Freimann:Vier brisante Zonen

Seit zwei Wochen steht die 347 Hektar große Fröttmaninger Heide im Münchner Norden unter Naturschutz. Umweltschützer kritisieren, man habe den Hundehaltern zu viele Rechte eingeräumt - und erwägen eine Klage

Von Thomas Kronewiter, Freimann

Wer den Entwurf des Zonenkonzepts für die Fröttmaninger Heide schon im Herbst vergangenen Jahres genau studiert hat, muss sich jetzt nicht wirklich umstellen. Mit der endgültigen Ausweisung des Naturschutzgebiets am Nordrand der Stadt ist die Regierung von Oberbayern weitgehend bei ihrer Kompromiss-Linie geblieben. Seit Montag, 9. Mai, steht der ehemalige Truppenübungsplatz nördlich der Freimanner Siedlungsgrenze unter Naturschutz - dreieinhalb Jahre nach dem Start eines innovativen Dialogprozesses, der nicht bloß Politiker und Naturschutzverbände, sondern modellhaft auch die Anwohner einbezog.

Nun ist die Heide, auf welcher der Regensburger Geißklee blüht und der Flussregenpfeifer zu Hause ist, in ein Raster aus vier verschiedenen Zonen unterteilt - vermutlich das wichtigste Ergebnis des Dialogs zwischen Regierung und den Freimanner Anwohnern. Die Zonen für das Heideerleben sind eher an den Rändern des Gebiets, die Schutzzonen vor allem im Norden, zum kleineren Teil allerdings auch am Südrand zu finden. Freies Betreten ist an den Siedlungsrändern im Westen und im Süden möglich. Die bewusst für das pädagogische Heranführen ans Thema gedachte Umweltbildungszone umschließt das Heidehaus nahe der U-Bahn-Station Fröttmaning.

Schafherde in der Fröttmaninger Heide, 2015

Flora und Fauna sollen im Einklang stehen: Naturschützer sehen dieses Ziel im neuen Schutzgebiet als gefährdet an.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die wohl auffälligste Kennzeichnung aber betrifft zonenübergreifend die Bereiche, die man derzeit gar nicht betreten darf: mehr als 80 Prozent der 347 Hektar. Das Verbot begründet die Regierung mit dem Verdacht auf Kampfmittelreste aufgrund der Vergangenheit des Geländes. Noch immer, so heißt es, sei der Großteil des Areals abseits häufig begangener Wege und sogar Teilen der Umweltbildungszone nicht mit Räumgeräten untersucht.

Dass dieses Betretungsverbot viele Freimanner nicht interessiert, auch zu Truppenübungszeiten nie interessiert hat, gehört zu den Traditionen des nach dem Zweiten Weltkrieg massiv besiedelten Wohnquartiers. Der verständliche Wunsch der Nachbarn, das Naherholungsgebiet vor der eigenen Haustür nicht zu verlieren, hat dementsprechend die Debatten zwischen Naturschützern und Naturnutzern von Anfang an emotionalisiert. Er wurde bis in die Bayerische Staatsregierung getragen, in welcher der damalige Umweltminister Marcel Huber beim Lokaltermin vor einigen Jahren wissend und zugleich diplomatisch von Bayerns einzigem "Naturschutzgebiet mit U-Bahn-Anschluss" sprach.

In der Würdigung aller Argumente, seien sie von Anwohnern, von Hundehaltern, von Naturschützern oder Politikern gekommen, hat die Regierung nun der besonderen Lage am Rande einer Millionenstadt und den Wünschen der Stadt Rechnung getragen - so sehr, dass Christian Hierneis, Geschäftsführer der Kreisgruppe München im Bund Naturschutz, eine Klage gegen die Verordnung erwägt. So dürfen beispielsweise in der Zone für das Heideerleben Hunde an der Leine oder gar frei laufen, wobei letzteres nicht in der Frühjahrs- und Sommersaison erlaubt ist. Beim freien Laufen ist zudem immer vorausgesetzt, dass der Hund "im Einwirkungsbereich des Hundeführers gesichert verbleibt" und ein sogenannter Hundeführerschein vorliegt. In diesem Fall dürfen Hunde in der Zone für das freie Betreten sogar ganzjährig ohne Leine laufen.

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Im gesamten Schutzgebiet muss außerdem ein Abstand von wenigstens 50 Metern zu Weidetieren eingehalten werden. Auch die Schutzzone darf betreten werden, sogar mit Hunden an der Leine - allerdings nur auf den ausgewiesenen Wegen. Nicht durchgesetzt haben sich dagegen Tierfreunde, die statt der nun generell angeordneten Zwei-Meter-Leine die doppelte Länge vorgeschlagen hatten.

Für Naturschützer Hierneis wird mit diesen vielen Ausnahmen für Hunde der eigentliche Naturschutz-Zweck unterlaufen. Derzeit prüfe eine Anwaltskanzlei im Auftrag seines Verbands, wie aussichtsreich eine Klage sei, sagt Hierneis. Er fürchte einen schleichenden Prozess, an dessen Ende es keine Heidelerche mehr gebe. "Auf der Panzerwiese haben Hunde schon alles ausgerottet, was kreucht und fleucht." Der Bund Naturschutz will deshalb in jedem Fall auch ein Auge auf die angekündigten Kontrollen haben - über die Frage hinaus, ob man unter Umständen gleich die ganze Verordnung anficht.

Freuen können sich - unabhängig von der Hunde-Thematik - alle Befürworter einer Pufferzone für das freie Betreten: Ein zumindest schmales Band zieht sich durchgängig von der U-Bahn Fröttmaning nach Westen entlang des Siedlungsrandes, vorbei an Haidpark-, Kieferngarten-, Freimanner-Heide- und Grusonsiedlung bis zum Helmholtz-Zentrum. Auch dafür gilt aber, dass große Teile dieser Bereiche wegen Munitionsverdachts eigentlich noch gesperrt sind.

Flyer, Schilder, Steine

Zuständig für die Überwachung der Ge- und Verbote in der Fröttmaninger Heide sind die Naturschutzbehörden der Landeshauptstadt und des Landratsamtes München. Vier Mitglieder der Naturschutzwacht werden im Auftrag beider Behörden im Gebiet präsent sein. Im Vordergrund steht dabei, wie die Regierung von Oberbayern mitteilt, die Information der Bürger über die neuen Regelungen sowie über die Gründe für die Beschränkungen - insbesondere über das Vorkommen geschützter und störempfindlicher Tierarten, aber auch über die Gefahren, die von noch unentdeckter Munition drohen. Die Naturschutzbehörden haben zum Inkrafttreten der Verordnung einen Flyer herausgegeben, in dem die Betretungsregelungen zusammengefasst sind; er enthält auch eine Karte, aus der die Wege ersichtlich sind, die bereits geräumt sind und ohne Gefahr betreten werden können. Dieser Flyer ist im Internet verfügbar unter http://www.regierung.oberbayern.bayern.de/aufgaben/umwelt/recht/11551 und wird auch an Ort und Stelle verteilt. Die Verhängung von Bußgeldern steht zunächst nicht im Vordergrund, ist aber laut Regierung insbesondere bei besonders groben oder hartnäckigen Zuwiderhandlungen möglich. Wie der Münchner Planungssprecher Ingo Trömer ergänzt, sei in den kommenden Wochen eine ergänzende Beschilderung geplant, zudem sollen die Zonen mittelfristig auch farblich gekennzeichnet werden, entweder mithilfe von Pfosten oder von Steinen. Wenn die Zonen deutlich erkennbar sind, sei auch an die verstärkte Durchsetzung eventueller Sanktionen gedacht. Verstöße gegen die Naturschutzverordnung können im Extremfall mit Geldbußen von bis zu 50 000 Euro geahndet werden. tek

Da diese Situation auch für die Behörden nicht dauerhaft tragbar ist, arbeiten der Heideflächenverein Münchner Norden und die Stadt nun an einem Konzept zur Entmunitionierung. Je nach dem Fortschritt dieser Arbeiten sollen der Verordnungstext und die dazugehörigen Karten regelmäßig angepasst werden. Dann sollen die Schraffuren, die derzeit den Großteil der Biotopflächen überziehen, Parzelle für Parzelle getilgt werden.

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