120 Millionen Euro:Zoff um Kosten der Westtangente

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Schön gerechnet oder naiv geplant, das ist jetzt egal, stoppen kann man den Bau der Westtangente nicht mehr. (Foto: Marco Einfeldt)

Grüne und ÖDP ärgern sich, dass die Freisinger Umfahrung erneut teurer wird. Jürgen Maguhn glaubt, das Bürgerbegehren wäre mit einer reellen Kostenprognose anders ausgegangen.

Von Kerstin Vogel, Freising

Viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hat es im Freisinger Stadtrat kaum eine Haushaltsdebatte gegeben, in der nicht mehr oder weniger unerbittlich um den Bau der Westtangente durch Vötting und das Freisinger Moos gestritten worden wäre. Nach dem Baubeginn im Jahr 2015 hatten die Debatten sozusagen umgekehrt proportional zum Baufortschritt nachgelassen, die jüngste Kostensteigerung allerdings mochten die Gegner des Projekts am Mittwochabend dann doch nicht mehr einfach so hinnehmen.

Es ist natürlich auch eine ordentliche Summe, die für die Umgehungsstraße zusätzlich hingelegt werden muss. Wegen unerwarteter Probleme mit der Beschaffenheit des Untergrundes sind die Gesamtkosten für die Tangente um 9,82 Millionen auf jetzt 108,22 Millionen Euro gestiegen. Wegen der zugesagten, anteilsmäßigen Zuschüsse liegt die Mehrbelastung für den städtischen Haushalt zwar nur bei 1,5 Millionen (insgesamt jetzt: 22,5) - auch das aber ist sehr viel Geld und manch einer fürchtet, dass das Ende der Fahnenstange noch gar nicht erreicht ist. Zu den Bedenkenträgern gehört die ÖDP-Fraktion, für die Stadtrat Ulrich Vogl am Montag im Finanzausschuss zwar noch zähneknirschend Zustimmung zu der Kostenfortschreibung signalisiert hatte. Inzwischen aber habe man noch einmal Kontakt mit dem Verkehrsberater Martin Vieregg aufgenommen und ihm die neueste Entwicklung dargelegt. Solange dessen Einschätzung nicht vorliegt, "können wir mit der Sachkenntnis von heute nicht mehr zustimmen", sagte Vogl am Mittwoch im Stadtrat. Vieregg hatte das Bündnis "Besser ohne Westtangente" schon vor dem - verlorenen - Bürgerentscheid von 2013 beraten und damals die Planungen und Prognosen der Stadt massiv kritisiert. Sein Büro hatte einen deutlichen Anstieg der Kosten auf 130 Millionen Euro prognostiziert.

Die geologischen Probleme hätte man voraussehen können

Auf diese Schätzungen bezog sich auch Grünen-Stadtrat Jürgen Maguhn, der mit der Stadtverwaltung hart ins Gericht ging. Er wolle jetzt nicht den Besserwisser spielen, sagte er: "Aber es treibt mir die Zornesröte ins Gesicht, wenn ich daran denke, wie mit unseren begründeten Bedenken umgegangen wurde." Schon damals sei absehbar gewesen, dass die wasserundurchlässige Schicht unterhalb des geplanten Tunnels nicht durchgängig bis ins Moos rage, kritisierte Maguhn. "Ich weiß nicht, ob das Bürgerbegehren mit einer Kostenschätzung von 120 Millionen nicht anders ausgegangen wäre. Für ihn gebe es nur zwei Möglichkeiten, empörte sich der Stadtrat weiter: "Man hat das damals schön gerechnet oder ein bisschen naiv geplant." Beides nannte Maguhn "nicht akzeptabel" und empfahl für zukünftige Bauvorhaben, "sorgfältiger hinzuschauen und externen Sachverstand hinzuzuziehen".

Schön gerechnet wurde nichts, betont der OB

Klar, dass Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher das so nicht stehen lassen konnte. "Ich weise aufs Äußerste zurück, dass hier etwas schön gerechnet worden ist", sagte er. Man habe - wie bei allen Projekten - die zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Fakten einbezogen und bewertet und sehr wohl externe Berater hinzugezogen: "Vielleicht nur nicht die, die Sie gerne gehabt hätten", sagte er an die Adresse von Maguhn. "Gehen Sie davon aus, dass alle Berechnungen auf Herz und Nieren geprüft wurden", ergänzte Franz Piller, der in der Stadtverwaltung für den Bau der Westtangente zuständig ist, und erinnerte an die hohen Zuschüsse, die man vom Staat bekomme: "So etwas wird dann nicht nur von einer Behörde überprüft."

Man werde ja wohl noch sagen dürfen, dass so eine Kostensteigerung nicht so ganz lustig sei, hielt dem wiederum Grünen-Stadtrat Sebastian Habermeyer entgegen: "Wenn man bei anderen Projekten einen Kostensteigerung von 25 Prozent hat, dann wird der Architekt gegrillt." Natürlich dürfe man das sagen, wehrte sich Eschenbacher: "Auch wir sind not amused." Gegen die Kostenfortschreibung votierten am Ende ÖDP und Grüne.

© SZ vom 07.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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