Freischankflächen in München:Experimente in der Nacht

Freischankflächen in München: Experimente in der Nacht: Wenn sich die Gäste benehmen, dürfen sie im Sommer eine Stunde länger im Freien sitzen.

Experimente in der Nacht: Wenn sich die Gäste benehmen, dürfen sie im Sommer eine Stunde länger im Freien sitzen.

(Foto: Catherina Hess)

Von dieser Woche an dürfen Wirte ihre Gäste draußen länger bedienen - solange es keine Beschwerden gibt. Die Stadt stößt damit auf Kritik, doch während der Fußball-WM ist sie sogar noch großzügiger.

Von Thomas Anlauf

Wenn der Sommer beginnt, steigt mit den Temperaturen auch die Zahl der Beschwerden über nächtliche Ruhestörung. In diesem Jahr werden die Mitarbeiter des Kreisverwaltungsreferats besonders aufmerksam verfolgen, wie viel Ärger es wegen lauter Kneipengäste gibt. Denn von dieser Woche an gilt, dass Münchner Wirte ihre Gäste an Freitagen und Samstagen erst um Mitternacht nach drinnen bitten müssen anstatt wie bisher um 23 Uhr. Die Gastronomen begrüßen die neue liberale Haltung der Stadt natürlich.

"Ich finde es sehr gut, auch dass es widerstandslos vom Stadtrat durchgewunken worden ist", sagt Wiesnwirt Christian Schottenhamel, Chef des Löwenbräukellers und des Gutshofs Menterschwaige. Er könne die Befürchtung einiger Bezirksausschüsse nicht teilen, dass Anwohnerbeschwerden nun deutlich zunehmen werden. "Es gibt nur wenige Gastronomiebetriebe, die wegen Lärm Probleme haben", sagt der stellvertretende Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga. "Jeder Wirt ist gefordert, dass es möglichst keine Beschwerden gibt."

Vor dem Stadtratsbeschluss Anfang April hatte es in einigen Bezirksausschüssen die Besorgnis gegeben, dass viele Anwohner im Sommer um ihre Nachtruhe gebracht werden. So hatte der damalige Vorsitzende der Schwanthalerhöhe, Ludwig Wörner (SPD), gefordert, die Sperrzeitregelung den Bezirksausschüssen zu überlassen. Das vormalige Gremium der Isarvorstadt hatte sich sogar dafür ausgesprochen, dass bereits um 22 Uhr Nachtruhe sein soll. "Schnee von gestern", sagt der wiedergewählte Bezirksausschuss-Vorsitzende Alexander Miklosy (Rosa Liste).

Angesichts der vielen neu gewählten jungen Mitglieder bezweifelt er, dass der jetzige Bezirksausschuss ebenso rigide abstimmen würde. Persönlich findet er "das Experiment ganz gut". Es sei den Menschen "nicht vermittelbar", dass sie an heißen Sommerabenden nicht länger draußen sitzen dürfen. Allerdings räumt Miklosy ein, dass es in seinem Stadtbezirk auch mehrere nächtliche "Brennpunkte" gebe - etwa in der Müllerstraße, der hinteren Thalkirchner Straße und am Sendlinger Tor.

Drei Monate Probezeit

Die neue Regelung, die seit dem 1. Juni gilt, greift erstmals am kommenden Freitag und ist probeweise auf drei Monate befristet. In einem Rundbrief an die Münchner Wirte warnt das Kreisverwaltungsreferat (KVR) jedoch, dass es durch die spätere Sperrzeitregelung vermehrt zu Beschwerden von Nachbarn kommen könnte. Sollten Lärmmessungen dann tatsächlich ergeben, dass es nachts vor dem Lokal zu laut ist, muss der Wirt künftig sogar schon um 22 Uhr die Tische und Stühle wegräumen. "Wir wollten so fair sein und die Wirte darauf hinweisen, dass es Risiken gibt", sagt KVR-Sprecherin Daniela Schlegel. Allerdings werde man nicht gleich bei ein oder zwei Beschwerden Lärmpegelmessungen anordnen. "Wir sind da im Dialog mit den Wirten", so Schlegel.

Eine Sonderverordnung des Bundesrats schränkt den Lärmschutz weiter ein

Wenn in zwei Wochen die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien beginnt, gibt sich das KVR sogar noch kulanter. Freischankflächen dürfen dann bis Spielende geöffnet bleiben, spätestens um 1 Uhr muss dann Ruhe vorm Lokal herrschen. "Das haben wir schon immer liberal gehandhabt", sagt Schlegel.

Rückendeckung bekommt die Ordnungsbehörde nun sogar vom Bundesrat: Die Länderkammer billigte am vergangenen Freitag eine Sonderverordnung, die den Lärmschutz für die Zeit der WM vom 12. Juni bis 13. Juli lockert. Übertragungen auf Großleinwänden im Freien werden nach 22 Uhr und in Ausnahmefällen sogar nach Mitternacht gestattet sein. Großgastronom Schottenhamel begrüßt die Regelung, auch wenn er befürchtet, dass die späten Spielzeiten einige Menschen abschrecken werden. "Das wird wohl nicht dieser Sommernachtstraum werden wie 2006."

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