht wird. Erst wenn der Klient gelernt hat, mit seinem Einkommen auszukommen, geht es im zweiten Schritt um die Reduzierung seiner Schulden. Das kann lange dauern. Bei denjenigen, die es kapiert haben, passiert es nicht wieder. Bei anderen, die das Muster nicht durchbrechen können, wiederholt sich die Geschichte. Auch das kommt vor, dass jemand nach Jahren wieder in die Beratung kommt.

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