Freimann:Weichenstellung am Flaschenhals

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Der Stadtrat beschließt zahlreiche punktuelle Neuerungen, Um- und Ausbauten entlang der Lilienthalallee. Ziel ist es, die erwartbare Verkehrslawine in den Griff zu bekommen, die durch das weitere Wachstum ausgelöst wird

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Jahrzehntelang war der Stadtteil Freimann eine Art Stiefkind der Stadtplanung; alles was lärmt und stinkt, wurde am nördlichen Stadtrand abgeladen: Müllberg, Klärwerk, Gewerbegebiete. Zudem klafften große Lücken in der Stadtlandschaft, als militärisches Gebiet (48 Hektar, Bayernkaserne) oder Industriebrache (21 Hektar, Bundesbahn-Ausbesserungswerk). Doch längst hat sich das Stiefkind zum Darling gewandelt: Der östliche Teil Freimanns steht vor einem Wachstumsschub - und damit womöglich vor einem Verkehrsproblem. Die Rathauspolitik hat zuletzt einige Weichen gestellt, um die anrollende Blech-Armada in den Griff zu bekommen; jüngstes Beispiel ist ein "Maßnahmenpaket zur Leistungssteigerung im Bereich Lilienthalallee".

Bürgerschaft und Politiker im Bezirksausschuss Schwabing-Freimann beobachten die Entwicklungen entlang dieser zwei Kilometer langen Nord-Süd-Verbindung zwischen Heidemannstraße und Frankfurter Ring schon lange mit Unbehagen. Immer wieder war von einem drohenden Verkehrskollaps die Rede, angesichts der regen Bautätigkeit im Bereich dieses Flaschenhalses, der einst als Passage durchs Niemandsland galt. BMW erweitert massiv seinen Standort, dazu erwacht die lange brachliegende Lokhalle zum Leben: Im Nordteil ist ein Baumarkt eingezogen, das südliche Hallensegment wird zur Auto-Erlebniswelt "Motorworld" umgemodelt, ein Event-Ensemble mit wohl kaum weniger Publikumsverkehr, wie es auf der gegenüber liegenden Straßenseite heute beim Messecenter MOC regelmäßig der Fall ist. Und südlich der riesigen Lokhalle beginnen bald die Arbeiten für den neuen Gewerbepark "Campus Freimann" mit Büroflächen für insgesamt 2500 Arbeitsplätze.

Das alles dürfte ein gehöriges Anschwellen des Verkehrs auf der Lilienthalallee zur Folge haben. Nach einer zweieinhalb Jahre andauernden Vorplanungsphase, in der sich die Stadtverwaltung auch eng mit dem BMW-Konzern abstimmte, hat der Stadtrat dem Baureferat jetzt den Auftrag für folgende Maßnahmen erteilt: Am nördlichen Ende, am Knotenpunkt Heidemannstraße, soll eine weitere Abbiegespur angelegt werden, sodass Autos und Lkw von Osten her zweistreifig nach Süden in die Lilienthalstraße einbiegen können und, auch das ist neu, bis zur Südeinfahrt des MOC eine zweite Fahrspur zur Verfügung haben. Ferner soll der Gehweg vor dem Messecenter auf drei Meter verbreitert werden, zudem entsteht dort ein 2,30 Meter breiter Radweg. Etwa 400 Meter weiter südlich wird das Baureferat an der Kreuzung zur Alois-Wolfmüller-Straße eine neue Linksabbiegespur anlegen - und damit eine Zufahrt zum Hauptgebäude des BMW-Standorts. Auch eine neue Bushaltestelle wird es dort geben sowie einen Übergang für Fußgänger. Beim Abzweig zu BMW-Parkhaus und Werksgebäude an der Lindberghstraße entstehen ebenfalls neue Linksabbiegespuren. Am Südende der Lilienthalallee hält es die Stadt für ausreichend, den bestehenden Rechtsabbiege-Streifen um 50 Meter zu verlängern. Insgesamt sollen der Beschlussvorlage zufolge 55 Parkplätze wegfallen; 34 Bäume werden gefällt, 19 neu gepflanzt. Baubeginn soll im Herbst dieses Jahres sein. An Kosten sind 4,2 Millionen Euro veranschlagt.

Im Wesentlichen sind all dies jene "punktuellen Maßnahmen", die das Planungsreferat bereits im Juli 2017 in einem Beschlussentwurf skizziert hat - und die vom örtlichen Bezirksausschuss damals allerdings als bei Weitem nicht ausreichend erachtet wurden. Das Gremium befand es als nötig, die zweite Fahrspur von Norden her nicht nur bis zur MOC-Zufahrt, sondern bis zum BMW-Gelände zu führen. Überhaupt sehen die Lokalpolitiker die Gefahr eines Dauerstaus in dem lang gezogenen Nadelöhr, in dem vor allem die öffentlichen Linienbusse feststecken könnten. Von der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) war damals zu hören, dass dies bei Veranstaltungen und Messen wohl durchaus vorkommen werde.

Jede Menge zusätzlicher Verkehr wird auch auf die Freimanner Ost-West-Passage, die Heidemannstraße, zukommen. Denn im neuen Wohnquartier auf dem Gelände der Bayernkaserne sollen in zehn Jahren 15 000 Menschen leben. Eine Studie prognostiziert 25 000 Fahrzeuge, die 2030 täglich die Heidemannstraße frequentieren; derzeit sind es 17 000 - was auch der deutlichen Zunahme an Pendlern wegen des stark wachsenden Gewerbestandorts im Umfeld geschuldet ist. Zur Entlastung soll von 2026 an eine Expressbuslinie zwischen den U-Bahnhöfen "Am Hart" und "Kieferngarten" pendeln - und zwar auf eigenen Busspuren auf der gesamten Strecke durch Knorr-, Rathenau- und Heidemannstraße, die aber erst angelegt werden müssen. Der Stadtrat hat dazu zuletzt einen Beschluss für ein Bebauungsplanverfahren gefasst; dabei soll die Planungsbehörde auch untersuchen, ob und wie als Alternative zum Schnellbus eine Tram-Trasse realisierbar ist.

© SZ vom 03.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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