"Nein", sagt er mit Nachdruck, "bedauert habe ich es noch keine einzige Sekunde." Natürlich bringe der Job als Oberbürgermeister auch Probleme mit sich: "Das ist kein Zuckerschlecken." Tobias Eschenbacher sucht kurz nach der richtigen Formulierung - und findet sie: "Die Arbeit ist manchmal echt anstrengend, aber sie macht auch dann noch Spaß, wenn es mal nicht so einfach ist."
100 Tage ist Eschenbacher an diesem Mittwoch im Amt - und es war schon ein paar Mal nicht wirklich einfach für ihn. Als an der Auenstraße plötzlich eine Protestwelle aufbrandete etwa, nur weil der Stadtrat die Straßennamen in dem Viertel ändern wollte. Da wurde der Neue vielleicht ein erstes Mal an seinen Versprechen gemessen: Dass er nicht über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden wolle, hatte er im Wahlkampf gesagt - und nun so schnell wie möglich ein Gespräch mit den Anwohnern der Auenstraße vereinbart und geführt. Das Problem kann er als gelöst verbuchen: Der alte Straßenname bleibt.
Oder die Auseinandersetzung um die dritte Startbahn für den Münchner Flughafen: Schon wenige Wochen nach Eschenbachers Amtsübernahme stand der Bürgerentscheid der Münchner über den Flughafenausbau an. Da galt es, sich im Vorfeld als Stadt Freising noch einmal deutlich zu positionieren, den Münchnern möglichst klar zu machen, welche Auswirkungen diese zusätzliche Startbahn auf die Entwicklung der Stadt Freising hätte - Eschenbacher übernahm die Aufgabe. Ein Film im Internet, ein Auftritt an einem Infostand in München, der Besuch bei einer Feier der Flughafenbetreiber mit dem Anti-Startbahn-Button am Revers: Der neue Freisinger Oberbürgermeister ließ keine Zweifel aufkommen, auf welcher Seite er stand.
Am Ende war es die Seite der Sieger - und der "München-Tag", den die Stadt Freising zum Dank an die Nachbarn in der Landeshauptstadt ausrichtete, macht sich nicht schlecht in so einer ersten Hundert-Tage-Bilanz. Frech hatte Eschenbacher noch am Abend des Bürgerentscheids seinen Münchner Kollegen Christian Ude, einen Startbahn-Verfechter, zur Feier nach Freising eingeladen; humorvoll und souverän begrüßte er den SPD-Politiker tatsächlich am Tag der Veranstaltung in der Domstadt. Natürlich begegnet er Ude auf Augenhöhe - von OB zu OB, das findet Eschenbacher selbstverständlich, auch wenn Ude ihm an Erfahrung natürlich einiges voraus habe.
Dass die Freisinger Christian Ude trotz aller Auseinandersetzungen in der Vergangenheit freundlich empfangen haben, darüber ist ihr neuer Oberbürgermeister im Nachhinein sehr froh. Das Thema Startbahn werde die Stadt wohl leider noch länger beschäftigen, bedauert er. Zumindest mit Ude aber habe man jetzt wieder die Basis für ein konstruktives Miteinander.
Neben diesen sozusagen ererbten, großen Themen, zu denen auch das Eisstadion, die Innenstadtkonzeption oder die Westtangente gehören, fasziniert Eschenbacher an seiner neuen Arbeit, "dass ständig etwas Neues passiert": Vertragsprobleme, Anliegen, die in den Bürgersprechstunden an ihn herangetragen werden, Besprechungen mit den Vereinen und Institutionen in der Stadt - oder dass plötzlich Industriechemikalien im Stoibermühlsee gefunden werden. Bei so etwas müsse man dann vor allem schnell reagieren können.
Stolz ist er beispielsweise darauf, dass er die Sache mit dem Freisinger Alpenverein zu einem guten Abschluss gebracht hat. Der Vertrag über die gewünschte Kletterhalle sei zur allgemeinen Zufriedenheit unterschrieben und gültig. Nach hundert Tagen ein erster Vergleich mit den eigenen Erwartungen? "Es ist schon ungefähr so, wie ich es mir vorgestellt habe", sagt Eschenbacher, "nur noch viel intensiver".
Dass er im Freisinger Stadtrat und in dessen Ausschüssen einen eigenen Stil verfolgen wird, das hat Tobias Eschenbacher vom ersten Tag an zu verstehen gegeben - und er ist voll des Lobes für die Arbeit dort. Er sei allen Fraktionen für die sehr kollegiale Zusammenarbeit dankbar, sagt er: "Jeder bemüht sich, seinen Beitrag zu leisten und im Sinne der Stadt konstruktiv mitzuarbeiten." Wirklich jeder? "Jeder", bekräftigt Eschenbacher.
Dass die Sitzungen unter seiner Führung vielleicht etwas länger dauern als früher, das nimmt er selbstbewusst in Kauf. Zu seinem Stil gehöre es, den Stadträten die Gelegenheit zu geben, teilzuhaben, mitzureden, ihre Ideen einzubringen. Langfristig sei hier vielleicht einmal die Selbstdisziplin gefragt, sagt er: "Aber wenn jeder sich gehört und ernst genommen fühlt, kann er nachher vielleicht auch die Beschlüsse besser mittragen." Ob das nun besser oder schlechter sei als vorher, "das müssen andere beurteilen".
Natürlich hat sich auch seine eigene Rolle in den Gremien des Stadtrats verändert. So ein bisschen halb und halb sei er jetzt: halb Politiker, halb aber auch Behörde. Das sei gewöhnungsbedürftig, findet Eschenbacher. Auch für die Verwaltung findet er nur warme Worte, lobt das Engagement, mit dem er dort vom ersten Tag an unterstützt wurde. Dass er in der Öffentlichkeit anders wahrgenommen wird als früher, das ist dem neuen Oberbürgermeister in den vergangenen hundert Tagen auch noch aufgefallen. Dabei werde er eher seltener direkt angesprochen als früher zu seinen Zeiten als Stadtrat - trotz der Bürgernähe, die er stets postuliert und die ihm auch wirklich wichtig ist; nicht nur in der virtuellen Welt.
Außer an der Auenstraße hat er auch schon protestierende Anwohner der Asamstraße zum Gespräch gebeten, er will die Vereine möglichst alle besuchen, in der Stadtgesellschaft präsent bleiben, Bürgersprechstunden künftig auch in den Abend hineinschieben und Bürgerversammlungen in den einzelnen Stadtteilen abhalten - manch ein wohlmeinender Bekannter sorgt sich schon, wie lang Eschenbacher das Tempo, das er vorlegt, wohl durchhalten kann.
Dass er nicht alle in ihn gesetzten Erwartungen wird erfüllen können, ist dem neuen Stadtoberhaupt bewusst. "Ich kann nicht in hundert Tagen die Westtangente bauen." Natürlich werde er zwangsläufig Leute enttäuschen müssen, sagt der Oberbürgermeister weiter. Die Führung einer Stadt sei so komplex und ab und zu müsse man eben Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen, dabei "kann man es einfach nicht allen recht machen".
Drei oder vier Mal hatte er in der ganzen Zeit an einem Wochenende auch schon mal einen Tag frei - das ist nicht wirklich viel bei hundert Tagen Arbeit. Dienstbeginn ist morgens um acht, aber wie viele Stunden pro Woche er arbeitet, das nachzurechnen, fehlte ihm bislang auch die Zeit, wie er grinsend sagt: "Im Moment kann ich eigentlich nichts anderes machen, die Hobbys ruhen. Gut, dass mein größtes Hobby ja immer die Politik war."
Ein bisschen hofft Eschenbacher trotzdem, dass es nach der Sommerpause etwas besser wird. Es nütze ja auch niemandem, wenn er am Ende völlig fertig sei - und: "Was mir jetzt am Anfang so ein bisschen fehlt, ist mehr Zeit für Kreativität." Und er kann abends nicht mehr mit seiner Frau Nergiz vor ihrer Wohnung in der Altstadt sitzen und den Tag dort ausklingen lassen, bedauert er - wenn auch augenzwinkernd: "Das geht nicht, da ist sonst sofort Bürgersprechstunde."